Handel erkennt strategische Bedeutung von KI

Immer mehr Handelsunternehmen in Deutschland erkennen das strategische Potenzial von künstlicher Intelligenz (KI) und setzen die Technologie ein. Gleichzeitig bleibt die unternehmensweite Umsetzung für viele eine Herausforderung. Das zeigt die aktuelle KI-Studie 2025, die der Handelsverband Deutschland (HDE) gemeinsam mit Safaric Consulting durchgeführt hat.
Befragt wurden dabei 175 kleine, mittlere und große Handelsunternehmen zu ihrem KI-Reifegrad, zu den Einsatzfeldern sowie zu den Hürden bei der Umsetzung. Die aktuelle KI-Studie 2025 setzt die Erhebungen aus den Jahren 2020, 2021 und 2023 fort und baut auf den Ergebnissen der Vorjahre auf.
„Die Ergebnisse zeigen klar: Der Handel will KI - aber er braucht verlässliche Strukturen, um die Anwendungen in der breiten Masse voranzubringen. Für den Mittelstand ist entscheidend, dass sinnvolle Anwendungsbeispiele zur Verfügung stehen und unnötige regulatorische Hürden vermieden werden. Nur so kann die Innovationskraft der Branche voll ausgeschöpft werden“, so der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. In der Studie wurde der KI-Reifegrad im Handel erstmals systematisch gemessen. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bewegt sich aktuell auf den Stufen zwei bis drei des neuen KI-Reifegradmodells - das entspricht einem niedrigen bis mittleren Entwicklungsstand. Die Mehrheit setzt die Technologie bislang als isolierte Lösung in einzelnen Anwendungsfeldern ein. Unternehmensweite, strategisch verankerte KI-Projekte sind noch die Ausnahme.
Zwischen kleinen und großen Handelsunternehmen klafft dabei eine immer größer werdende Lücke bei Einsatz und Planung von KI. 90 Prozent der Unternehmen mit einem Nettoumsatz zwischen 50 Millionen und einer Milliarde Euro haben KI-Projekte bereits umgesetzt oder sind aktuell in der Planung. Die gleiche Aussage treffen 86,4 Prozent der Unternehmen mit über einer Milliarde Euro Nettoumsatz. Deutlich abgeschlagen sind kleine Unternehmen mit einem Umsatz von unter 50 Millionen Euro: Hier liegt der Anteil bei nur 46,9 Prozent. Rund 21,6 Prozent aller befragten Unternehmen haben KI bereits im Rahmen von Pilotprojekten eingesetzt. Das entspricht einem Anstieg von 46 Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung aus dem Jahr 2023. Zudem setzen 16,2 Prozent KI auf breiter Basis ein, 9,6 Prozent haben die Einführung bereits abgeschlossen. Beide Werte haben sich damit jeweils im Vergleich zu 2023 verdreifacht.
Für die Studie von HDE und Safaric Consulting wurden im Zeitraum von November 2024 bis Februar 2025 über 175 Handelsunternehmen aus verschiedenen Handelsbranchen befragt.
Die Studie steht unter www.einzelhandel.de/ki-studie zum Download bereit.

Der HDE im Interview mit Dr. Alexander Safaric, Geschäftsführender Gesellschafter / CEO Safaric Consulting

Tools wie ChatGPT kommen zunehmend im Alltag an. Wie beurteilen Sie grundsätzlich den Einsatz von Generativer KI in der Kundenansprache, vor dem Hintergrund einer steigenden Kundenerwartung an Personalisierung?
Kunden recherchieren heute mehr und gezielter, wobei sie eine maßgeschneiderte Ansprache und relevante Inhalte erwarten. Der Trend geht klar in Richtung hyperpersonalisiertem Marketing, das lokalisiert, personalisiert, agil und digital umgesetzt wird. Die Stärke von generativer KI in der Kundenansprache liegt vor allem in der Erzeugung neuer Inhalte, also Texte, Bilder oder Konzepte, die spezifisch auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten sind. Generative KI kann zum Beispiel personalisierte Werbebotschaften und Produktbeschreibungen in Echtzeit liefern. Dennoch haben auch klassische Machine-Learning-Algorithmen ihre Berechtigung im Kontext Personalisierung, zum Beispiel wenn im Rahmen eines Loyalitätsprogramms personalisierte Anreize und Belohnungen ausgespielt oder im Aktionsmanagement kundenindividuelle Impulse gesetzt werden sollen.
Als eine große Herausforderung bei der Einführung von KI werden die hohen Kosten genannt. Welche Chancen sehen Sie für die Durchführung von KI-Projekten vor dem Hintergrund der aktuellen Investitionszurückhaltung?
In Zeiten von Investitionszurückhaltung haben Transformationsvorhaben generell einen schweren Stand. Auch wenn es um die Durchführung von KI-Projekten geht, agieren Unternehmen aktuell vorsichtiger. KI-Projekte können aber - auch bei gegebenenfalls hohen Anfangsinvestitionen - perspektivisch zu deutlichen Einsparungen führen. Beispiele sind die Automatisierung von kreativen Prozessen, die Erstellung intelligenter Prognosen oder die Steigerung der Lieferkettentransparenz, die Unternehmen flexibler und widerstandsfähiger machen. Gerade große Unternehmen, die über die notwendigen Budgets verfügen und den Return-on-Investment besser abschätzen können, sollten ihre KI-Investitionen gezielt priorisieren.
Die Ressourcenverfügbarkeit zur Umsetzung von KI-Projekten stellt insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine Hürde dar. Was identifizieren Sie als größte Stellhebel zur Überwindung dieses Hindernisses?
Die Verfügbarkeit von monetären und personellen Ressourcen ist eine zentrale Herausforderung für KMU, die KI einsetzen wollen. Entsprechend müssen sie Lösungen finden, um von KI zu profitieren. Ein wesentlicher Stellhebel ist die Stärkung von Partnerschaften und Kooperationen, wobei Branchenverbände eine erste Anlaufstelle sein können. Auch bestimmte Handelskonzerne bieten Partnerschaften bei der Implementierung von KI-Lösungen an. Durch die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Universitäten können innovative Technologien und Best Practices über wissenschaftliche Kooperationen erschlossen werden. Daneben sollten KMU gezielt den Austausch von Wissen und Erfahrungen in Netzwerken suchen, um schnell aus Erfolgen und Fehlern anderer zu lernen. Durch die daraus resultierenden Synergieeffekte müssen KMU nicht alle Kompetenzen intern aufbauen, sondern erhalten Zugang zu Wissen und Technologien bei gleichzeitig reduzierten Kosten.
Welchen Rat würden Sie Handelsunternehmen zum Einsatz von KI noch mit auf den Weg geben?
Die Bedeutung von KI im Handel wächst stetig. Handelsunternehmen sollten ihre Mitarbeitenden kontinuierlich im Umgang mit KI-Technologien schulen und eine Kultur der Innovation fördern. Wie auch die Ergebnisse der Studie zeigen, werden der Aufbau fachlicher und technischer Kompetenzen eine wichtige Rolle für den erfolgreichen KI-Einsatz spielen. In der Vergangenheit hat man sinnvolle Anwendungsfälle für die KI gesucht, diese liegen inzwischen umfangreich vor. Jetzt geht es darum, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, was die Unterstützung durch das Top-Management unverzichtbar macht. Externe Experten und Softwareanbieter können wertvolle Unterstützung leisten, indem sie maßgeschneiderte Lösungen entwickeln und implementieren. Dabei ist es weiterhin sinnvoll, die Anwendungsfälle zunächst isoliert zu betrachten und jeweils Speziallösungen einzuführen. KI ist nicht wie eine SAP-Einführung, bei der eine umfassende Software-Lösung für alle Unternehmensbereiche angepasst wird. Mein Rat an Handelsunternehmen lautet, sich aktiv mit den Potenzialen von KI auseinanderzusetzen.
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