Berufliches Feststellungsverfahren (Validierungsverfahren) (§§ 50b. ff BBiG)
Menschen ohne Berufsabschluss in ihrem Tätigkeitsfeld haben es in der Arbeitswelt nicht immer leicht. Ihnen fehlt ein anerkannter Nachweis über ihr fachliches Knowhow und über das, was sie können. Beispielsweise wenn sie arbeitslos werden, kann dies ein handfestes Problem werden, denn auf dem Arbeitsmarkt werden sie leicht übersehen oder unterschätzt. Aber auch ein Arbeitgeberwechsel kann sich ohne Nachweis schwierig gestalten.
- An wen richtet sich das Verfahren?
- Wer kann an dem Validierungsverfahren teilnehmen?
- Was ist ein Referenzberuf?
- Wie viel Berufserfahrung braucht man, um an einem Validierungsverfahren teilnehmen zu können?
- Wie läuft das Validierungsverfahren ab?
- Welche Dokumente sind für die Antragsstellung nötig?
- Welche Gebühr wird für das Validierungsverfahren erhoben?
- Was erhält man am Ende des Verfahrens?
- Wo kann ein Antrag auf Zulassung zum Validierungsverfahren gestellt werden?
- In welchen Berufen wird das Validierungsverfahren angeboten?
- Wie lange dauert das Validierungsverfahren?
- Welchen Nutzen hat das Verfahren für Arbeitgeber?
- Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?
- Weitere Möglichkeiten, einen Berufsabschluss zu erhalten, sind:
Mit dem Validierungsverfahren werden berufliche Kompetenzen, die unabhängig von einer formalen Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (Referenzberuf) erworben wurden, aber einer solchen vergleichbar sind, bewertet und bescheinigt.
Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens wird die berufliche Handlungsfähigkeit bei vollständiger Vergleichbarkeit in einem Zeugnis oder bei überwiegender Vergleichbarkeit in einem Bescheid schriftlich bescheinigt.
Das hilft nicht nur der Einzelperson, sondern auch den Unternehmen. Sie können damit die Fähigkeiten und das Können von Menschen ohne Berufsabschluss besser einschätzen. So können sie ihre Mitarbeitenden passgenauer einsetzen und zielgerichtet weiterqualifizieren.
Für die Unternehmen kann das Verfahren somit zu einem Baustein in einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung und Mitarbeiterbindung werden.
An wen richtet sich das Verfahren?
Das Verfahren richtet sich an Erwachsene
- mit mehrjähriger Berufserfahrung,
- ohne Berufsabschluss im ausgeübten Beruf,
- mit Interesse an einem Nachweis über ihre Kompetenzen,
- für die eine Externenprüfung (noch) nicht in Frage kommt.
Wer kann an dem Validierungsverfahren teilnehmen?
Teilnehmen können Personen, die
- mindestens 25 Jahre alt sind,
- das 1,5-fache der regulären Ausbildungszeit als Berufserfahrung nachweisen können,
- ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder die Hälfte der nötigen Berufserfahrung in Deutschland erworben haben
- im Referenzberuf keinen deutschen Berufsabschluss oder keinen anerkannten ausländischen Abschluss haben, sowie,
- nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis im Referenzberuf stehen.
Was ist ein Referenzberuf?
Der Referenzberuf ist der duale Ausbildungsberuf, in dem die berufliche Handlungskompetenz festgestellt werden soll.
Wie viel Berufserfahrung braucht man, um an einem Validierungsverfahren teilnehmen zu können?
Um an einem Validierungsverfahren teilzunehmen, ist mindestens das 1,5–fache der regulären Ausbildungszeit des Referenzberufs als einschlägige Berufserfahrung nötig. Diese muss den überwiegenden Teil des Berufsbildes abdecken. Die Berufsbilder befinden sich in den rechtlichen Grundlagen (Verordnung und Rahmenlehrplan) des jeweiligen Ausbildungsberufes.
Beispiel: Die Ausbildung im Beruf Fachlagerist/-in dauert zwei Jahre. Für eine Bewertung in diesem Beruf müssen mindestens drei Jahre relevante Berufserfahrung nachgewiesen werden.
Wie läuft das Validierungsverfahren ab?
Das Verfahren erfolgt in vier Schritten.
- Information und Beratung
Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren und zu den Dokumenten, die für die Antragsstellung benötigt werden. Außerdem kann der passende Referenzberuf identifiziert werden. Anträge können erst nach einem ersten Informationsgespräch gestellt werden. Die Antragsstellung ist derzeit technisch noch nicht möglich. - Antragsstellung
Die interessierte Person dokumentiert die beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Für die Antragsstellung werden die Angaben durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsnachweise oder Zertifikate belegt. Die zuständige Stelle prüft den eingereichten Antrag und wertet die eingereichten Dokumente und Nachweise aus. - Bewertung
Ein Feststellungstandem, das aus zwei Prüfer/-innen besteht, stellt insbesondere mit praktischen und mündlichen Aufhaben die berufliche Handlungsfähigkeit im Gesamten oder in überwiegenden Teilen des Berufsbildes fest. - Ergebnismitteilung
Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die Kammer ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf oder einen Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf aus.
Kann keine ausreichende berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt werden, wird der Antrag abgelehnt.
Da das gesamte Verfahren auf Deutsch durchgeführt wird, sind ausreichende Sprachkenntnisse nötig.
Welche Dokumente sind für die Antragsstellung nötig?
Ein Antrag zur Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit (Validierungsverfahren) kann nur nach vorherigem Beratungsgespräch mit Ihrer zuständigen IHK gestellt werden.
Folgende Unterlagen werden benötigt:
- Vollständig ausgefülltes Antragsformular
- Kopie eines Identitätsnachweises (zum Beispiel Personalausweis, Reisepass)
- Kopie eines Wohnsitznachweises (zum Beispiel Personalausweis, Aufenthaltstitel)
- Angaben zur Berufserfahrung im Referenzberuf (zum Beispiel aktueller Lebenslauf)
- Nachweise über den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit (zum Beispiel Arbeitszeugnisse, Weiterbildungen, Schulungen)
- gegebenenfalls Antrag auf Nachteilsausgleich
- gegebenenfalls weitere Unterlagen
Nachweise, die in einer anderen Sprache als in Deutsch ausgestellt sind, müssen mit einer Übersetzung eingereicht werden.
Welche Gebühr wird für das Validierungsverfahren erhoben?
Das Validierungsverfahren ist eine hoheitliche, gebührenpflichtige Leistung der Industrie- und Handelskammer Aachen.
Die Gebühren werden für die Zulassung zum Validierungsverfahren und für die Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit getrennt erhoben:
- Gebühr für die Zulassung zum Verfahren („Antragsgebühr“ unter anderem für Antragstellung, Auswertung der Antragsunterlagen)
- Gebühr für die Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit („Bewertungsgebühr“ unter anderem für Aufgabenerstellung, Bewertung durch das Feststellungstandem)
- Materialkosten fallen gegebenenfalls extra an.
Gebührenschuldner ist der Antragssteller.
Was erhält man am Ende des Verfahrens?
Das Validierungsverfahren endet mit einem Zeugnis oder Bescheid. Folgende Ergebnisse sind möglich:
- Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit
- Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit
- Bescheid über die Ablehnung des Antrags, wenn keine überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit festgestellt werden kann
- Für Menschen mit Behinderung, für die auf Grund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist:
Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit
Hinweis:
Es wird kein Berufsabschluss vergeben. Diesen erhält nur, wer eine deutsche Abschlussprüfung erfolgreich ablegt.
Es wird kein Berufsabschluss vergeben. Diesen erhält nur, wer eine deutsche Abschlussprüfung erfolgreich ablegt.
Für Fortbildungsabschlüsse ist eine Berufsvalidierung nicht möglich.
Wo kann ein Antrag auf Zulassung zum Validierungsverfahren gestellt werden?
Die Industrie- und Handelskammer Aachen ist die zuständige Stelle für Personen im Kammerbezirk Aachen (Städteregion Aachen, Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg).
Bitte beachten Sie, dass mit der Antragsstellung eine Gebühr erhoben wird.
In welchen Berufen wird das Validierungsverfahren angeboten?
Das Validierungsverfahren wird in allen dualen Ausbildungsberufen angeboten, deren Zuständigkeit bei der Industrie- und Handelskammer Aachen liegen.
Wie lange dauert das Validierungsverfahren?
Die gesamte Dauer hängt unter anderem von den individuellen Voraussetzungen, vom Umfang des Antrags und dem jeweiligen Beruf ab.
Die praktische Bewertung kann, je nach Beruf und Umfang der zu bewertenden beruflichen Handlungsfähigkeit, zwischen einem Tag und mehreren Tagen dauern.
Welchen Nutzen hat das Verfahren für Arbeitgeber?
Mit dem Zeugnis / Bescheid der Kammern erhalten Arbeitgeber eine verlässliche Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit der Mitarbeitenden oder von Bewerber/-innen, die keinen Berufsabschluss haben. So können diese passgenau eingesetzt oder zielgerichtet weiterqualifiziert werden.
Nicht zuletzt bedeutet das Zeugnis bzw. der Bescheid eine besondere Wertschätzung und kann die Mitarbeiterbindung stärken: Beruflich kompetente Menschen können im Unternehmen gehalten und motiviert werden, sich weiterzuentwickeln. Somit leistet das Validierungsverfahren auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?
Für Menschen mit Behinderung nach §2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX gelten zusätzliche Regelungen:
- Es kann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die gesundheitliche Einschränkung auf die Kompetenzfeststellung auswirkt.
- Es kann ein Antrag auf eine Verfahrensbegleitung gestellt werden.
Wenn aufgrund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit:
- Es ist ein Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit möglich.
- Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für die Antragsstellung entfällt.
- Der Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit kann zusätzlich auch eine überwiegende oder vollständige Vergleichbarkeit mit einer Referenzausbildungsregelung gem. §66 BBiG ausweisen, sofern diese bundeseinheitlich geregelt ist.
Weitere Möglichkeiten, einen Berufsabschluss zu erhalten, sind:
- Externenprüfung - Zulassung zur Abschlussprüfung ohne vorangegangenes Ausbildungsverhältnis
- Teilqualifizierung – Berufsabschluss schrittweise nachholen
- Berufsabschluss aus dem Ausland anerkennen lassen