Standortpolitik

Folgen des Ukraine-Krieges treffen regionale Wirtschaft in ganzer Breite

Die Auswirkungen der Invasion Russlands in die Ukraine bekam die Wirtschaft in der IHK-Region Ulm in ihrer ganzen Breite zu spüren. In allen Branchen gab die Mehrheit der Unternehmen an, negativ betroffen zu sein. Im gesamtwirtschaftlichen Schnitt wurden die Geschäfte von drei Viertel der hiesigen Unternehmen vom Krieg und seinen Auswirkungen beeinträchtig. Das ergab die IHK-Blitzumfrage zu den Auswirkungen der Invasion Russlands in die Ukraine auf die hiesige Wirtschaft, an der sich 354 Unternehmen aller Größen und Branchen aus der IHK-Region Ulm beteiligten.
Zehn Prozent der Unternehmen waren aufgrund ihres direkten Engagements in der Ukraine oder in Russland oder durch den Verlust von Kunden und Lieferanten direkt betroffen. In der Industrie waren es doppelt so viele. Über steigende Energie- und Rohstoffpreise, gestörte Lieferketten und Warenengpässe fühlen sich fast zwei Drittel der Unternehmen indirekt betroffen. Lediglich ein Viertel der Betriebe spürte im Frühjahr keine nennenswerten Auswirkungen auf die eigenen Geschäfte durch den Krieg und die Sanktionen.
Laut der IHK-Konjunkturumfrage hatte die regionale Wirtschaft zu Beginn des Jahres 2022 noch mit einer baldigen Belebung. Mit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine sind die ursprünglichen Erwartungen jedoch hinfällig geworden. Mit zunehmender Dauer des Krieges und mit jeder Verschärfung der Sanktionen ist die Betroffenheit der hiesigen Wirtschaft gewachsen. Der ersehnte Aufschwung ist in immer weitere Ferne gerückt. Trotz der schmerzlichen Einbußen äußerte die Wirtschaft jedoch kaum Kritik an den bislang verhängten Sanktionen. Im Gegenteil hatten sich einige Unternehmen in der IHK-Blitzumfrage sogar für noch härtere Sanktionen ausgesprochen. So schreibt ein Unternehmen: „Klare Linie gegen Krieg und keine halbherzigen Sanktionen - auch wenn es uns jetzt schmerzt. Ein Dauerproblem oder gar die Ausweitung des Krieges durch weiteres Zögern schafft größere Probleme.“

Vor allem gestiegene Energiepreise belasten

Die häufigste Folge des Krieges und der Sanktionen sind höhere Energiepreise: 87 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sie hierdurch zusätzlich belastet worden sind. Im Einzelhandel, im Verkehrsgewerbe sowie in der Industrie klagten dabei überdurchschnittlich viele Betriebe darüber. Die bereits durch die Folgen der Pandemie gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Vorleistungen haben bei knapp zwei Drittel der Unternehmen durch die aktuelle Situation weiter zugenommen – ebenso wie die Störungen der bereits angeschlagenen Lieferketten (56 Prozent). Knapp die Hälfte der Betriebe (46 Prozent) haben von fehlenden Rohstoffen und Vorprodukten für die Produktion berichtet. Bei knapp einem Viertel der Befragten (23 Prozent) kam es bereits zu Produktionsausfällen. Jedes zehnte Unternehmen brachte das in eine deutlich schlechtere Finanzlage bis hin zur Insolvenzgefahr. Einen Verlust von Geschäftspartnern, eine erhöhte Rechtsunsicherheit, eine Zunahme von Handelshemmnissen sowie Hindernisse im Zahlungsverkehr meldeten vor allem direkt von Krieg und Sanktionen betroffene Unternehmen.
Bereits vor dem Krieg hatte über die Hälfte aller Unternehmen in steigenden Energiekosten ein Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung gesehen (IHK-Konjunkturumfrage, Jahresbeginn 2022). Die durch Krieg und Sanktionen zusätzliche Verteuerung von Strom, Gas und Treibstoffen traf die Wirtschaft daher mit voller Wucht.  Zahlreiche Unternehmen haben im Rahmen der IHK-Blitzumfrage daher auch auf eine Entlastung durch die Politik gedrängt.
Die Forderung vieler Unternehmen in dieser Blitzbefragung nach Entlastungen aufgrund der massiv gestiegenen Energiekosten ist in die politische Arbeit der IHK-Organisation eingeflossen. Nach der Kurzumfrage von Mitte März hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen wie eine temporäre Senkung der Energiesteuer auf den Weg gebracht und Liquiditätshilfen sowie Energiekostenzuschüsse für besonders betroffene Unternehmen in Aussicht gestellt.
Die Unternehmen wollten auf die zunehmenden Widrigkeiten in vielfältiger Weise reagieren: Knapp zwei Drittel von ihnen versuchen die steigenden Energie- und Rohstoffkosten über höhere Absatzpreise an ihre Kunden weiter zu reichen. 32 Prozent der Betriebe plant die Verschiebung oder Streichung von Investitionen, um ihre Liquidität auf einem krisenfesten Niveau zu halten. 31 Prozent wollen Rohstoff- und Vorproduktengpässen mit einer erhöhten Lagerhaltung begegnen. Gut jedes fünfte Unternehmen sieht sich zu Personalanpassungen gezwungen. 18 Prozent planen sich durch verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen. 17 Prozent der Betriebe suchen neue Lieferanten. 15 Prozent planen dagegen vorerst keine besonderen Maßnahmen.