Schiedsgutachten

Was ist ein Schiedsgutachten?

Ein Schiedsgutachten ist ein Sachverständigen-Gutachten, das die Parteien als verbindliche Entscheidung anerkennen.
Ein unabhängiger, unparteiischer und fachlich kompetenter Sachverständiger kann als Schiedsgutachter durch seine sachliche und fachliche Beurteilung Meinungsverschiedenheiten von Vertragsparteien über
  • den Inhalt,
  • die Auslegung oder
  • die Anpassung eines Vertrages klären.
Konfliktthema kann dabei im Grundsatz alles sein, was sich durch Sachverständige begutachten lässt und nicht gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt.

Was bietet mir die IHK Wiesbaden im Rahmen des Schiedsgutachtens?

Die IHK kann auf Antrag der Parteien oder auf Antrag einer Partei, wenn eine Schiedsgutachterklausel vereinbart wurde, einen Schiedsgutachter benennen.
Streitige Parteien können sich häufig nur schwer auf einen gemeinsamen Sachverständigen oder Schiedsgutachter einigen. Daher bietet sich die IHK als neutrale Institution für die Benennung eines neutralen Schiedsgutachters an.
Die IHK als bestellende Körperschaft bei den Sachverständigen kann auch beurteilen, welcher Sachverständige sich für welche Problematik am besten als Schiedsgutachter eignet.

Welche Meinungsverschiedenheiten kann ein Schiedsgutachter klären?

Der Schiedsgutachter kann Tatsachen-, Wert- oder Schätzgutachten aber auch Anpassungsgutachten erstellen:
Tatsachengutachten
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, tatsächliche Zustände und Eigenschaften von Anlagen, Einrichtungen, Warenlieferungen oder Werkleistungen zu untersuchen und zu beurteilen, Abrechnungsdifferenzen aufzuklären sowie Geschehensabläufe zu rekonstruieren, Ursachenzusammenhänge zu analysieren und das Ausmaß von Schäden festzustellen.
Wert- oder Schätzgutachten
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den angemessenen Kauf- oder Marktpreis einer Ware, den Verkehrs- oder Beleihungswert eines Grundstücks oder den Wert einer Arztpraxis oder eines Unternehmens festzustellen.
Anpassungsgutachten
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den Erbbauzins, die vereinbarte Miete oder eine andere wiederkehrende Leistung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses anhand eines vertraglich vorgegebenen bestimmten oder bestimmbaren Maßstabs den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.

Welche Vorteile bietet ein Schiedsgutachten?

Durch die gemeinsame Einigung der Parteien (zum Beispiel im Rahmen einer Schiedsgutachterklausel im Vertrag) die Beurteilung durch einen Sachverständigen als verbindliche Entscheidung zu akzeptieren, können fachliche Fragen, zweifelhafte und umstrittene Punkte im Vertragsverhältnis geklärt und der Gerichtsweg vermieden werden.
Nicht geklärt werden können rein rechtliche Fragen oder rechtliche Vertragsauslegungen.

Wie leite ich eine Schiedsgutachterbenennung ein?

Grundsätzlich müssen die Parteien sich darauf verständigt haben, dass ihre Meinungsverschiedenheit mittels eines Schiedsgutachters gelöst werden soll. Dazu haben die Parteien entweder schon zu Beginn ihrer Geschäftsbeziehung eine entsprechende Schiedsgutachtervereinbarung im Vertrag getroffen oder eine solche nachträglich abgeschlossen.
Soll danach der Streit der Parteien durch einen von der IHK benannten Sachverständigen als Schiedsgutachter für beide Parteien verbindlich entschieden werden, muss mindestens eine Partei einen Antrag auf Benennung eines Schiedsgutachters durch die IHK Wiesbaden bei der IHK Wiesbaden einreichen.
Der Antrag muss enthalten:
  1. Antrag
    - Die Bitte um Benennung eines Schiedsgutachters durch die IHK   Wiesbaden
    - Eine kurze Schilderung des Sachverhalts (Was genau ist zu begutachten? Besonderheiten?)
    - Ladungsfähige Anschriften der Vertragsparteien
  2. Vertrag mit der Schiedsgutachterklausel oder Auszug daraus in Kopie (der Auszug muss dann mindestens enthalten:
    - Deck-/ Titelseite (wegen der Angaben zu den Vertragsparteien)
    - Schiedsgutachterklausel
    - Letzte Seite des Vertrages mit den Vertragsunterschriften der Vertragsparteien (zur Dokumentation des Vertragsabschlusses)
oder
          eine Kopie der nachträglich geschlossenen Vereinbarung

Wie läuft das Verfahren ab?

  1. Sobald der IHK Wiesbaden der Antrag vorliegt, wird ein sachlich geeigneter Sachverständiger ermittelt. Durch Befragung des Sachverständigen stellt die IHK sicher, dass keine Besorgnis der Befangenheit besteht und der Sachverständige zur Gutachtenerstellung bereit ist.
  2. Die IHK Wiesbaden schreibt die Parteien an und benennt den Sachverständigen unter Nennung von Namen, Anschrift, Kommunikationsdaten und Sachgebietsnennung. Sollten innerhalb einer 14-tägigen Frist Einwände (beispielsweise wegen Befangenheit) gegen diesen Sachverständigen vorgebracht werden, prüft die IHK diese Einwände und benennt gegebenenfalls einen Ersatz.
  3. Die Auftragserteilung für das Schiedsgutachten erfolgt dann durch die Parteien selbst. Auch im Hinblick auf den weiteren Fortgang des Verfahrens, insbesondere wegen der Honorarvereinbarung, des Termins usw. setzen sich die Parteien unmittelbar mit dem Schiedsgutachter in Verbindung.
  4. Der Sachverständige erstellt sein Gutachten. Das Ergebnis seines Gutachtens ist für die Parteien verbindlich.

Schiedsgutachterklausel für den Vertrag

Die Schiedsgutachterklausel ist eine vertragliche Vereinbarung. Ist Ihrem Vertrag keine Schiedsgutachterklausel zu entnehmen, empfiehlt sich eine schriftliche Schiedsgutachterabrede einvernehmlich zwischen den Parteien auszuhandeln und durch Unterschriften zu bestätigen. Wenn Sie eine Schiedsgutachterklausel in den Vertrag aufnehmen oder im Nachhinein vereinbaren wollen, empfehlen wir Ihnen folgende Schiedsgutachterklausel:
Beispiel zur Formulierung einer Schiedsgutachtenabrede
  1. Entstehen bei der Durchführung dieses Vertrages Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten über tatsächliche Umstände oder ändern sich die dem Vertrag zugrunde gelegten Sachverhalte in wesentlichen tatsächlichen Punkten, so soll gemäß §§ 317 ff. BGB ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten zur Entscheidung des streitigen Sachverhalts eingeholt werden.
    Anmerkung:
    Nach Möglichkeit sollten der tatsächliche Umstand (zum Beispiel Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse) und der Gutachtenauftrag (zum Beispiel Neufestsetzung der Miete oder Pacht) sowie der Rahmen der Neufestsetzung (zum Beispiel anhand der Punktzahl für die Kosten eines Vier-Personen-Haushalts) konkret angegeben werden.
  2. Als Schiedsgutachter soll auf Antrag einer Partei oder beider Parteien von der IHK Wiesbaden ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger benannt und sodann von den Parteien beauftragt werden. Im Falle der Verhinderung oder des Vorliegens von Ablehnungsgründen wegen Besorgnis der Befangenheit soll von der IHK ein Ersatzsachverständiger benannt werden.
    Anmerkung:
    Bei Weigerung zur Beauftragung des Schiedsgutachters durch eine Partei kann die andere Partei auch auf Zustimmung zur Beauftragung klagen.
  3. Die Kosten für das Schiedsgutachten tragen die Parteien je zur Hälfte.

Variante bezüglich der Kostenauferlegung:
Die Kosten des Schiedsgutachtens trägt die nach den Feststellungen des Gutachtens unterliegende Partei. Bei Teilunterliegen bestimmt sich die Verteilung der Kosten nach dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens oder Unterliegens und wird vom Schiedsgutachter festgelegt.