BW 12/2021 - AGENDA

Taxiregeln wider den ökologischen Unsinn

Im zweiten Fachgespräch „Zukunft des Berliner Taxiverkehrs“ diskutierten Branchenvertreter und die IHK ein weiteres Mal mit den Verwaltungsexperten neue Lösungen
Die Ziffern, die schon bald auf den Taxametern als Tarifstufen eingeblendet werden könnten, sind „1“, „2“ oder „3“. Zur Berliner Kurzstrecke (Stufe 1 mit 6 Euro für 2 km) und dem Berliner Standardtarif (Stufe 2) soll ein einheitlicher BER-Tarif als dritte Stufe dazukommen. Dafür läuft aktuell ein Genehmigungsverfahren der Behörden in Berlin und im Landkreis Dahme-Spreewald (LDS), wo der Hauptstadtflughafen liegt. Der feierte schon sein Einjähriges, trotzdem bezahlt der Taxi-Kunde bis heute unterschiedliche Tarife, je nachdem, ob er am Flughafen in ein Berliner oder Schönefelder Taxi steigt. Das soll sich nun ändern. Die Tarifstufe 3 müssen dann alle Taxis programmiert und vom Eichamt bestätigt haben, die sich am BER bereithalten – und solche, die dorthin bestellt werden. Damit wäre endlich wenigstens ein Ärgernis ausgeräumt.
Mindestens ebenso wichtig ist dem Fluggast aber, dass überhaupt Taxis am BER bereitstehen. Das war zuletzt nicht immer der Fall, denn die Zahl der Berechtigungen ist begrenzt, und zwar auf 300 mit LDS-Kennzeichen und 300 aus Berlin. Auf den ersten Blick sollte das doch reichen. Das Problem ist aber, dass es sich für kaum ein Taxi lohnt, leer bis raus zum BER zu fahren. Und die Taxis, die Fahrgäste zum Flughafen bringen, haben meist keine Aufstellberechtigung und fahren leer zurück. Man erkennt leicht den ökonomischen und ökologischen Unsinn dieser Regelung.

Gleichmäßige Aufteilung am BER

Trotzdem reagierte die Berliner Senatorin für Verkehr und Klimaschutz bei der Neuregelung nur mit einer Vorfahrtverpflichtung für die Berliner Berechtigten. Wer sich also am BER bereithalten darf, hat nun die Pflicht, das in vier von fünf Schichten auch zu tun. Dabei liegt auf der Hand, dass eine gleichmäßige Aufteilung der Fahrgäste zwischen Berlin und Brandenburg auch erreicht werden kann, wenn an der Schranke einfach abwechselnd durchgelassen wird. Dann könnte jeder, der Fahrgäste hingebracht hat, auch wieder Rücktouren bekommen, und die Staugefahr auf der A113 würde sinken. Die Berliner Bereitschaft dafür ist nun da, eine Einigung der Behörden aber bisher leider nicht in Sicht.
Dafür soll der BER-Tarif zusätzlich eine revolutionäre Neuerung erhalten, die das zuletzt stark veränderte Bundesgesetz zur Personenbeförderung ermöglicht, nämlich Festpreise. Dann könnten etwa Fahrgäste zum Messegelände oder zum Alexanderplatz einen dafür festgelegten Pauschalpreis buchen, unabhängig vom aktuellen Verkehrsfluss und der Routenwahl. Das schüfe Transparenz und Vertrauen und würde auch Reiseveranstaltern ermöglichen, ganze Kontingente vorab zu kaufen.
Die genauen Kosten jeder Taxifahrt vorab zu kennen, wünschen sich viele Kunden schon lange, und auch diese Möglichkeit hat die Novelle des Bundesgesetzes grundsätzlich geschaffen. Allerdings steckt hier der Teufel in der rechtskonformen und datensicheren Detailgestaltung. Denn ganz genau weiß man vor einer Fahrt ja nie, wie lang sie ist und dauert. Dafür würde die Vorab-Transparenz auch hier einen Mehrwert schaffen. Außerdem könnten damit sogar Rabattierungen und Preisanpassungen an die jeweilige Nachfrage möglich werden. Darüber wird zu diskutieren sein in Vorbereitung eines künftigen Berliner Taxitarifs, denn mit dem bisherigen wird die nächste Anhebung des Mindestlohns laut Gewerbeverbänden nicht mehr zu stemmen sein.

Berliner Taxi-Branche in Existenznot

Die Branche ist in Berlin durch die Pandemie und weitere Faktoren wie die Tegel-Schließung in eine existenzielle Krise geraten. Fast ein Viertel aller Konzessionen wurde zurückgegeben, trotz Soforthilfen und Impffahrten, die den massiven Nachfrageausfall nicht kompensieren konnten.
Und doch muss das flächendeckende Taxiangebot auch in Zukunft eine tragende Säule der öffentlichen Mobilität sein, gerade wenn immer mehr Berlinerinnen und Berliner auf Privat-Pkw verzichten. Die Möglichkeit spontaner Mobilität bedeutet auch Inklusion, denn nicht alle sind fit genug fürs Fahrrad. Deshalb hatten sich IHK und Gewerbeverbände zuletzt gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland dafür eingesetzt, das Förderprogramm für Inklusionstaxis zu verlängern. Nachdem die Förderung der rollstuhlgerechten Ausrüstung von Taxifahrzeugen endlich erkämpft worden war, hat Corona den Unternehmen die Investitionsmöglichkeiten genommen, und viel Geld bleibt im Landestopf zurück.
Dies haushalterisch für das nächste Jahr zu sichern, sollte sich die neu geformte Koalition nun vornehmen. Genau wie auch den Aufbau eines Außendienstes des Landesamts für Bürgerund Ordnungsangelegenheiten zur Kontrolle der Steuerehrlichkeit und der Einhaltung von Sozialstandards in der Personenbeförderung, denn Schummeln sollte keine Punkte bringen. Nur fairer Wettbewerb kann nachhaltig sein.
Von Dr. Lutz Kaden