BW 10/2021 - Fachkräfte

Von Vielfalt profitieren

Menschen mit Behinderungen sind weitestgehend vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Dabei kann Inklusion gelingen, wenn Betriebe das Thema gezielt angehen
Wer in Deutschland mit einer Behinderung lebt, ist automatisch mit schlechteren Berufschancen konfrontiert. Menschen mit und ohne Behinderungen lernen und arbeiten nicht gemeinsam und wissen deshalb wenig voneinander. Nur 30 Prozent der Menschen mit Behinderungen gelangen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie sind häufiger und länger arbeitslos als nicht behinderte Menschen.
Dabei haben Menschen mit Behinderungen Fähigkeiten, die sie in den verschiedensten Berufen einbringen können. In jedem Betrieb gibt es Tätigkeiten, die Menschen mit Behinderungen ausüben können. Ihre Kompetenzen sind so vielfältig wie sie selbst. Setzt ein Betrieb konsequent Inklusion um, tut er nicht nur etwas für mehr Gerechtigkeit in der Welt, sondern auch für das Unternehmen selbst. Denn der Betrieb profitiert von vielfältigen Menschen und nutzt zusätzliche Ressourcen, um zum Beispiel Fachkräfte zu gewinnen. Aber wie?

Mit Initiativen vernetzen

Viele Unternehmensvertreter wissen nicht, wie und wo sie behinderte Menschen finden können. Menschen mit Behinderungen suchen auf allen gängigen Jobplattformen, aber auch spezielle Plattformen wie myability.jobs bieten eine Möglichkeit, gezielt behinderte Bewerber zu finden. Wichtig ist es, Jobs auf barrierefreien Plattformen zu veröffentlichen und dass die eigene Job-Page zugänglich ist und PDFs in einem barrierefreien Format sind. Es lohnt sich, sich zudem mit Initiativen und Projekten zu vernetzen, die Menschen mit Behinderung konkret dabei unterstützen, inklusiv auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Besonders wichtig für Menschen mit Behinderung ist die Barrierefreiheit eines Betriebs. Eine konkrete Ansprechperson, die für Fragen zu Inklusion und Barrierefreiheit zur Verfügung steht und Bewerber bei Schwierigkeiten unterstützt, stärkt den Eindruck, dass behinderte Menschen erwünscht sind. Denn viele behinderte Menschen ziehen Stellenausschreibungen für sich nicht in Betracht, weil Menschen mit Behinderung nicht explizit erwähnt werden.
Fehlzeiten oder Lücken im Lebenslauf gelten noch häufig als etwas Schlechtes. Das schließt behinderte Menschen jedoch oft aus. Es ist wichtig, diese vermeintlichen Nachteile in etwas Positives zu deuten, denn eigentlich zeigt ein Lebenslauf mit Fehlzeiten nur, dass die Person über ein sehr gutes Durchhaltevermögen verfügt. Viele behinderte Menschen sind aufgrund zeitintensiver Therapien und Barrieren in der Umwelt mal ein Jahr länger zur Schule gegangen oder haben ihre Ausbildung nicht in der Regelzeit geschafft. So lassen sich Betriebe also möglicherweise einen Mitarbeiter mit viel Durchhaltevermögen und Zielstrebigkeit – wichtigen Soft Skills in jedem Job – entgehen.

Keine Frage des Ob, sondern des Wie

Auch die Bildsprache des Betriebs beeinflusst, ob sich Menschen mit Behinderungen angesprochen fühlen. Mit Fotos lässt sich zeigen, wie Inklusion im Betrieb bereits gelebt wird. Klischees zu umgehen, indem Bilder genutzt werden, wo behinderte Menschen aktiv statt passiv gezeigt werden, sind dafür ein wichtiger Bestandteil. Fotos sollten immer auf Augenhöhe gemacht werden – wie die der Fotodatenbank gesellschaftsbilder.de. Sie sollten authentische Situationen und Models mit Behinderung zeigen. Für viele Stockbilder werden zum Beispiel nicht behinderte Personen in veraltete Rollstühle gesetzt. Ein geschultes Auge erkennt schnell, dass das kein authentisches Bild ist. Zur Überprüfung kann man sich selbst die Frage stellen: Will ich selbst so dargestellt werden?
Der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft ist für uns alle neu und manchmal auch anstrengend. Doch Inklusion ist keine Frage des Ob, sondern des Wie.
von Anne Gersdorff