Titel - Ausgabe 07|2022

Mangel an Fach- und Arbeitskräften stellt Unternehmen vor Herausforderungen

Wirtschaft setzt viele Hebel zur Fachkräftesicherung in Bewegung

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Schon heute fehlen im Bezirk der IHK für Oberfranken Bayreuth dem IHK-Fachkräftemonitor zufolge rund 17.000 Fachkräfte. Bis 2030 wird die Lücke auf rund 54.000 anwachsen.
„Laut IHK-Konjunkturbefragung ist der Fachkräftemangel das zweitgrößte Geschäftsrisiko für die Unternehmen und droht daher, zum Wachstumshemmnis für den Wirtschaftsstandort Oberfranken zu werden“,

sagt IHK-Präsident Dr. Michael Waasner.

„Und: der Mangel beginnt gerade erst.“ Das Thema dulde daher keinen Aufschub, appelliert Dr. Waasner. Auch wenn Unternehmen sich angesichts der aktuellen Krisen mit vielen Herausforderungen parallel beschäftigen müssen, dürfe der Fachkräfteengpass nicht in den Hintergrund rücken.

Mangel an Fach- und Arbeitskräften

Zumal sich der schon länger bekannte Mangel an Fachkräften derzeit zu einem Mangel an Arbeitskräften ausweitet: Es fehlen nicht nur die hochqualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten, sondern Personal auf allen Ebenen und in nahezu allen Branchen. In vielen Bereichen, vor allem in der Produktion, im Gastgewerbe, im Handel, aber auch in vielen Dienstleistungsbereichen, wie der Logistik, wird es zunehmend schwerer, offene Stellen zu besetzen.

 „Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften wird sich durch die demografische Entwicklung, das heißt einem Rückgang der Bevölkerungszahl bei gleichzeitigem Anstieg des Durchschnittsalters, weiter verschärfen“,

sagt Gerd Sandler, Leiter des Referats Fachkräfte bei der IHK für Oberfranken Bayreuth.

„Ist der Bedarf erkannt, sollten Unternehmen keine Zeit verlieren – denn offene Stellen zu besetzen, dauert ohnehin lange genug“, macht auch er die Dringlichkeit deutlich.

Unternehmen sind bereits aktiv

Die Mitgliedsunternehmen der IHK für Oberfranken Bayreuth nutzen alle Möglichkeiten, um den Bedarf an Arbeits- und Fachkräften heute und in Zukunft zu decken. Dazu gehören vor allem Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der eigenen Belegschaft sowie in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
 
Mit der Steigerung ihrer Arbeitgeberattraktivität wollen laut dem aktuellen DIHK-Fachkräftereport die meisten Unternehmen auf Engpässe reagieren (53 Prozent). Neben dem Gehalt zählen z.B. Möglichkeiten zum flexiblen und mobilen Arbeiten dazu. Knapp jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) möchte seine eigene Ausbildung weiter intensivieren. An dritter Stelle (34 Prozent) steht die Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit mehr Eltern am Arbeitsleben teilnehmen, aber auch ihre Arbeitszeiten ausweiten können.
„Die Corona-Pandemie mit geschlossenen Schulen und Kitas hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig eine gute Vereinbarkeit für das Funktionieren der Betriebe ist“,

erläutert Sandler.

Die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte ist für jedes dritte Unternehmen (34 Prozent) eine Option.

„Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist praxisfern“

Neben Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrern nach der Elternzeit, Menschen mit Behinderung und Studienaussteigerinnen und -aussteigern eröffnet die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland besondere Potenziale, den Fachkräftebedarf zu decken. 
„Das muss aber auch einfach und ohne bürokratische Hemmnisse möglich sein“,

betont IHK-Präsident Dr. Waasner.

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) habe die Bundesregierung 2020 neue Rahmenbedingungen geschaffen, die ausländischen Fachkräften den Weg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern sollen.
„In der Praxis gibt es jedoch gerade für die mittelständischen Unternehmen hohe Hürden. Mit seinen oft sehr bürokratischen und in Teilen praxisfernen Lösungen muss das FEG daher dringend überarbeitet werden“,

so Waasner.

Daher beschäftigt sich auch die IHK-Organisation mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und will fordern, dass dieses zu einem mittelstandsfreundlichen Arbeits- und Fachkräfteeinwanderungsgesetz weiterentwickelt werden soll.
„Der Begriff der Fachkraft geht an den Bedarfen vorbei. Fachkraft ist laut Definition, wer einen Beruf erlernt hat. Nur in diesem Beruf darf eine Beschäftigung nach dem FEG erfolgen. Erworbene Kompetenzen werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt“,

greift Sandler die Schere zwischen formalen Abschlüssen und tatsächlichen Kompetenzen auf.

Sinnvoll sei darüber hinaus, die Sprachanforderungen weniger strikt zu gestalten und den Spracherwerb zu unterstützen sowie die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und Kompetenzen zu erleichtern. Darüber hinaus bedarf es vor Ort lokaler Betreuung durch „Kümmerer“ oder „Patenmodelle“ und attraktiver Angebote zur längerfristigen Integration und Ansiedlung, um die Bleibewahrscheinlichkeit zu erhöhen. Mit den entsprechenden Forderungen an den Gesetzgeber beschäftigt sich Ende Juli auch das Parlament der oberfränkischen Wirtschaft, die IHK-Vollversammlung.

Berufliche Kompetenzen vs. formale Qualifizierung

Laut Sandler ein wichtiger Baustein: gewonnene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig in das Unternehmen integrieren und einarbeiten, und das bestehende Personal weiterqualifizieren.
„Und wer nach Fachkräften sucht, sollte nicht nur auf die Abschlüsse, sondern auf die Kompetenzen schauen. Zeugnisse und andere Zertifikate sind nicht immer der richtige Gradmesser für das tatsächliche Können eines Bewerbers.“ Welches technische Know-how wird gebraucht, wie ist es um die kommunikativen Fähigkeiten bestellt, wie um Führungskompetenz – und können Bewerber in eine Aufgabe auch hineinwachsen, mit langjähriger Berufserfahrung oder im Ausland erworbenen Kompetenzen punkten? Diese Aspekte sollten Unternehmen im Blick behalten und im Bewerbungsprozess nicht nach Schema F vorgehen, so Sandler.
„Es lohnt sich: Wer Stellenanzeigen entsprechend gestaltet, wird mehr Bewerbungen erhalten – und vielleicht auch feststellen, dass die gesuchten Kompetenzen bei den bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon vorhanden sind oder weiterentwickelt werden können.“

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