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"Städte ohne Subkulturen verlieren ihre Seele"
Markus Christl
Markus Christl
Interview mit Markus Christl, Vorstand Musik-, Kunst- und Kulturinitiative Aschaffenburg e.V. und Mitglied im Kulturrat Aschaffenburg
Sie haben als Unternehmer die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, junge Fachkräfte in der Region zu halten. Was fehlt?
Wir hatten in unserer damaligen E-Commerce-Unternehmung Publikat/Stylefile beispielsweise Spezialisten für den Bereich Marketing aus Berlin oder Hamburg nach Aschaffenburg gelockt – diese dann aber oft nicht längerfristig in der Region halten können. Das firmeninterne Umfeld hat zwar gepasst, jedoch konnte unsere Stadt auf kultureller Ebene nicht ausreichend punkten. Das war teilweise echt frustrierend und ein klarer Standortnachteil.
Inwiefern können denn kulturelle Angebote junge Talente für die Region begeistern und somit die Wirtschaft stärken?
Städte mit einer lebendigen Kulturszene werden oft als dynamisch, innovativ und lebenswert wahrgenommen. Dies stärkt das Image der Region nach außen und kann sie zu einem attraktiven Standort für Unternehmen und Investoren machen. Ein vielfältiges kulturelles Leben trägt zur Lebensqualität bei, indem es Freizeitmöglichkeiten, Bildung, Inspiration und soziale Interaktion bietet. Es schafft Räume, in denen Menschen zusammenkommen und ihre Gemeinschaft erleben können.
Welche Angebote ziehen jüngere Fachkräfte besonders an?
Regionen mit einem reichen kulturellen Angebot und aber vor allem auch subkultureller Vielfalt sind besonders attraktiv für junge Talente. Diese suchen oft nach einem Lebensumfeld, das mehr als nur berufliche Möglichkeiten bietet, sondern auch kulturelle Erlebnisse und kreativen Input. Eine lebendige Kulturszene kann junge Menschen dazu motivieren, in ihrer Heimatstadt zu bleiben, anstatt in größere Städte abzuwandern. Dadurch bleiben qualifizierte Arbeitskräfte in der Region, was für die lokale Wirtschaft von großer Bedeutung ist.
Wieso ist ein subkulturelles Angebot besonders wichtig, um junge Fachkräfte an einen Standort zu binden?
Orte für Subkultur und Austausch sind besonders wichtig, da sie über das klassische Kulturangebot hinaus eine dynamische und kreative Szene schaffen. Sie bieten Identifikationsmöglichkeiten, fördern Innovation und ermöglichen jungen Talenten, sich auszuleben und zu vernetzen. Gerade für kreative und gut ausgebildete Fachkräfte sind lebendige, alternative Kulturangebote oft ein entscheidender Faktor bei der Wahl ihres Lebensmittelpunkts.
Nennen Sie bitte ein paar Beispiele für subkulturelle Angebote, die nicht nur ein Nischenpublikum anziehen.
Da gibt es viele, aber um einige Beispiele zu nennen: Clubs oder Bars mit Musik aus den Bereichen Techno, Punk oder Indie. Konzerte von Underground Bands. Freiflächen für Graffiti und urbane Kunstprojekte. Offene Bühnen, Poetry Slams und experimentelles Theater. Oder ganz einfach auch alternative Treffpunkte ohne Konsumzwang. Solche Angebote heben sich vom Mainstream ab und bieten Raum für kreative Selbstverwirklichung und alternative Lebensstile. In Aschaffenburg sind solche Angebote leider rar gesät.
Sie sind seit 1989 in der Graffitiszene aktiv. Was kann Urban Art für die Attraktivität einer Stadt leisten?
Urbane Kunst belebt das Stadtbild
Ein Blick in die spannenden Szeneviertel der Metropolen zeigt, dass Urbane Kunst dort überproportional vorhanden ist. Sie belebt das Stadtbild, stiftet Identität und setzt kreative Impulse. Urbane Kunst macht öffentliche Räume interessanter, fördert den Dialog zwischen Kunst und Gesellschaft und kann sogar touristische Anziehungspunkte schaffen. Nachdem zu den Kulturtagen 2024 HERA eines ihrer unglaublichen Werke bei uns hinterlassen hat, war dieses für Wochen Stadtgespräch und wir konnten nun genau diese Effekte aus der ersten Reihe beobachten. Ein vorher eher schmuckloser Hinterhof wurde durch ihr Mural unglaublich positiv aufgeladen. Das überwältigende Feedback quer durch alle Bevölkerungsschichten hat uns wahnsinnig gefreut.
Was sind die Ziele der Musik-, Kunst- und Kulturinitiative Aschaffenburg e.V.?
Das Ziel unseres gemeinnützigen Vereins ist die Förderung subkultureller Vielfalt in Aschaffenburg. Wir wollen alternative Angebote schaffen und dabei kreative Menschen zusammenbringen. Orte und Situationen, in denen sich Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten treffen können. Das ist in unseren Augen ein wichtiger Beitrag, um unsere Stadt attraktiv zu halten. Denn: Städte ohne Subkulturen verlieren ihre Seele. Die Vielfalt der Menschen und ihre unterschiedlichen Lebensstile sind es, die eine Stadt lebendig machen! Wer mehr über unsere Mission und Aktivitäten erfahren möchte, kann sich auf unserer Seite www.kuttercrew.de einen tieferen Einblick verschaffen.
Welche Aktionen und Veranstaltungen sind für dieses Jahr geplant?
Neben einigen kleineren Formaten lassen wir es mit unserem Umsonst & Draußen UNTEN AM FLUSS am 17.05. wieder richtig krachen. Auf der Mainwiese zwischen Berufsschule und Poseidon feiern wir einen Tag lang – mittlerweile im 15. Jahr – bei elektronischer Musik mit DJs aus der Region ein inzwischen wirklich begeistert angenommenes Fest. Im letzten Jahr hatten wir dabei über den Tag verteilt knapp 4.000 Besucher, darunter auch viele Familien. Ein weiteres Highlight wird unser Beitrag zu den Aschaffenburger Kulturtagen sein. Anfang Juli haben wir für ein weiteres Mal den international renommierten Künstler Hendrik Beikirch gewinnen können. Weiterhin werden wir im Lauf des Jahres – nach über 5 Jahren ohne – auch endlich wieder Räumlichkeiten haben, in denen wir uns entfalten können. Ein Ort für Ausstellungen, Lesungen oder einfach nur gemütliche Treffen mit alternativer Musik.
Kontakt
Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg
Kerschensteinerstraße 9
63741 Aschaffenburg
Tel.: 06021 880-0 Fax: 06021 880-22000
E-Mail: info@aschaffenburg.ihk.de
Montag bis Donnerstag 07:30 bis 17:00 Uhr
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