Mobiler Audioguide

Auf den Spuren der Industriegeschichte Aschaffenburgs

Warum die Fabrikstraße Fabrikstraße heißt, kann man sich denken. Doch was hat die Fabrik produziert, auf dessen Gelände seit den 1970er Jahren die City Galerie steht? Und wie sah das aus, so ein riesiges, industriell genutztes Areal inmitten der Stadt, nah am idyllischen Schöntal?
Der von August an verfügbare mobile Audioguide des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg lädt dazu ein, sich auf eine circa einstündige Spurensuche zur Industriegeschichte in der Aschaffenburger Innenstadt zu begeben. Obwohl der Radius des Rundgangs und damit die Anzahl der vorgestellten Betriebe begrenzt ist, da ein barrierefreies und bequemes Erkunden zu Fuß möglich sein soll, zeigt sich die im Zuge der Industrialisierung ausgebildete Vielfältigkeit der Industriezweige.
Die in Aschaffenburg produzierten Güter fanden einen Großteil ihrer Abnehmer in ganz Deutschland, teilweise sogar weltweit. Die Anbindung an das Bahnliniennetz in den 1860er Jahren vereinfachte und beschleunigte den Transport der fertigen Waren als auch die Anlieferung der Rohstoffe. Das neue Verkehrsmittel hatte also enormen Einfluss für die Bedeutung und Etablierung des Industriestandorts Aschaffenburg. Diesen Zusammenhang erklärt der Audioguide beispielsweise anhand der Herdfabrik Kolosseus, die sogar ein eigenes Industriegleis zur möglichst schnellen Verladung der Güter anlegen ließ – dort, wo sich heutzutage das Kinopolis befindet. Wo heute also Filme gezeigt werden, wurden vor nicht allzu langer Zeit Großküchen produziert und in alle Welt transportiert. Wie stark die Verlegung der Industrie an den Stadtrand das Stadtbild verändert hat, wird den Nutzern des Audioguides durch die im Webtool hinterlegten Abbildungen ersichtlich. An acht Hörstationen erhält man Einblicke in die Industriegeschichte der Stadt. Es folgt ein kleiner Vorgeschmack auf den Beitrag des Stadt- und Stiftsarchivs für die Tage der Industriekultur Rhein-Main 2021.
Bis heute wird in Aschaffenburg Papier produziert. Doch dass hier seit Anfang des 19. Jahrhunderts kunstvolles Buntpapier hergestellt wurde, das berühmt war für seine filigranen und ornamentalen Muster, ist kaum mehr bekannt. Die Ästhetik der Buntpapiere wird dank der im Webtool implementierten Abbildungen aus Musterbüchern anschaulich. Doch im Audioguide wird nicht nur über die Anfänge der Buntpapierproduktion in Aschaffenburg und die Abnehmerbranchen des Produkts informiert; auch die Veränderungen im Herstellungsprozess werden unter Berücksichtigung technischer Innovationen erläutert. Eine zeitgenössische Lithographie vermittelt zum Beispiel einen Eindruck von den Arbeitsabläufen in der Buntpapierproduktion und lenkt den Blick zugleich auf die Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Vor diesem Hintergrund erfahren die Nutzer des digitalen Angebots auch von dem seinerzeit innovativen, solidarischen Krankenversicherungsmodell des Fabrikleiters Alois Dessauer.
Neben der Zellstoffindustrie war Aschaffenburg mehr als hundert Jahre überregional als Hochburg für die Produktion hochwertiger Mode bekannt. Johann Desch gilt als Pionier auf dem Gebiet der Konfektionsschneiderei, der insbesondere in ländlichen Gebieten vielen Familien durch Heimarbeitsaufträge ein Auskommen ermöglichte. Eine Station des Audioguides widmet sich allein dieser Berufsgruppe, ohne die der rasche Aufschwung für die Bekleidungsbranche nach dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich gewesen wäre.
Der Audioguide stellt den unternehmerischen Werdegang der Firma Desch in Aschaffenburg an zwei Standorten vor. Sowohl die erste Produktions- und Verkaufsstätte in der Sandgasse als auch der Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb genommene neue Standort am Hauptbahnhof sind Stationen des Rundgangs. Die Entwicklung des Unternehmens wird von den Anfängen, als Johann Desch nach seiner Schneiderlehre mit der Produktion in seinem Elternhaus begann, bis zum Ende der Erfolgsgeschichte im Jahr 2004 nachvollzogen. Zeitgenössische Fotografien ermöglichen auch hier einen Blick hinter die Kulissen. So werden die unterschiedlichen Produktionsschritte, etwa das Zuschneiden von Stoffen, anschaulich.
Das neue digitale Angebot des Stadt- und Stiftsarchivs kann jederzeit und kostenfrei auf dem eigenen Smartphone oder Tablet via WLAN abgerufen werde.
Autor: Jennifer Jessen (Kultur mit K)