Digital durch die Innenstadt

Digitalisierung greifbar machen und voneinander lernen – darum geht es in dieser Serie. Siebter Teil: die Stadt Geisenheim. Diese beschäftigt seit Dezember 2018 eine eigene Influencerin: Die Mediengestalterin Isabé-Sophie Cratz teilt in den sozialen Netzwerken Fotos aus den Einzelhandel in der Lindenstadt. Zwei Monate nach dem Start hat die Instagram-Seite „einkaufen_in_geisenheim“ rund 600 Abonnenten.
Man sitzt in einem Café und freut sich, wenn das bestellte Heißgetränk serviert wird. Die meisten würden jetzt beherzt einen Schluck trinken – nicht aber Isabé-Sophie Cratz. Die 23-jährige Geisenheimerin rückt ihr Getränk erst einmal in das perfekte Licht, um es mit dem Smartphone zu fotografieren. Für sie gehört das zum Beruf. Denn seit Dezember 2018 ist Cratz als Influencerin für die Stadt Geisenheim unterwegs: Mit Fotos und Kurztexten stellt sie auf der Online-Plattform Instagram Einzelhandelsgeschäfte und deren Produkte vor. Etwa drei- bis viermal die Woche berichtet sie auf der Seite „einkaufen_in_geisenheim“ über die lokalen Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt im Rheingau.
Als Vorbild diente die Stadt Hof in Bayern, wo ein ähnliches Projekt im Bereich Social Media Marketing erfolgreich gestartet war. Geisenheims Bürgermeister Christian Aßmann erkannte schnell, dass solch eine Marketingstrategie auch in seiner Stadt funktionieren könnte. Denn gerade über die sozialen Netzwerke erreiche man kostenfrei eine große Reichweite – vor allem die Vielzahl an jungen Menschen in der Hochschulstadt. Ziel sei es, den Leerstand im lokalen Einzelhandel zu bekämpfen und die Kaufkraft mehr in die Innenstadt zu verlagern.
Die Stelle der Influencerin auf 450-Euro-Basis wurde über die sozialen Netzwerke ausgeschrieben. Bei den Bewerbungen stach Isabé-Sophie Cratz schnell aus der Masse heraus. Vor allem ihr beruflicher Hintergrund als gelernte Mediengestalterin sowie ihr professionelles Instagram-Profil mit bereits 1.200 Abonnenten gaben am Ende den Ausschlag. Nach knapp einem Monat Planung ging die Instagram-Seite im Dezember 2018 online. Die Beiträge zeigen Geisenheims Innenstadt sowie ihre Geschäfte und deren ganz besonderen Charme. Die Bilder macht Cratz alle selbst und sie formuliert auch die Texte. Vom Stadtmarketing im Vorfeld festgelegte Hashtags ergänzt sie durch ihre eigenen – immer passend zum Thema. Ihr Arbeitsgerät, ein Smartphone mit Vertrag, bekommt sie von der Stadt zur Verfügung gestellt.
Geisenheims Einzelhändler stünden dem Projekt sehr positiv gegenüber, stellt Bürgermeister Aßmann fest. Anfangs habe man die Inhaber der Geschäfte an das Thema heranführen müssen, einige setzten sich dadurch erstmals mit den Möglichkeiten der sozialen Netzwerke auseinander. In Zukunft plane man, dass die Influencerin kleine Workshops zum Umgang mit Instagram und Co. anbietet. Unterstützung erhält das Projekt auch vom örtlichen Gewerbeverein: „Wir begrüßen die Initiative der Stadt und, dass diese auch direkt umgesetzt wurde“, freut sich Marcus Pretzel, 1. Vorsitzender des Handwerker- und Gewerbevereins. Dass den Geisenheimer Gewerbetreibenden das Projekt wichtig ist, sieht man auch daran, dass sie Isabé-Sophie Cratz die Teilnahme am IHK-Workshop Instagram-Marketing ermöglichen.
Wie das Marketing mit dem Teilen von Fotos in Geisenheim funktioniert, zeigt sich am Beispiel der Goldschmiede Sterntaler: „Sonntagabend ging der Beitrag online und am nächsten Tag stand schon der erste zahlende Kunde vor der Tür“, berichtet die Inhaberin Nicole Alejniczew. Sie freue sich besonders über mehr jüngere Kundschaft und die Möglichkeit, als Unternehmerin von der Influencerin zu lernen. Bislang sei das Projekt einzigartig im Rheingau, sagt Christian Aßmann. Die Anfragen anderer Kommunen ließen aber nicht lange auf sich warten. Der Bürgermeister empfiehlt ihnen, sich die Struktur der eigenen Innenstadt genau zu betrachten und bei den Beiträgen auf Qualität statt Quantität zu bauen. Von der eigenen Influencerin sei man so überzeugt, dass sie langfristig das gesamte Social Media Marketing der Stadt und auch die Gestaltung von Flyern übernehmen soll.
Text: Christoph Jung und Tobias Quoika, IHK Wiesbaden