Konjunktur im Herbst 2023 in der IHK-Region Ulm

Unternehmen senken ihre Daumen noch tiefer

In der aktuellen Situation treffen die schwächelnde Weltwirtschaft, gewaltsam ausgetragene geopolitische Konflikte sowie Strukturprobleme (Fachkräftemangel, Bürokratie, nicht konkurrenzfähige Energiepreise) aufeinander, die zusammen den Abwärtstrend der hiesigen Wirtschaft beschleunigen. Während zu Beginn des Jahres noch jedes zweite Unternehmen den Daumen hob, bezeichnet aktuell nur noch ein gutes Drittel seine aktuelle Lage als gut. Der Anteil der Betriebe, deren Geschäfte schlecht laufen, hat sich auf über 23 Prozent nahezu verdoppelt. Die Hoffnung auf eine Belebung der regionalen Wirtschaft hat sich im Laufe des Jahres 2023 somit nicht erfüllt.
Die hohe Inflation zehrt trotz gestiegener Löhne an der Kaufkraft der Verbraucher. Die mehrfach angehobenen Leitzinsen bremsen den kreditfinanzierten Konsum. Folglich spüren über drei Viertel der Einzelhändler eine hohe Kaufzurückhaltung. Stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten haben den privaten Wohnungsbau einbrechen lassen. Die schwächelnde Weltkonjunktur macht der Industrie zusätzlich zu schaffen. Unter dieser Entwicklung leidet auch der Großhandel. Lediglich die Dienstleister konnten sich bislang erfolgreich behaupten.

Auftragseingänge im Rückwärtsgang

Anzeichen für eine baldige Trendumkehr erkennt die regionale Wirtschaft derzeit nicht. Weder aus dem In- noch aus dem Ausland kommen derzeit nennenswerte Impulse. In der Industrie dämpft die nachlassende Investitionsbereitschaft die Nachfrage zusätzlich. So kann nur noch jedes zehnte Industrieunternehmen steigende Inlandsaufträge verbuchen. Jeder zweite Betrieb meldet eine schrumpfende Nachfrage.
Aus dem Ausland kommt auch keine frische Brise. Die Exporterwartungen haben sich gegenüber dem Frühjahr deutlich eingetrübt, insbesondere in der Industrie. Lediglich die Absatzmöglichkeiten In Bezug auf die Eurozone herrscht leichte Skepsis, gegenüber dem restlichen Europa ist sie sogar noch ausgeprägter. Die im Frühjahr gehegte Hoffnung auf eine Belebung der Nachfrage aus Asien, ist jetzt für die meisten Betriebe kein Thema mehr. Lediglich die Absatzmöglichkeiten in Nordamerika werden weiterhin von etwas mehr Industrieunternehmen positiv als negativ gesehen.
Zusammen mit anhaltender Risiken und des Ausbleibens klarer politischer Vorgaben bleibt die Verunsicherung somit groß. Die regionale Wirtschaft blickt daher skeptisch nach vorn.

Risiken bleiben bestehen

Die verbreitete Skepsis beruht zudem auf den unverändert hohen Risiken, denen sich die meisten Unternehmen ausgesetzt sehen. Der Fachkräftemangel verliert zwar auf hohem Niveau etwas an Bedeutung, bleibt jedoch das am häufigsten genannte Geschäftsrisiko und damit ein Wachstumshemmnis. Die steigenden Arbeitskosten belasten immer mehr Unternehmen. Der Anteil der Dienstleister, die die Arbeitskosten als Risiko betrachten, ist mit 57 Prozent auf ein Allzeithoch gestiegen. In der Industrie sehen sogar fast zwei Drittel der Betriebe in den Arbeitskosten ein Risiko (der zweihöchste je gemessene Wert).
Die Bedeutung der Energiekosten als Geschäftsrisiko nimmt weiter ab. Sie sind in Deutschland im internationalen Vergleich jedoch immer noch viel zu hoch und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen. Auch die Inlandsnachfrage bereitet wieder mehr Betrieben Sorgen. Diese werden für ein Viertel der Unternehmen durch die zunehmenden geopolitischen Spannungen noch verstärkt.

Finanzsituation vorerst stabil

Trotz abflauender Konjunktur bewerten wie zuvor fast zwei Drittel der Unternehmen ihre aktuelle Finanzlage als unproblematisch. Jedoch ist der Anteil der Betriebe, die in ihrer Finanzierung als Geschäftsrisiko sehen, von 14 Prozent im Frühjahr auf 20 Prozent gestiegen. In der Industrie sowie im Großhandel befindet er sich mit 23 bzw. 28 Prozent auf einem Allzeithoch.
Im Schnitt aller Branchen melden derzeit 19 Prozent der Unternehmen Eigenkapitalrückgänge, 13 Prozent Liquiditätsengpässe und elf Prozent einen erschwerten Zugang zu Fremdkapital.

Fehlende Planungssicherheit bremst Investitionen

Fast vier von zehn Unternehmen bewerten die Wirtschaftspolitik als Risiko für ihre Geschäfte, im Frühjahr taten dies nur 28 Prozent. Der Indikator klettert damit deutlich über den langjährigen Durchschnitt und auf den höchsten Stand seit sieben Jahren. Angesichts der unumgänglichen Transformationsprozesse benötigen die Unternehmen klare Vorgaben und eine verlässliche Standortperspektive. Stattdessen schürt der permanente Streit innerhalb der Bundesregierung die Verunsicherung der Betriebe.
Dank stabiler Finanzen stünden viele Unternehmen in den Startlöchern, um ihre Transformation über Investitionen in die Effizienz, Digitalisierung und Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse voranzubringen. Ohne die Gewissheit, dass die da-für notwendige Infrastruktur sowie „grüne“ Energieträger in ausreichendem Maße und zu international konkurrenzfähigen Preisen zur Verfügung stehen werden, können Sie jedoch nicht loslegen. Hinzu kommt, dass bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungsverfahren immer mehr Betriebe an der Zukunftsfähigkeit ihrer hiesigen Standorte zweifeln lassen. In der Folge befindet sich die Bereitschaft, in Deutschland zu investieren, im Rückwärtsgang. Der Indikator für Inlandsinvestitionen, der die Differenz zwischen steigenden und fallenden Investitionsbudgets misst, ist von 18 Punkten im Frühjahr auf aktuell 2 Punkte gesunken. Der Indikator für Inlandsinvestitionen fällt damit unter sein langjähriges Mittel, das inländische Investitionsgeschehen fällt somit als Impulsgeber für die Konjunktur aus.
Das zeigt auch der Blick auf die Investitionsmotive. Notwendige Ersatzinvestitionen wollen die Unternehmen in zunehmendem Maße für Innovationen und Rationalisierung nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Zahl der Betriebe, die auf die Digitalisierung sowie Investitionen in den Umweltschutz bzw. die Energieeffizienz setzen, ist dagegen zurückgegangen. In die Erweiterung der Kapazitäten wollen nur noch knapp 16 Prozent der Betriebe investieren, noch geringer war dieser Anteil nur während der Coronakrise im Herbst 2020 sowie während der globalen Finanzmarktkrise (2009/2010).

Arbeitslosigkeit steigt leicht

Der konjunkturelle Abwärtstrend schlägt sich zunehmend auch auf dem Arbeitsmarkt in der IHK-Region Ulm nieder. Die Arbeitslosenquote lag im September 2023 zwar immer noch bei 3,0 Prozent und damit immer noch auf hervorragendem Niveau - die IHK-Region Ulm bleibt damit weiterhin die IHK-Region mit der geringsten Arbeitslosigkeit in Deutschland - ein Jahr zuvor lag sie aber noch bei 2,6 Prozent.
Viertel der Unternehmen plant, Personal abzubauen, nur jeder zehnte Betrieb schafft zusätzliche Stellen. Trotzdem bleiben Fachkräfte knapp. 56 Prozent der Betriebe haben derzeit offene Stellen, die sie nicht besetzen können. Vor allem suchen Sie vergeblich nach Fachkräften mit Berufsausbildung. Deshalb wollen fast zwei Drittel der Unternehmen trotz aller Skepsis ihre Arbeitskräfte halten. Die Arbeitslosigkeit dürfte deshalb nur wenig zunehmen.

Fazit: Rezession kaum vermeidbar

Die Stimmung in der regionalen Wirtschaft bleibt weiterhin gedrückt. Der Anteil der Betriebe, die Rückschläge befürchten, ist gegenüber dem Frühjahr von 25 auf 30 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Optimisten ist leicht gestiegen, von 14 auf 18 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen rechnet mit gleichbleibenden Geschäften.
Die regionale Wirtschaft geht somit tendenziell von einer Fortsetzung der Abwärtstendenz aus. In Kombination mit der kräftig zurückgegangenen Lagebewertung deutet die anhaltend skeptische Stimmung darauf hin, dass mit einer rezessiven Entwicklung für die nächsten Monate zu rechnen ist.

Die Konjunktur in den Branchen:

 Der IHK-Konjunkturklimaindex (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 191 KB) spiegelt das Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturellen Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, verschlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung.
IHK-Saldenindikatoren (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 207 KB) werden als Saldo der positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen -100 und +100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten.
IHK-Konjunkturboard: Interaktives brandneues Dashboard zur grafischen Analyse der Ergebnisse der Konjunkturumfragen der IHKs in Baden-Württemberg für Branchen und IHK-Regionen anhand von Indikatoren.
Zum Ausweis der Arbeitslosenquote wird im Konjunkturbericht der IHK Ulm auf die Daten der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen. Die zugrundeliegende Berechnungsmethodik beruht auf dem Verhältnis der Arbeitslosen zu allen zivilen Erwerbspersonen.
Der Konjunkturbericht der IHK Ulm erscheint tertialsweise. Der aktuelle Bericht basiert auf der Umfrage zum 2. Tertial 2023. Von über 38.000 Mitgliedern der IHK Ulm wurde ein repräsentativer Ausschnitt von 365 Unternehmen befragt, von denen sich 139 (38,1 Prozent) an der Umfrage beteiligten.
Anmerkung: Die IHKs in Baden-Württemberg haben zum Jahr 2007 den Modus für ihre Konjunkturumfragen umgestellt. Statt vier Umfragen werden nun nur noch drei Umfragen jährlich durchgeführt.