Papierindustrie / von Anja Lippert, Museen der Stadt Aschaffenburg

Aschaffenburg war „Weltstadt des Buntpapiers“

Die Papierindustrie in Aschaffenburg ist die älteste Säule der lokalen Wirtschaft und erlangte durch ihre Exporte bis nach Russland und Amerika internationale Bekanntheit. Zahlreiche Buntpapierfabriken machten Aschaffenburg zur „Weltstadt des Buntpapiers“. Unter Buntpapier versteht man veredelte Papiere in den Varianten gefärbt, gekämmt, getunkt, bedruckt oder geprägt. Man nutzte sie in der Buchherstellung für Einbände und Vorsatzblätter, zum Beziehen von Schachteln und Futteralen oder zum Auskleiden von Schränken und Koffern.
Den Grundstein der Buntpapierherstellung legte 1810 der Buchbinder Johann Daniel Knode. Nach finanziellen Schwierigkeiten übernahm der Bankier Alois Dessauer noch im selben Jahr den Betrieb, gründete eine eigene Firma und baute die Produktion aus. Die Buntpapierfabrik Aschaffenburg, im Volksmund kurz „Bunt“ genannt, wurde zu einem der größten Unternehmen vor Ort. 1908 beschäftigte sie 750 Arbeiter. Der Erfolg zog weitere Firmengründungen nach sich: 1850 baute sein Sohn Franz Dessauer eine eigene Fabrik auf, die ab 1859 als „Aktiengesellschaft für Buntpapier- und Leimfabrikation“ sehr erfolgreich war. 1862 kam das Unternehmen „Albert Nees & Co“ hinzu, 1885 folgte die Firma „Gerlich & Kittel“ (ab 1890 als „Franz Dahlem & Co). Nees und Dahlem trugen ihren Teil zum Erfolg der Aschaffenburger Buntpapierfabrikation bei, der bis in die 1950er Jahre anhielt, bevor Konkurrenz druck und neue Techniken den Niedergang einläuteten. Das führte in den 1960er Jahren zum Zusammenschluss aller Buntpapierfabriken unter dem Dach der „München-Dachauer-Papierveredelungs GmbH“ (MDV), die bereits 1968 alle Standorte in Aschaffenburg schloss. In Karlstein arbeitet die MDV Papier und Kunststoffveredelung noch heute mit 60 Beschäftigten.

Vom Buntpapier zum Transferdruck

1969 wurde in Kleinostheim eine neue Produktionsstätte gebaut und eine Flexodruckmaschine ermöglichte nun auch die Herstellung von Transferdruckpapier, was 1972 zu dem Firmennamen „Transfertex“ führte. Der Betrieb besteht bis heute fort und beschäftigt 140 Mitarbeiter. Transferdruck, auch Thermodruck genannt, ist eine Technologie zur Bedruckung von Textilien aus synthetischen Fasern: Das Muster wird mit Spezialfarbe auf Papier gedruckt und dann unter Hitze auf den Stoff übertragen.

Bunte Abziehbilder

Seit 1898 betrieb die „Aktiengesellschaft für Buntpapier- und Leimfabrikation“ auf dem großen Firmengelände an der Goldbacher Straße (heute City-Galerie) auch eine Abteilung für keramische Buntdrucke. Unter dem neuen Eigentümer passte „die Keramik“ in den 1960er Jahren nicht mehr in das Firmenprofil. Dr. Wilhelm Engelhard übernahm den Bereich und gründete die Firma „Buntdruck Aschaffenburg“, die bis 2008 bestand. Auf ein Trägerpapier gedruckte Motive wurden auf Keramik, Glas, Metall, Holz oder andere Materialien übertragen. Die Bezeichnung Abziehbild geht auf die Verarbeitung zurück: Die frühen Abziehbilder brachte man mit der Farbseite nach unten auf den mit Klebelack vorbereiteten Gegenstand auf, befeuchtete die Rückseite des Papiers mit Wasser und zog es vom eigentlichen Schmuckbild ab.

Weißes Papier

1874 begann in Aschaffenburg die Herstellung von weißem Papier, weil ständig Mangel herrschte. Die Initiative ging von Philipp Dessauer aus, einem Enkel von Alois Dessauer. Umgangssprachlich hieß die „Actiengesellschaft für Maschinenpapierfabrikation Aschaffenburg“ einfach „die Weiß“. Da die Nachfrage nach Papier ständig stieg, entstand 1898/99 in Stockstadt eine weitere Papierfabrik als Ableger. Ähnlich wie die Buntpapierfabriken gerieten auch diese Unternehmen in den 1960er Jahren in Schwierigkeiten. Die Lösung bestand in dem Zusammenschluss mit dem Konkurrenten, der Zellstofffabrik Waldhof AG in Mannheim. In den 1990er Jahren wurden die „Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg AG“ (PWA) von dem größten europäischen Papierhersteller, dem schwedischen Konzern „Svenska Cellulosa Aktiebolaget“ (SCA) übernommen. Das Werk in Stockstadt ist heute Teil des südafrikanischen Sappi-Konzerns und beschäftigt 600 Mitarbeiter.