"Zu jeder Geschichte, die der Kunde erzählt, passt auch ein Schuh"

An diesem Novembermorgen ist es trüb und ungemütlich, die Schaufenster von "Absolute Run" in der Frohsinnstraße in Aschaffenburg sind hell erleuchtet. Beim Betreten des Ladens hört der Kunde anstatt eines Klingeltons leises Vogelgezwitscher. Auf der großzügigen Ladenfläche wird eine ansprechende Auswahl an Sportkleidung präsentiert, an den Wänden sind Lauf- und Wanderschuhe schön in Szene gesetzt. Die beiden Geschäftsführer, Cristina Aulbach und Thomas Kießling, treffen letzte Vorbereitungen für den Arbeitstag.
Besuch bei dem Start Up Absolute Run in Aschaffenburg.
© Rainer Wohlfahrt
Mit der Eröffnung ihres eigenen Geschäfts im Frühjahr 2024 haben sich die beiden einen Traum erfüllt. Thomas Kießling war vorher 30 Jahre lang bei der Deutschen Bahn angestellt, Cristina Aulbach fünf Jahre. Sie waren mit ihrer Arbeit unglücklich, fühlten sich zunehmend gestresst. "Wir haben die Arbeit "im Kopf" mit nachhause genommen", erzählt Thomas Kießling. Abschalten sei nicht mehr möglich gewesen. Sie wollten ihrem Leben eine Wende geben und so reifte der Entschluss, sich gemeinsam selbstständig zu machen. Cristina Aulbach hatte schon von je her den Wunsch nach Selbstständigkeit. Thomas Kießling war zunächst zögerlich. Wenn man Jahrzehnte beim gleichen Arbeitgeber angestellt gewesen sei, mache man sich natürlich Gedanken und spüre eine gewisse Unsicherheit, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. "Aber sie (Cristina) hat mir letztendlich die Angst vor der Selbstständigkeit genommen und mich überzeugt", so Kießling.
Für die beiden war klar, es muss etwas im Sportbereich sein. Er ist der Läufertyp, sie ist fitnessmäßig sehr gut unterwegs. "Wir haben unsere sportlichen Leidenschaften zusammengeführt, die Kombination aus beidem - Laufen und Fitness - macht es aus", ist Thomas Kießling überzeugt.
Er half in seiner Freizeit drei Jahre lang bei einer Freundin in deren Laufgeschäft aus. Geplant war, das Geschäft zu übernehmen, es kam jedoch anders. Kießling stand da schon in engem Austausch mit dem Verband Sport 2000. "Wir stellten schließlich fest, dass in diesem speziellen Segment kein Geschäft mehr in Aschaffenburg existiert. Daher musste der Standort in der Innenstadt von Aschaffenburg sein. Der Laden in der Frohsinnstraße war dann wie ein 6er im Lotto", erzählen Cristina Aulbach und Thomas Kießling.
Den benötigten Businessplan ließen sie von der IHK begutachten. "Die IHK war für uns eine wichtige Stelle. Deren Neutralität hat uns ein gutes und sicheres Gefühl in der Phase der Entscheidungsfindung gegeben. Das hat uns sehr geholfen", sagt Thomas Kießling.
Der Arbeitstag beginnt für Aulbach und Kießling kurz vor 10 Uhr und geht normalerweise bis 18 Uhr, wenn Events stattfinden, kann es auch mal 22 Uhr und später werden.
Vor Ladenöffnung macht jeder für sich ein wenig Sport, abends wird zuhause gekocht, man sitzt zusammen und unterhält sich. Die Zeit vor und nach der Arbeit gehört Familie und Freunden und ihnen selbst, dann wird Geschäftliches ausgeklammert.
Die beiden sind nicht nur privat ein eingespieltes Team, auch beruflich. Sie teilen sich die Arbeit auf, er ist überwiegend im Laden auf der Fläche, sie ist mehr im Büro. "Obwohl ich auch lieber auf der Fläche bin, aber die Buchhaltung und das Schriftliche halten sehr auf und es muss ja auch jemand machen", lacht Aulbach.
Schnelle Beratung bekommt man im Absolute Run nicht. Mindestens 30 Minuten Zeit sollte der potenzielle Kunde mitbringen. Denn man kümmert sich nicht nur um die Füße, im Absolute Run wird auch auf den Menschen geachtet. "Wir nehmen uns Zeit, hören zu", berichtet Cristina Aulbach. "Zu jeder Geschichte, die der Kunde erzählt, passt auch ein Schuh. Wir merken schon an der Körperhaltung und dem Gesichtsausdruck, wenn der Kunde 'seinen Schuh' gefunden hat".
Cristina Aulbach erzählt von Erlebnissen mit Kunden, die sie beide sehr glücklich machen. So sei in den letzten Tagen ein Kunde extra nochmal kurz in den Laden gekommen, nur, um sich zu bedanken. Seine Knieschmerzen seien weg, habe er überglücklich berichtet. "Wir geben viel, bekommen aber auch viel zurück", sagt sie. "Draußen vor dem Laden ist genug Hektik und Stress, drinnen ist es wie in einer Blase, in der man entspannen kann und beachtet wird".
Das Fachgeschäft wendet sich an keine bestimmte Zielgruppe. Es spricht Menschen jeden Alters an, mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen, was Schuhe angeht. Es werden neben Sportschuhen, die allesamt alltagstauglich sind, Wanderschuhe, Sportkleidung und Schuheinlagen angeboten. Zu den Kunden zählen auch Krankenpfleger oder Mitarbeiter in der Gastronomie, die den ganzen Tag auf den Füßen sind und oftmals bereits schmerzhafte, gesundheitliche Probleme haben. Im Absolute Run wird eine 3D-Vermessung gemacht, diese zeichnet das Fußgewölbe, Breite und Länge des Fußes, sogar die Ballen und Fersen auf. Eine Fehlstellung des Fußes erkennen die beiden Inhaber oft schon am Stand des Kunden. Auch individuell angepasste Einlagen sind erhältlich. Die Rohlinge werden in einem Gerät vor Ort innerhalb von drei Minuten erhitzt. Der Kunde stellt sich barfuß auf die nach der Erhitzung weichen Einlagen und formt so seine ganz individuellen Einlagen für seine Füße. "Diese Einlagen sind dünner als die orthopädischen und können problemlos in jeden Schuh eingelegt werden. Sie ersetzen jedoch keine Einlagen, die man vom Orthopäden verschrieben bekommt", betont Aulbach.
Kießling und Aulbach sagen übereinstimmend von sich, dass sie keine Verkäufertypen sind, die anderen etwas aufschwatzen wollen. Sie beraten ehrlich und authentisch, aber nie aufdringlich. Und, sie verkaufen keine Schuhe "auf Verdacht". Wenn es ein unklares gesundheitliches Problem gibt, schicken sie den Kunden zur Abklärung erstmal zum Arzt oder Physiotherapeuten. "Hier mischen wir uns nicht ein und verkaufen einfach irgendwas", sagt Thomas Kießling.
Begeistert berichten sie von ihrer wachsenden Läufer-Community. Jeden Mittwoch organisieren sie einen Community-Lauf, Alter und Lauferfahrung spielen hierbei keine Rolle. Jeder, der Lust hat, kann sich nach Ladenschluss dem Lauf anschließen. Die Strecke variiert, es sind in der Regel zwischen acht und zehn Kilometer. Nach dem Lauf können die Teilnehmer im Laden noch etwas trinken und sich austauschen. Die Lauf-Community von Absolute Run waren unter anderem auch beim Wintercrosslauf in Goldbach am Start. Wer insgesamt fünfmal an einem Lauf für Absolute Run dabei war, bekommt ein hochwertiges Sportshirt mit Werbeaufdruck geschenkt. "Die Shirts sind eine lohnende Investition für uns, Absolute Run wird sichtbarer und es macht uns glücklich zu sehen, dass immer mehr Leute mit unserem Shirt laufen", so Kießling.

Einmal im Monat gibt es im Geschäft eine Test- & Try-Aktion, bei der verschiedene Schuhmodelle in unterschiedlichen Größen, die von einem Hersteller zur Verfügung gestellt werden, kostenlos getestet werden können. Außerdem organisieren Aulbach und Kießling einmal im Monat einen Vortragsabend. Es werden verschiedene Themen angesprochen, die Läufer sollen mental, psychisch und physisch auf die anstehenden Wettbewerbe vorbereitet werden.
Cristina Aulbach und Thomas Kießling nehmen regelmäßig an Schulungen teil, die von den Herstellerfirmen und dem Verband Sport 2000 angeboten werden.
Die beiden haben den Schritt in die Selbstständigkeit nicht bereut. Sie seien viel entspannter und ausgeglichener. "Ich habe mehr als 100 % Glücksgefühl". Als Cristina Aulbach das sagt, leuchten ihre Augen.
Bei einem Besuch des Absolute Run im Rahmen der IHK-Aktion "Heimat shoppen" habe man sich auch mit Oberbürgermeister Jürgen Herzing ausgetauscht. "Bezüglich der Situation des Einzelhandels meinte unser Oberbürgermeister, dass man das Niveau des Einzelhandels in der Stadt halten müsse", erzählt Thomas Kießling. Mit ihrem Ladengeschäft in der Frohsinnstraße tragen Cristina Aulbach und Thomas Kießling dazu bei.
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