Industriekonjunktur, Herbst 2023

Der Industrie geht die Luft aus

Im vergangenen Jahr haben Lieferengpässe und Lieferkettenunterbrechungen die hiesige Industrie trotz guter Auftragslage erheblich gebremst. Diese Hemmnisse haben seitdem kontinuierlich an Bedeutung verloren, aktuell sieht nur noch ein Viertel der Betriebe in den Lieferketten ein Risiko, nahezu nur noch halb so viele wie im Frühjahr. Allerdings macht sich zunehmend die Abkühlung der Weltkonjunktur bemerkbar. Auch die Inlandsnachfrage wird Zusehens schwächer. Der Abwärtstrend im Auftragseingang hat sich verfestigt. Die zwischenzeitliche Hoffnung auf eine Belebung des Geschäfts im Laufe dieses Jahres haben sich nicht erfüllt.
Die Nachfrage nach Industriewaren in wichtigen Absatzmärkten bleibt schwach. Lediglich die Geschäfte mit Nordamerika sollten auf gutem Niveau weiterlaufen. Inzwischen schlägt die zurückgehende Nachfrage auf die Umsatzentwicklung in der Industrie durch. Während zu Beginn des Jahres die Erlöse sprudelten, stagnierten sie im Frühjahr auf hohem Niveau. Im Herbst befinden sich die Umsätze dagegen auf Schrumpfkurs. Nur noch 20 Prozent der Industrieunternehmen melden gestiegene Umsätze, 47 Prozent setzten weniger ab, also fast jeder zweite Betrieb.

Heftiger Lageeinbruch

Sinkende Umsätze bei anhaltend hohen Kosten (Energie, Arbeit) nagen kräftig an den Erträgen. Entsprechend hat die Zufriedenheit der regionalen Industrie mit ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation drastisch abgenommen. Gut geht es nur noch 24 Prozent der Betriebe, knapp halb so vielen wie noch im Frühjahr. Als schlecht bewertet derzeit ein Drittel der Unternehmen ihre Lage, im Frühjahr taten dies erst 13 Prozent. Somit ist der Lageindikator (Differenz zwischen positiven und negativen Lageeinschätzungen) um über 40 Punkte auf minus neun Punkte abgestürzt. Nur zu Beginn der Corona-Krise (2020) und der Weltfinanzkrise (2008) fiel die Lagekorrektur noch etwas heftiger aus.
Die Industrie sieht sich neben der Nachfrageflaute vor allem mit großen strukturellen Veränderungen konfrontiert. Vor allem die unumgängliche Dekarbonisierung und die damit verbundene Neuausrichtung von Wertschöpfungsketten sorgt angesichts unklarer politischer Vorgaben und Pläne für große Verunsicherung. Vier von zehn Industrieunternehmen sehen in der Wirtschaftspolitik ein Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung, ein Anstieg um 17 Prozentpunkte gegenüber dem Frühjahr. Die im internationalen Vergleich in Deutschland weiterhin zu hohen Energiepreise gefährden die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industriebetriebe, nicht nur die energieintensiven. Wer kann, investiert immer häufiger in ausländische Standorte, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dieser Trend wird sich noch verstärken, wenn nicht verlässlich klar wird, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion sowie der Leitungsnetze hinreichend schnell vorankommt, um den im Transformationsprozess steigenden Bedarf der Industrie an erneuerbarer Energie zu konkurrenzfähigen Preisen zu decken. Die fehlende Planungssicherheit, könnte sich ansonsten als Hemmschuh für die Transformation.
Das zeigt sich bereits an den industriellen Plänen für Investitionen in Deutschland. Anstatt ihre Investitionsbudgets für den Transformationsprozess auszuweiten, hält sich die Industrie zunehmend zurück. Die Zahl der Betriebe, die ihre Investitionsaktivitäten im Inland in den nächsten zwölf Monaten ausweiten wollen, ist seit dem Frühjahr von 40 auf 29 Prozent zurückgegangen. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Investitionsbudgets gekürzt haben, ist von 14 auf 21 Prozent gestiegen. Stärker als üblich dominiert dabei der Ersatzbedarf die Investitionsmotive. An Bedeutung gewonnen hat auch das Motiv Produkt- und Verfahrensinnovation. Alle anderen Motive, wie die Rationalisierung, die Digitalisierung sowie der Umweltschutz finden derzeit deutlich weniger Zuspruch als zuvor.

Noch kein Licht am Ende des Tunnels

Die hiesige Industrie rechnet nicht mit einer baldigen Trendumkehr. Weder aus dem Ausland – bei den Exportwartungen überwiegen die Pessimisten (37 Prozent) die Optimisten (17 Prozent) – noch aus dem Inland werden spürbare Impulse erwartet.
Der Blick nach vorn bleibt folglich weiterhin von Skepsis geprägt. Ein Drittel der Industrieunternehmen erwartet eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. Im Frühjahr war erst ein Viertel pessimistisch. Damit bleiben mehr Betriebe skeptisch als zuversichtlich, auch wenn erfreulicherweise der Anteil der Optimisten von 8 auch 21 Prozent gestiegen ist. Mit einem erneuten heftigen Einbruch ihrer Geschäfte rechnet die hiesige Industrie somit zumindest nicht. Das ist gewissermaßen beruhigend, aber noch kein Licht am Ende des Tunnels.
Das bestätigen auch die Beschäftigungspläne der Industrie. Nur noch sechs Prozent der Unternehmen wollen zusätzliches Personal einstellen, 35 Prozent planen dagegen eine Verkleinerung der Zahl ihrer Mitarbeitenden. Die Kernbelegschaft soll angesichts des akuten Fachkräftemangels weiterhin gehalten werden. Denn vor allem beruflich aus- und fortgebildete Fachleute sind Mangelware. 58 Prozent der Betriebe klagen über nicht besetztbare offene Stellen.