Bei Krisen richtig (re-)agieren: Zehn Handlungsempfehlungen für Unternehmen in Schieflage
Probleme gehören zum Alltagsgeschäft – auch bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Wenn sie überhandnehmen, sollten Sie in den Krisenmodus wechseln. Doch wo anfangen, wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind? Dieses Merkblatt fasst die zehn wichtigsten Handlungsempfehlungen kompakt zusammen – ergänzt um rechtliche Hinweise aus dem Insolvenzrecht.
1. Suchen Sie keine Schuldigen, sondern Lösungen.
In der Krise zählt jede Minute. Die Ursachenanalyse ist zwar prinzipiell wichtig – aber nicht der erste Schritt. Zunächst geht es darum, die Zahlungsfähigkeit zu sichern und operative Handlungsfähigkeit zu bewahren. Die rechtliche Bewertung der Verantwortlichkeit (z. B. bei Pflichtverletzungen der Geschäftsführung) kann später erfolgen – idealerweise mit juristischer Begleitung.
2. Stellen Sie ein Krisenteam zusammen – intern und/oder extern.
Versuchen Sie zunächst intern ein Krisenteam zusammenzustellen. Der Betrieb ist zu klein, um ein Team zu bilden? Auch kleine Betriebe können auf externe Expertise zurückgreifen: Rechtsanwälte für Insolvenzrecht, Steuerberater, Unternehmensberater Bankberatende, Freunde, Vertraute aus dem Gewerbeverein, oder Mitarbeiter der IHK. Wichtig: Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 17, 19 InsO) besteht eine Insolvenzantragspflicht binnen drei Wochen (§ 15a InsO). Dies gilt insbesondere für AGs, GmbHs, UGs, KGaA, SEs sowie für eGs, kann aber auch für KGs, vor allem in der Form der Kapitalgesellschaft & Co, Stiftung & Co und GbRs und OHGs gelten. Frühzeitige Beratung kann hier Haftungsrisiken vermeiden.
3. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Verpflichtungen.
Erstellen Sie eine tagesaktuelle Liquiditätsplanung: Welche Zahlungen sind wann fällig? Welche Einnahmen stehen bevor? Welche Verpflichtungen sind vertraglich bindend? Diese Übersicht ist nicht nur intern wichtig – sie bildet auch die Grundlage für Gespräche mit Gläubigern oder Banken.
4. Priorisieren Sie Ihre Zahlungsverpflichtungen.
Nicht alle Forderungen sind gleich kritisch. Steuerzahlungen (z. B. Umsatzsteuer) und Sozialversicherungsbeiträge sind vorrangig zu bedienen – hier drohen strafrechtliche Konsequenzen (§ 266a StGB). Bei anderen Gläubigern können Stundungen oder Ratenzahlungen verhandelt werden. Wichtig: Keine Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) – also keine selektiven Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife.
5. Erarbeiten Sie einen konkreten Maßnahmenplan.
Wer spricht wann mit wem? Welche Optionen bestehen (z. B. Sanierung, Stilllegung, Verkauf)? Ein strukturierter „Schlachtplan“ hilft, die nächsten Schritte zu koordinieren. Bei drohender Insolvenz kann auch ein Sanierungskonzept nach IDW S6 oder ein Restrukturierungsplan nach dem StaRUG sinnvoll sein – letzterer ermöglicht eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens.
6. Kommunizieren Sie offen – intern wie extern.
Vertrauen ist in der Krise ein entscheidender Faktor. Informieren Sie Mitarbeitende, Lieferanten und Kunden frühzeitig über die Lage – ohne Panik zu verbreiten. Transparenz schafft Handlungsspielräume. Auch Betriebsräte sind ggf. einzubeziehen (§ 111 BetrVG bei Betriebsänderungen).
7. Bleiben Sie handlungsfähig – und vermeiden Sie Rechtsverstöße.
Vermeiden Sie riskante Einzelmaßnahmen wie Vermögensverschiebungen oder ungesicherte Kredite. Ab Eintritt der Insolvenzreife können Geschäftsführer*innen persönlich für verbotene Zahlungen haftbar gemacht werden. Holen Sie sich rechtzeitig rechtlichen Rat, um straf- und zivilrechtliche Risiken zu vermeiden.
8. Nutzen Sie Kennzahlen zur Steuerung.
Tagesaktuelle Kennzahlen wie Liquiditätsstatus, offene Posten, Forderungsausfälle oder Auftragslage helfen, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu bewerten. Diese Daten sind auch für externe Berater*innen oder das Insolvenzgericht im Falle eines Verfahrens relevant.
9. Analysieren Sie die Ursachen – und lernen Sie daraus.
Krisen sind oft mehrdimensional: Managementfehler, Marktveränderungen, Finanzierungslücken. Eine strukturierte Ursachenanalyse ist essenziell für eine nachhaltige Sanierung. Bei Sanierungsverfahren nach dem StaRUG oder im Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) ist eine belastbare Fortbestehensprognose erforderlich.
10. Nutzen Sie die Krise als Chance zur Neuausrichtung.
Krisen eröffnen auch neue Perspektiven: Geschäftsmodelle überdenken, Prozesse verschlanken, neue Märkte erschließen. Viele Unternehmen gehen gestärkt aus einer Sanierung hervor – insbesondere, wenn sie frühzeitig handeln. Das Insolvenzrecht bietet unter anderem mit Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) flexible Instrumente zur Restrukturierung.
