Alois (Aron Baruch) Dessauer VON ALEXANDER KÖHL, BIOGRAF, MAINASCHAFF

Kurmainzischer Heereslieferant, Hofbankier, Buntpapierfabrikant

Aron Baruch Dessauer erblickte am 21. Februar 1763 in Gochsheim bei Karlsruhe das Licht der Welt. Es sollte aber noch über drei Jahrzehnte dauern, bis der Sohn eines jüdischen Gemeindevorstehers in Folge napoleonischer Umwälzungen nach Aschaffenburg umsiedelte. Als Dessauer mit seiner Ehefrau Belusina und den beiden Söhnen Joseph und Nathan im Haus Lit. D, Nr. 103 – der heutigen Steingasse Nr. 4 – seine Wohnstatt bezog, ahnte noch niemand, wie nachhaltig dieser Mann das Leben in der Residenzstadt mitgestalten und prägen würde.
Dessauer war ein Mann mit zahlreichen Facetten. Nach gegenwärtigem Wertekanon würde man ihn wohl am ehesten mit Attributen wie dynamisch, erfolgreich und geschäftstüchtig beschreiben. Die Liste seiner kaufmännischen Aktivitäten wirkt sogar über den historischen Kontext hinaus außergewöhnlich und beeindruckend. Doch Dessauer machte sich nicht nur als Handelsmann und Fabrikant einen Namen, den man weit über die Grenzen Aschaffenburgs kannte. Nachfolgenden Generationen blieb er auch als Mäzen, Philanthrop, angesehener Gesellschafter und fürsorglicher Familienvater in Erinnerung.
Nachdem Dessauer 1798 als kurmainzischer Heereslieferant nach Aschaffenburg kam, übernahm er bald auch die Erledigung bankmäßiger Geschäfte. Somit darf er als erster Bankier der Stadt bezeichnet werden. Zudem beantragte Dessauer 1804 die Genehmigung zur Errichtung einer Schreibmaterialienhandlung. In der Folgezeit wurde er noch als Papierhändler, Steintafel- und Feintuschefabrikant tätig.
1805 ließ sich Dessauer mit seiner Ehefrau und drei seiner mittlerweile vier Kinder in der Pfarrkirche St. Agatha taufen. Ab da führte er seinen Taufnamen „Alois“ und nicht mehr seinen ursprünglichen Vornamen „Aron Baruch“. Die Konversion vom Judentum zum Katholizismus markierte einen Wendepunkt in Dessauers Leben und trug maßgeblich zu seinem sozialen Aufstieg in Aschaffenburg bei.
Mit dem Buntpapiergewerbe kam Dessau er erstmals 1810 in Berührung. Der jüdische Buchbinder Johann Daniel Knode trat mit der Bitte an ihn heran, seinen in finanzielle Schieflage geratenen Betrieb zu übernehmen. Dessauer entsprach dem Wunsch unter der Bedingung, dass Knode noch etwa ein Jahr lang in der Firma mitarbeitete.
Im Februar 1811 bekam Dessauer selbst von der Regierung des Großherzogtums Frankfurt die Konzession zur Buntpapierfabrikation erteilt. Noch im selben Jahr gründete er mit seinem Sohn Joseph und einigen Arbeitern in Aschaffenburg auf dem Grundstück Badergasse Nr. 18 eine Fabrik zur Herstellung von „Türkischen- und Buntpapieren“. Damit legte er den Grundstein, der Aschaffenburg im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der europäischen Buntpapierfabrikation machte.
In den ersten Jahren nach der Gründung stellte Dessauer hauptsächlich Papiere zum Einbinden von Büchern und Heften her. Aber auch Papiere für Steindrucker, Zuckerbäcker und Kartonagenfabriken waren Bestandteil des Angebots. Die größten Umsätze tätigte die Firma anfangs in den Gebieten um Colmar und München, wobei sich mit der Zeit die Königliche Buchdruckerei in München zum größten Abnehmer entwickelte.
Die Expansion der Dessauer‘schen Manufaktur vollzog sich in rasanten Schritten. Ob der Gründer selbst von der Entwicklung überrascht gewesen war, bleibt wohl für immer ein Rätsel. Bereits 1814/15 führte die Statistik des Großherzogtums Frankfurt die Buntpapierfabrik mit einer Belegschaft von 150 Arbeitern und einer Jahresproduktion im Wert von 120.000 Gulden in ihren Büchern. Dessauer wirtschaftete so umsichtig und erfolgreich, dass er selbst in der Hungersnot seine Arbeiter weiter beschäftigen konnte, während andere Fabrikanten ihre entlassen mussten.
Die stetig steigende Nachfrage nach Buntpapiererzeugnissen erforderte einen gleichermaßen wachsenden Einsatz an Rohstoffen. Zur Deckung dieses Bedarfs und um in Zukunft von Lieferanten aus dem Ausland unabhängig zu sein, gründete Dessauer eine Papiermühle und 1823 eine eigene Leimfabrik auf seinem Ökonomiegut Auhof.
Dessauer schrieb die Erfolgsgeschichte der Buntpapierfabrik bis fast an sein Lebensende fort. In patriarchischer Manier traf er sämtliche wichtige Entscheidungen selbst. Durch unermüdlichen Fleiß und mit geschäftlichem Spürsinn gelang es ihm, den Absatz seiner Produkte bis ins ferne Ausland auszuweiten. Neben Deutschland und Europa belieferte seine Firma nun auch nord- und südamerikanische Märkte. Insbesondere Mexiko und Brasilien spielten für den Export eine wichtige Rolle.
1832 arrangierte die Gesellschaft der Vervollkommnung der Künste und Gewerbe im ehemaligen Dominikanerkloster in Würzburg ihre „Kunst-, Industrie- und Gewerbs-Producten-Ausstellung“. Dessauer zeigte dort 152 Muster seiner schönsten Buntpapiere und über ein Dutzend Sorten farbigen Leims. Die Exponate wurden mit der Verleihung einer Medaille gewürdigt und Dessauer obendrein zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannt.
Als bedeutender Meilenstein in der Firmenhistorie der Buntpapierfabrik erwies sich die Umstellung von manueller auf maschinelle Herstellung. Anfangs kamen nur Glätte- und Prägemaschinen zum Einsatz. Erst einige Jahre später, nachdem die gesamte Produktion bereits in den Auhof verlegt worden war, nahm Dessauer die erste Dampfmaschine in Betrieb. Die Modernisierung der Produktionsprozesse ließ den Absatz weiter ansteigen.
Doch Dessauer verkörperte nicht nur den erfolgsorientierten Firmenpatriarchen, der seiner Belegschaft Pünktlichkeit, Fleiß, Gehorsam und gute Arbeit abverlangte. Ihn darauf zu reduzieren, würde seinem Charakter nicht gerecht. Ihm lag auch sehr das Wohl seiner Arbeiter am Herzen. So führte er beinahe 70 Jahre vor Reichskanzler Otto von Bismarck eine Art Krankenversicherung für sie ein. Ebenso beispielhaft für seine philanthropische Ader: dass er Spitalkosten seiner Arbeiter übernahm und im Todesfall deren Ehefrauen und Kinder finanziell unterstützte.
Privat und im Kreis der Aschaffenburger Gesellschaft offenbarte Dessauer noch eine weitere Facette seiner Persönlichkeit. Die des Lebemanns und Genussmenschen. In freien Stunden widmete sich der Buntpapierfabrikant mit Vorliebe den schönen Dingen des Lebens. Motiviert von starkem kulturellem Interesse, besuchte er häufig Opern- und Theatervorstellungen. Als Mitglied der Casinogesellschaft wurde er übrigens 1828 selbst durch den Erwerb sämtlicher Anteile an derselben Eigentümer des „Deutschen Haus“, in dem das Aschaffenburger Theater seinen Sitz hatte.
Die Bürger der Stadt kannten Dessauer auch als geselligen Mann. Neben seiner Angehörigkeit zur Casinogesellschaft war er auch Mitglied in anderen Vereinen wie dem Frohsinn, dem Schützenverein, der Liedertafel und dem Singverein. Als Gast besuchte er gern die von den Vereinen ausgerichteten Bälle. Und auch auf kulinarische Art wusste Dessauer das Leben zu genießen. Einem edlen Tropfen aus seinem gut sortierten Weinkeller zeigte er sich ebenso wenig abgeneigt wie gegenüber den Feinkostwaren, die er zum Teil sogar aus Frankfurt am Main bezog.
Allerdings achtete Dessauer auch auf seine Gesundheit. Regelmäßig besuchte er das Kurbad Wilhelmsbad bei Hanau. Zu längeren Kuraufenthalten begab er sich nach Bad Kissingen, Bad Homburg und Wiesbaden. Womöglich war auch dies mit verantwortlich dafür, dass er das für die damalige Zeit hohe Lebensalter von 87 Jahren erreichte. Alois Dessauer verstarb am 11. April 1850 nach zweiwöchigem Krankenlager.
Alois Dessauer Buntpapierfabrik
  • Gründung 1811 in Aschaffenburg als Fabrik zur Herstellung von „Türkischen- und Buntpapieren“ durch Alois Dessauer und seinen Sohn Joseph
  • In den Anfangsjahren Fabrikation von Papieren zum Einbinden von Büchern sowie Papieren für Steindrucker, Zuckerbäcker und Kartonagenfabriken
  • 1815 beträgt der Wert der Jahresproduktion bereits 120.000 Gulden
  • 1823: Bau der eigenen Leimfabrik auf dem Gelände des Ökonomiehof Auhof
  • 1826: Besuch der Betriebsstätte durch den bayerischen König Ludwig I
  • Anfang der 1840er Jahre: Verlegung der Produktion auf das Gelände des Ökonomiehof Auhof
  • 1843: Einsatz der ersten Dampfmaschine
  • 1850: Umsiedelung der Betriebsstätte in die Goldbacher Straße auf das heutige Gelände der City-Galerie
  • 1908: Fusion der Alois Dessauer Buntpapierfabrik mit der Franz Dessauer Buntpapierfabrik AG
  • 1908 stellt die Buntpapierfabrik AG mit ihren ca. 750 Arbeitern das größte Unternehmen seiner Art auf dem europäischen Kontinent dar
  • 1967: Übernahme der Buntpapierfabrik AG durch die Feldmühle AG Düsseldorf
Als Basis für dieses Porträt diente das Buch „Die Dessauers“ von Monika Ebert, hg. vom Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg e.V.