Johann („Hans“) Birkart von Alexander Köhl, Biograf, Mainaschaff

Speditionsunternehmer mit Intuition und Weitblick

Sein Name war in der Speditionsbranche auf der ganzen Welt bekannt. Johann Birkart formte in sechs Jahrzehnten aus dem von seinem Großvater Gabriel gegründeten örtlichen Fuhrgeschäft ein international operierendes Logistikunternehmen. Mit Intuition und Weitblick erkannte er frühzeitig die Bedarfsfelder seiner Kunden. Eine Fähigkeit, die ihm ermöglichte, vor seinen Mitbewerbern neue Märkte zu erschließen. 
Birkart, Jahrgang 1914, absolvierte an der Oberrealschule Aschaffenburg die Mittlere Reife. Im Anschluss daran sammelte er erste berufliche Erfahrungen bei verschiedenen deutschen Speditionsfirmen. Schon damals faszinierte ihn die Perspektive, Güter in Bewegung zu setzen und Distanzen schrumpfen zu lassen. 
An Silvester 1933 starb Birkarts Vater, der bis dahin die Geschicke des Aschaffenburger Transportunternehmens leitete. Die Lücke, die der Verstorbene in der Firma hinterließ, zwang Birkart bereits in jungen Jahren, Verantwortung zu übernehmen. Neunzehnjährig trat er in das Familienunternehmen ein, in dem er erst unter Leitung seiner Mutter Führungsaufgaben und 1939 schließlich die Geschäftsleitung übernahm. 
1937 eröffnete Birkart in Würzburg durch den Erwerb der Spedition Kordovich & Sohn seine erste Zweigstelle. Ein kluger Schachzug, wie sich im Nachhinein herausstellte. In Würzburg hatte die Regierung von Unterfranken ihren Sitz, was dem Transportunternehmen Umzugsaufträge zahlreicher Staatsbeamter einbrachte. 
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte weitere Expansionspläne vorerst zunichte. Birkart, mittlerweile verheiratet, wurde zum Kriegsdienst eingezogen. Fortan musste für sechs Jahre kommissarisch seine Ehefrau Erna die Geschäftsführung übernehmen. 
Nach Kriegsende besaß der Aufbau des fast vollständig zerstörten Stammhauses in Aschaffenburg oberste Priorität. Dies zu bewältigen erwies sich als Herkulesaufgabe. In der Folgezeit eröffnete Birkart weitere Filialen in der neu gegründeten Republik. Dabei spezialisierten sich die Niederlassungen in Landstuhl und Wiesbaden auf Umzüge von Familien der US-Army. Eine profitable Diversifikation des bestehenden Dienstleistungsangebots, die erneut verdeutlicht, wie glänzend Birkart es vermochte, Marktchancen zu erkennen und zu nutzen. 
Während der Nachkriegsjahre wickelte Birkarts Unternehmen traditionell die Bahnamtliche Rollfuhr ab. Parallel dazu generierte es seinen Umsatz hauptsächlich mit Möbeltransporten. Das änderte sich allerdings in dem Maße, in dem sich Aschaffenburg und Umgebung immer stärker zur Hochburg der deutschen Textilindustrie entwickelte. In den 1950er Jahren gab es einen stetig wachsenden Bedarf an Bekleidungsstoffen, die aus Italien an den Untermain transportiert werden mussten. Aber auch die daraus gefertigte Ware musste in die gesamte Republik ausgeliefert werden. Birkart zeigte Investitionsbereitschaft. Bis 1964 erweiterte er sein Filialnetz im Bundesgebiet auf 23 Niederlassungen. 
In jenem für Birkart richtungsweisenden Jahrzehnt der „Wirtschaftswunder-Zeit“ übernahm seine Firma in immer stärker werdendem Umfang Transportaufträge für das Bekleidungsunternehmen C&A. „Das Geschäft mit C&A wirkte wie ein Katalysator für die weltweite Expansion der Spedition“, resümiert Arwed Fischer, ehemaliger Generalbevollmächtigter der Johann Birkart Internationale Spedition GmbH & Co. KG. Birkart habe später auch genau in jenen Ländern Niederlassungen eröffnet, in denen C&A produzieren ließ. 
1964 gründete Birkart mit dem befreundeten Spediteur Thomas Dachser in Aschaffenburg die Deutsche Kleiderspedition (DKS). Dem zugrunde lag die revolutionäre Vision, Kleidung in Zukunft hängend zu transportieren, anstatt wie bisher liegend in Pappkartons. So sollte die Ware knitterfrei bei Kunden ankommen. Positiver Nebeneffekt: durch die Einsparung von Verpackungsmaterial wurden Transportkosten reduziert. Geboren wurde die innovative Geschäftsidee bei einem privaten Treffen der beiden Spediteure, bei dem auch die Ehefrauen anwesend waren. Im Gegensatz zu anderen Textilspeditionen setzte die DKS auf den Aufbau eines Abhol- und Verteilernetzes mit verbindlichen Fahrplänen und festem Streckennetz. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Konzept der Hanging Garments zu einem immer größeren Erfolg. Was Mitte der 1960er Jahre mit 2,3 Millionen beförderten Kleidungstücken begann, steigerte sich innerhalb von nicht einmal zwanzig Jahren auf über 75 Millionen transportierte Teile. 
Den sprichwörtlich richtigen Riecher für den Ausbau und die Spezialisierung seines logistischen Dienstleistungsangebots bewies Birkat auch bei anderen Unternehmensbeteiligungen. Die Gründung des Deutschen Paket Dienstes (DPD) mit 14 weiteren deutschen Speditionsfirmen war der nächste Meilenstein in seiner beruflichen Karriere. Zudem engagierte er sich später anteilig bei der System-Gut Logistik Service GmbH, der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft für das Transportwesen mbH (FORTRAS) und der Sentrans Logistik GmbH. 
Die Erschließung jener neuen Geschäftsfelder bedeutete aber nicht nur für Birkarts Unternehmensgruppe ökonomische Vorteile. Die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze stärkte auch die Wirtschaftskraft am Bayerischen Untermain und an den anderen Niederlassungsorten im gesamten Bundesgebiet. 
Den bedeutendsten Schritt in puncto Expansion machte Birkart allerdings mit der internationalen Ausrichtung seiner logistischen Aktivitäten. Im Laufe seines langen Berufslebens eröffnete er mehrere Dutzend Auslandsfilialen. Den Anfang machte 1957 die Geschäftsstelle in Österreich. Niederlassungen in anderen Ländern Europas und im Nahen Osten folgten. Ende der 1960er Jahre begann Birkart mit der Entwicklung des Geschäftsbereichs Sea & Air Cargo. Er gründete Luftfrachtabteilungen in Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und München. 1971 erhielt sein Unternehmen eine Lizenz der IATA (International Air Transportation Association), woraufhin Birkart konsequent den Aufbau eines weltweiten Überseenetzes in Angriff nahm. Bereits 1972 nahm in Honkong die erste Dependance in Asien ihre Arbeit auf. Filialen in Brasilien und Südafrika folgten. In Australien fasste Birkart erst 1989 Fuß. 
Mit der globalen Expansion auf alle fünf Kontinente, formte Birkart das Transportunternehmen, das sein Großvater einst gegründet hatte, zu einer Unternehmensgruppe, die in der Logistikbranche Deutschlands ihresgleichen suchte. Anfang der 1990er Jahre beschäftigte Birkart 2.300 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 1 Milliarde DM erwirtschafteten. Weltweit betrug der Gruppenumsatz sogar rund 1,8 Milliarden DM bei 3.800 Beschäftigten. 
Trotz der gewissenhaften Wahrnehmung seiner unternehmerischen Pflichten fand Birkart ausreichend Zeit, sich ehrenamtlich in der Industrie und Handelskammer (IHK) Aschaffenburg zu engagieren. 1948 wurde er in den Beirat der neu gegründeten Kammer gewählt, dem er bis 1958 angehörte. Anschließend war er 27 Jahre lang ordentliches Mitglied des Nachfolgegremiums Vollversammlung. Über Jahrzehnte stand er mehreren Fachausschüssen mit Wissen und Rat zur Verfügung. 1987 ernannte ihn die Vollversammlung der Kammer zum Ehrenmitglied. 
Aufgrund seiner außergewöhnlichen unternehmerischen Leistungen und wegen seines beachtlichen ehrenamtlichen Engagements wurde Birkart sowohl mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, als auch mit dem 1. Klasse geehrt. 
Doch den Ausnahmespediteur Birkart nur auf dessen geschäftlichen Erfolge, Engagements und Würdigungen zu reduzieren, würde seiner Person nicht gerecht. Freunde, Mitarbeiter, Geschäftspartner und Familie schätzten ihn für seine menschliche und bodenständige Art. Eitelkeiten aufgrund seines gesellschaftlichen Ansehens waren ihm fremd. Birkart unternahm auch keine aufwendigen Reisen in exotische Länder. Am liebsten fuhr er an den Tegernsee, den er als sein persönliches Refugium betrachtete. 
Birkart war ein Mann, der für sein Unternehmen lebte. In Ruhestand zu gehen und Geschäftliches hinter sich zu lassen, war nicht seine Sache. Selbst als er die Leitung seiner Firmen abgab, ging er noch bis kurz vor sein Lebensende beinahe täglich ins Büro. 
In seiner Freizeit begab sich Birkart auch in Gesellschaft. Er war gern gesehener Gast am Stammtisch des Gasthofs „Zum Heißen Stein“, an dem sich die Aschaffenburger Unternehmer der Textilbranche regemäßig trafen. Besonders wohl fühlte er sich aber im Kreise seiner Mitarbeiter, die für ihn wie eine zweite Familie waren. „Ein Highlight war für ihn jedes Mal, wenn im Sommer seine Expats nach Aschaffenburg kamen“, erinnert sich Fischer mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie und seine hiesige Führungsmannschaft – die er alle nahezu väterlich-liebevoll seine „Buben“ nannte – im Restaurant der Fasanerie Aschaffenburg zu bewirten, sei Birkart eine große Freude gewesen. 
Johann Birkart verstarb nach kurzer schwerer Krankheit am 26. September 1993 im Alter von 79 Jahren. Er hinterließ seine Ehefrau und zwei erwachsene Kinder. 
Johann Birkart Internationale Spedition GmbH & Co.KG 
Global agierendes Logistikunternehmen 
  • Gründung 1877 in Aschaffenburg durch Gabriel Birkart als Ein-Mann/Ein-Pferd-Firma 
  • 1911 Bestellung zum offiziellen „Bahnamtlichen Spediteur“ 
  • 1939 Johann Birkart übernimmt die Geschäftsführung 
  • 50er Jahre Einstieg in das Geschäftsfeld Textiltransporte 
  • 1964 Mitgründung der Deutsche Kleiderspedition (DKS) 
  • 90er Jahre Expansion zu einer der größten inhabergeführten Speditionen Deutschlands 
  • 1997 Umfirmierung in Birkart Globistics GmbH & Co. Logistik und Service KG 
  • 2002 Verkauf an Thiel Logistik AG 
  • 2006 erwirtschaften 1.700 Mitarbeiter weltweit einen Umsatz von über 380 Millionen Euro 
  • 2008 Umbenennung in Logwin AG