Die digitalisierte IHK

Digitalisierung greifbar machen und voneinander lernen – darum geht es in dieser Serie. Achtzehnter Teil: Zum Abschluss der Serie sprechen wir mit Hauptgeschäftsführerin Sabine Meder und den Digitalisierungsexperten Guento Zanfino und Zoltan Kovac über Digitalisierung in der IHK Wiesbaden.
Welchen Stellenwert hat Digitalisierung in der IHK Wiesbaden?
MEDER: Ich denke die Tatsache, dass die Digitalisierungsmitarbeiter organisatorisch direkt bei der Hauptgeschäftsführung angesiedelt sind, sagt schon etwas über den Stellenwert hier bei uns aus. Wir haben in den letzten Jahren hier ganz bewusst Kapazitäten aufgebaut, weil mir wichtig ist, dass wir eine stimmige mittelfristige Digitalisierungsstrategie haben und diese mit entsprechender Manpower vorangetrieben wird. Aus meiner Sicht ist Digitalisierung Chefsache. Denn die Vorausetzung für den Erfolg der Digitalisierungsmaßnahmen ist, dass die Geschäftsführung dahinter steht.
Welche Dienstleistungen bieten Sie Ihren Mitgliedern digital an?
KOVAC: Unsere digitalen Dienstleistungen und Services werden kontinuierlich ausgebaut. Einer unserer effizientesten Services ist die Online-Antragsstellung: Besonders im Bereich Mitgliedschaft und Beitrag erfolgt die Antragstellung nahezu ausschließlich über Online-Formulare auf unserer Website. Das Rechnungswesen haben wir ebenfalls digitalisiert, auch weil wir uns hier an rechtliche Anforderungen halten – Stichwort Onlinezugangsgesetz. Außerdem haben wir noch für den Fachbereich International das elektronische Ursprungszeugnis sowie ein digitales Umfragetool für die gesamte IHK eingeführt.
ZANFINO: Nach innen haben wir auch Prozesse optimiert, zum Beispiel das Thema interne Kommunikation. Wir setzen hier schon länger auf ein Social Intranet, über das sich die Mitarbeiter austauschen und Informationen weitergeben können. Damit haben wir aber nicht nur ein neues digitales Tool eingeführt, sondern auch einen Kulturwandel eingeleitet – weg von Einzelinformationen per E-Mail hin zur Bereitstellung von Informationen für verschiedene Kollegen. In Kürze werden wir auch Office 365 in der IHK ausrollen.
MEDER: Ein gutes Beispiel für interne und externe Wirkung, ist das Veranstaltungstool MATE. Von der Einladung bis zur Gästeverwaltung läuft alles digital und sieht dazu noch sehr ansprechend aus. Zeitgleich werden unsere Prozesse optimiert und wir haben außerdem die Möglichkeit, Veranstaltungen statistisch auszuwerten. Dieses Beispiel zeigt, oft wirkt sich ein Digitalisierungsthema in beide Richtungen aus, sowohl intern als auch extern. Außerdem haben wir einfache Aufgabenabläufe, die sonst mit Zettel oder E-Mail bearbeitet wurden, über entsprechende digitale Prozesse abgebildet. Die gesamte Personalabrechnung, Urlaubsanträge sowie die Dienstreiseanträge haben wir digitalisiert. Der nächste Schritt an dieser Stelle wird sein, dass wir die Abrechnungen der Dienstreisen über das System laufen lassen können, mit einer Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung.
Welche Pläne hat die IHK in der Zukunft?
MEDER: Office 365 ist jetzt das nächste große und wichtige Projekt, was wir auch möglichst schnell realisieren wollen. Damit haben wir mehrere Aspekte, wie beispielweise Hardware-Optimierung und mobiles Arbeiten, mit abgedeckt. Darüber hinaus gibt es auch bundesweite Projekte, die für alle IHKs wichtig sind.
ZANFINO: Als nächstes größeres Projekt möchten wir unbedingt weiterhin die internen Prozesse und die Internen mit Außenwirkung verbessern. Der Mitarbeiter soll Zugriff auf die Dateien von überall aus haben. Die Zusammenarbeit mit Ausschüssen und Vollversammlung soll komplett digital ablaufen, von der Bereitstellung von Dokumenten bis hin zur Einladungen zu Sitzungen. Durch die Einführung von Office 365 können wir auf Tools die wir derzeit nutzen verzichten und haben ein komplettes Microsoft-Paket. Das Thema Microsoft-Bookings zum Beispiel, ist interessant um Beratungsgespräche und Termine online zu vereinbaren, auch dieses Tool IHK Hessische Wirtschaft — Februar / März 2021 16 Menschen und Unternehmen hat somit direkte Auswirkungen auf unsere Mitglieder.
KOVAC: Ein großes Plus davon ist, dass wir so auch die Toolvielfalt reduzieren können und dadurch wiederum Kosten und Ressourcen sparen.
MEDER: Das ist auch ein Aspekt, der sich durch unsere gesamte Strategie zieht: Was ist der Nutzen für unsere Mitglieder? Bringt es uns als IHK etwas? Bringt es unsere Prozesse voran? Bringt es Vereinfachung oder Einsparung von Manpower, die man dann wieder für weitere Innovationen einsetzen kann? Das sind die Stoßrichtungen, die wir immer im Blick haben. Wir haben in der letzten Vollversammlung unsere Digitalisierungsstrategie präsentiert, die auch gut angekommen ist. Es ist eine legitime Erwartung unserer Unternehmen, dass wir uns in Sachen Digitalisierung auf Augenhöhe befinden.
Wie binden Sie die Mitarbeiter in die Digitalisierung von Prozessen oder die Einführung von digitalen Produkten ein?
KOVAC: Aus den jeweiligen Fachbereichen nehmen wir Prozesskenner und bilden mit ihnen eine Arbeitsgruppe. Die Prozesskenner haben dabei unterschiedliche Rollen und Funktionen, unter anderem sind sie Informationszulieferer, Tester und entscheiden wie der Prozess hinterher weiter umgesetzt wird.
MEDER: Das sind letztendlich die Poweruser, die sowohl die Digitalisierungsmitarbeiter mit Informationen durch Prozesskenntnisse versorgen und gleichzeitig in die andere Richtung als Multiplikatoren wirken.
KOVAC: Ganz wichtig ist dabei, dass die Poweruser uns mit ihrer Fachkompetenz in den Arbeitsgruppen unterstützen und sie hinterher als Schnittstelle in ihrem Fachbereich fungieren. Dadurch vermeiden wir negativen und halbwahren „Flurfunk“ und können uns viel besser abstimmen, um neue Informationen einheitlich ins Haus zu tragen.
MEDER: Wir wissen, dass es nicht immer nur Spaß macht in so ein Digitalisierungsprojekt eingebunden zu sein. Es ist einfach auch viel Arbeit und das haben wir vor Augen und deswegen versuchen wir die Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Ich glaube wichtig ist, dass man möglichst viel Verantwortung für den Erfolg des Projektes in die Hände der Mitarbeiter legt. Damit jeder Mitarbeiter seine Erfolgserlebnisse aus diesem Prozess ziehen kann. Wichtig ist auch, dass die Mitarbeiter eine Möglichkeit haben in unsere Richtung zu kommunizieren.
KOVAC: Wir binden auch die Führungskräfte in unsere Digitalisierungsprojekte mit ein. Sie sollen ihren Mitarbeitern zum Beispiel Freiräume geben oder auch die Veränderung antreiben, indem sie den neuen Prozess fordern. Führungskräfte sollen fordern und fördern – sie fordern die Umsetzung und fördern durch Bereitstellung von Ressourcen, damit der neue Prozess umgesetzt wird.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Einführung von neuen Prozessen?
KOVAC: Das ist unterschiedlich und hängt von den Rahmenbedingungen ab: Wie groß ist der Bedarf einer Prozessoptimierung oder Schaffung eines neuen Services? Ist das Budget vorhanden? Wie gehen wir mit den Mitarbeitern um? Gibt es datenschutzrechtliche Aspekte, die zu beachten sind? Haben wir ausreichend Ressourcen?
MEDER: Eine gründliche Bedarfsanalyse im Vorfeld und die Prüfung von Alternativen für neue Produkte ist sehr wichtig - gerade in einer Organisation, die so gleichförmig ist wie wir. Aber das ist in vielen Bereichen so: Wenn man die Vorbereitungsarbeit gewissenhaft macht, dann läuft es am Ende besser.
Wie hat die Pandemie die Digitalisierung in der IHK beeinflusst?
KOVAC: Unsere Prioritätenliste wurde durcheinander gerüttelt und neu aufgestellt. Projekte, die für später geplant waren, mussten nach vorne gezogen werden wie zum Beispiel Online-Besprechungen mit Microsoft Teams oder die Hardware-Ausstattung für das Arbeiten im Homeoffice.
MEDER: Durch die Pandemie hatten wir die Chance, bestimmte Digitalisierungsprojekte zu beschleunigen. Die Ausstattung der Mitarbeiter mit Notebooks würde ich zwar nicht als Digitalisierungsprojekt bezeichnen, aber es hat geholfen, alles etwas mehr zu digitalisieren. Gerade in dieser Ausnahmesituation, in der man schnell handeln musste, hat es mir gut gefallen, dass wir in abteilungsübergreifenden Teams sehr eng zusammengearbeitet haben. Wir haben wirklich gute Lösungen gefunden. Eine Bestätigung für uns war, dass Teilnehmer unserer virtuellen Veranstaltungen gefragt haben, mit welchen Dienstleistern wir zusammenarbeiten. Hier konnten wir immer antworten, dass wir unser eigener Dienstleister sind. Es macht mich stolz, dass meine Mitarbeiter so flexibel sind.
ZANFINO: Wir hätten viele Dinge nicht so schnell und mit so wenig „Gegenwehr“ umsetzen können. Das ist nicht im negativen Sinne gemeint - man hätte die Kollegen aber einfach viel mehr an die Hand nehmen müssen und ihnen viel mehr erklären müssen. Wir mussten alle schnell umdenken und die Mitarbeiter waren bereit.
Welche Tipps können Sie Unternehmern geben, die sich im Bereich Digitalisierung verbessern möchten?
KOVAC: Mitarbeiter und Führungskräfte sollten in die Digitalisierungsprozesse eingebunden werden und transparent informiert werden. Entscheidungen müssen von Führungskräften vorgelebt und von Mitarbeitern gefordert werden.
MEDER: Die Gretchenfrage ist, wie ich eine treibende Kraft in eine ziehende Kraft umwandeln kann. Das gelingt, wenn ich für jeden Mitarbeiter die Frage beantworten kann, „Was ist für mich drin?“. Wenn ich es schaffe darauf eine plausible Antwort zu geben, dann muss ich nicht mehr schieben sondern dann wird gezogen. Man sollte darauf achten, dass ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um die angestoßenen Projekte auch zeitnah zu Ende zu bringen. Denn die beste Projektidee ist nichts wert, wenn es am Ende nicht zum Abschluss kommt. Das versuchen wir immer im Auge zu behalten. Wir achten immer drauf, wer mit eingebunden ist, wer im Haus betroffen ist und wieviel Projektarbeit jeder Mitarbeiter neben seinem Tagesgeschäft noch leisten kann.
Das Interview führten Christoph Jung und Tobias Quoika, IHK Wiesbaden