Dr. Hugo Güldner von Alexander Köhl, Biograf, Mainaschaff

Pionier unter deutschen Motorenkonstrukteuren

Hugo Güldners Privatleben ist der Öffentlichkeit wenig bekannt. Nur wo er aufwuchs, zur Schule ging, dass er heiratete und eine Familie mit vier Kindern gründete. Dennoch – Güldner bleibt der Allgemeinheit auch noch knapp ein Jahrhundert nach seinem Tod in Erinnerung. Als ein Mann, der Herausragendes im Ingenieurwesen geleistet hat. Von der Konstruktion und Entwicklung erster Motorentypen hin bis zur Gründung der Güldner Motorengesellschaft mbH mit dem Industriellen Carl von Linde. Von Güldners innovativer Schaffenskraft profitiert ein Großteil der Menschheit bis heute.
Geboren wurde Güldner am 18. Juli 1866 in der westfälischen Kleinstadt Herdecke an der Ruhr. Bereits mit drei Jahren musste er einen schmerzhaften Schicksalsschlag verkraften. Sein Vater Gustav, Fabrikarbeiter und Bahnwärter, starb bei einem Eisenbahnunfall. Fortan wurde der junge Hugo von seiner Mutter Ida aufgezogen, die ihm in Hagen den Besuch der Königlichen Gewerbeschule ermöglichte. Dort eignete sich Güldner erste technische Kenntnisse an. Auf jenem Polytechnikum entwickelte er wohl auch seine Leidenschaft für Motoren und Fahrzeuge, die ihn ein Leben lang in seinem Wirken antrieb.
Anfang der 1890er Jahre zog Güldner nach Magdeburg, wo er sich der experimentellen Werkstattarbeit widmete. „Weniger erfinden, mehr konstruieren“ sollte zu seinem Leitmotiv werden, erinnert sich sein Enkel Walter Güldner in seinen Memoiren „Gegenwind“. Mittlerweile mit der Kaufmannstochter Adele Benecken verheiratet, begann Güldner in seiner neuen Wahlheimat Verbrennungsmotoren zu konstruieren, die er konsequent weiterentwickelte. Nebenbei übernahm er aus journalistischem Interesse die Redaktion der Zeitschrift „Der Monteur“.
Während seiner Zeit in Magdeburg meldete Güldner insgesamt zwölf Gebrauchsmuster und Patente an. Das bekannteste trug den Titel: „Zweitakt-Gasluft-Motor mit Verbrennung des Zündgemisches in besonderem Raume und Einführung der heißen Gase in den luftgefüllten Arbeits-Zylinder“.
Jene aus innovativer Sicht erfolgreichen Jahre waren dennoch von Rückschlägen geprägt. Für den dynamischen Ingenieur erwies es sich als schwierig, aus seinem technischen Know-how kaufmännisch Nutzen zu ziehen. So schloss Güldner mit zwei Firmen Lizenzverträge, doch schon bald ebbte bei seinen Geschäftspartnern das Interesse am Motorenbau ab.
Schließlich entschloss sich Güldner, die Fertigung seiner Motoren selbst anzugehen. Mit dem Berliner Kaufmann Lüdecke als Geldgeber gründete er 1897 die Lüdecke und Güldner Maschinenfabrik Magdeburg. Doch auch hier blieb der erhoffte wirtschaftliche Erfolg aus. Die Firma ging bereits nach zwei Jahren in Liquidation.
Einen entscheidenden Schritt in seiner beruflichen Laufbahn machte Güldner, indem er 1899 zur Allgemeinen Gesellschaft für Dieselmotoren AG wechselte. In Augsburg arbeitete er als Oberingenieur und Chefkonstrukteur an der Seite Rudolf Diesels an der Konstruktion des Viertaktmotors. In der Funktion war er maßgeblich an der Entwicklung des Dieselmotors beteiligt. Doch schon nach drei Jahren trennten sich die Wege der visionären Ingenieure.
Nach seinem Ausscheiden bei der Allgemeinen Gesellschaft für Dieselmotoren AG widmete sich Güldner erneut dem Schreiben. 1903 veröffentlichte er ein umfangreiches Praxishandbuch zum Motorenbau mit dem Titel: „Das Entwerfen und Berechnen von Verbrennungskraftmaschinen“. Mit dem im Springer Verlag erschienenen und in mehrere Sprachen übersetzten Werk setzte Güldner sich ein schriftstellerisches Denkmal.
Nach der publizierenden Arbeit drängte es den Ingenieur wieder zu praktischem Tun. In den Monaten nach Veröffentlichung des Buchs kehrte Güldner in die Werkstatt zurück. Er entwarf eine Generatoranlage einschließlich Viertaktmotor. Mit der Neuerung wandte er sich an die Maschinenbaugesellschaft München, wo man das Potenzial der Konstruktion erkannte und einwilligte, den Prototyp zu bauen. Nach Fertigstellung wurde der Motor von Professor Schröter von der Technischen Hochschule München geprüft und als sehr gut beurteilt.
Ermutigt von der positiven Expertise des Wissenschaftlers, stellte Güldner seine Konstruktion dem Ingenieur Carl von Linde und dem Lokfabrikanten Georg von Krauß vor. Die beiden Industriellen waren sofort überzeugt von der neuartigen Verbrennungsmaschine.
Bereits im Februar 1904 gründen die drei Männer mit weiteren Beteiligten in München die Güldner Motorengesellschaft mbH, in die der Namensgeber den Großteil seiner Patente einbrachte. Güldners Lebenstraum, seine Motoren marktreif und in großer Stückzahl produzieren zu können, begann endlich Realität zu werden.
Schon bald genügte die Produktionsstätte in München nicht mehr den Anforderungen der Motorenfabrikation. 1907 wurde deshalb auf die Initiative Lindes hin die Fertigung nach Aschaffenburg verlegt. Auf ein Gelände von 42.000 Quadratmetern Fläche am Fuß der Schweinheimer Höhe.
Neben ausreichend Produktionsfläche bot die Standortwahl für das Werk auch Vorteile infrastruktureller Art: Mit dem Südbahnhof hatte man nun quasi die Anbindung an den Güterbahnverkehr direkt vor der Haustür, und die Nähe zum Main machte es möglich, den Fluss als günstigen Transportweg zu nutzen.
Doch von der Entscheidung, das Werk nach Aschaffenburg zu verlegen, profitierten nicht nur die Motorenfabrikanten. Die Wirtschaft am Bayerischen Untermain war ebenso großer Gewinner. Insbesondere für den regionalen Arbeitsmarkt erwies sich der Zuzug als Glücksfall, denn bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs standen bei Güldner 260 Arbeiter sowie 40 Meister und Angestellte in Lohn und Brot. Hinzu kamen etliche Arbeitsplätze bei Zulieferfirmen, die sich in der Nähe des Motorenwerks ansiedelten.
Anfangs stellte die Güldner Motorengesellschaft mbH Gaskraftanlagen her. Später erst erweiterte die Geschäftsleitung die Produktion um Zweizylinder-Dieselmaschinen bis zu 300 PS und Gleichdruckölmotoren. Zeitweise wurden in den Werkshallen zudem Motorräder gefertigt, ähnlich der britischen Norton.
In jenen Anfangsjahren lenkte Güldner gleich in mehreren Funktionen die Geschicke des Werks: als Geschäftsführer, Chefkonstrukteur und Betriebs- und Verkaufsleiter. Dass ihm solch eine Fülle an Verantwortung übertragen worden war, zeugt von dem großen Vertrauen, das ihm vor allem Carl von Linde entgegenbrachte.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs kam die zivile Produktion des Motorenwerks nahezu zum Stillstand. Deshalb sah sich Güldner gezwungen, das Produktspektrum auf Lizenzbau umzustellen und unter anderem Kraftwagen und Flugzeugmotoren herzustellen. Die dabei gesammelten Erfahrungen erwiesen sich als wertvoll und flossen später in die Entwicklung neuer Motorentypen ein.
Nach Ende des Kriegs setzte Güldner verstärkt auf Diversifikation. Er erwarb die Berliner Moorkultur Kraftpflug GmbH und begann, in erster Linie Kraftpflüge zur Moorkultivierung sowie Motoren für Binnenschiffe und Kleindieselmotoren zu fertigen.
1925 geriet die Güldner Motorengesellschaft mbH wirtschaftlich in Bedrängnis, woraufhin Linde seine Gesellschafteranteile aufstockte. Die vollständige Übernahme des Werks 1929 durch Linde sollte Güldner nicht mehr erleben. Ebenso wenig, auf welch beeindruckende Weise die Erfolgsgeschichte seines Motorenwerks fortgeschrieben wurde. Auf Basis des von ihm gelegten technischen Fundaments fokussierte sich die Produktion des Werks ab den 1930er Jahren auf Ackerschlepper und Landwirtschaftsmaschinen. Mit dem A20 brachte das Unternehmen den ersten serienmäßigen Schlepper auf den Markt. Weitere Generationen von Traktoren folgten, die wegen der hohen Zuverlässigkeit ihrer Motoren im In- und Ausland großen Absatz fanden.
Doch wegen seiner innovativen Schaffenskraft und seinem Weitblick für den technischen Fortschritt genoss Güldner auch schon zu Lebzeiten große Anerkennung. So war er unter anderem als Vorsitzender der Handelsvertretung Aschaffenburg Mitglied der Handelskammer Würzburg. Ab 1919 agierte er als Präsidialmitglied des bayerischen Industriellenverbands. Zudem gehörte er dem Ehrenausschuss des Deutschen Museums und der Deutschen Akademie in München an. 1914 ernannte ihn die Technische Hochschule Karlsruhe zum Ehrendoktor. Im selben Jahr wurde ihm der Ehrentitel Geheimrat verliehen.
Auch in Aschaffenburg war Güldner eine angesehene Persönlichkeit. Er engagierte sich für den lokalen Motorsport und begleitete ab 1925 das Amt des Vorsitzenden im örtlichen Motorfahrer-Club. Doch viel Zeit blieb ihm nicht, letzterer Passion nachzugehen. Güldner verstarb überraschend am 12. März 1926 im Alter von 59 Jahren in Frankfurt am Main an den Folgen einer Operation.
Mit ihm verlor die Allgemeinheit einen bedeutenden Pionier unter deutschen Motorenkonstrukteuren. Die Stadt Aschaffenburg ehrte ihn 1949 mit einem Straßennamen in Schweinheim.
Güldner Motorengesellschaft mbH
  • Gründung 1904 in München durch Hugo Güldner, Carl von Linde, Georg von Krauß und weitere Gesellschafter
  • 1907: Verlegung der Produktionsstätte nach Aschaffenburg auf ein Gelände von 42.000 qm Fläche
  • Produktion von Gaskraftanlagen, Zweizylinder-Dieselmaschinen, Gleichdruckölmotoren und Motorrädern
  • 1925: Auslieferung der ersten kompressorlosen Dieselmotoren
  • 1929: Übernahme durch die Gesellschaft für Linde`s Eismaschinen AG
  • Während der 30er Jahre: zunehmende Fokussierung der Werksproduktion auf Traktoren und Ackerschlepper
  • Zweiter Weltkrieg: temporärer Umzug der Produktion in ein Verlagerungswerk nach Gottmadingen wegen der starken Zerstörung der Werkshallen durch Bombenangriffe
  • 1956: Bau einer neuen Schlepper-Montagehalle von 8.000 qm Fläche auf dem neuen Werksgelände in Aschaffenburg-Nilkheim
  • 1958: Fertigung des 100.000. „Güldner-Schleppers“
  • 1968: Einstellung der Produktion von Traktoren