Recht und Steuern

Bekämpfung von Produktpiraterie in China

Bislang konnten es sich meist nur Großkonzerne leisten, in China gegen die Verletzung von Patenten und anderen Schutzrechten vorzugehen. Heute steht dieser Weg auch mittelständischen Unternehmen offen. Das liegt zum einen daran, dass die Pionierarbeit der Konzerne in China neue Dienstleistungsangebote entstehen ließ. Diese ermöglichen es heute, Produktpiraten in China effektiver und kostengünstiger zu verfolgen als bisher. Ein erfreulicher Fortschritt, da ein Vorgehen gegen chinesische Produzenten weit wirksamer ist als die bloße Verfolgung von Händlern und Importeuren innerhalb der EU.
Diese Entwicklung beruht zum anderen darauf, dass der Kampf gegen Produktpiraten in den letzten Jahren zu einem chinesischen Anliegen geworden ist. Heute melden chinesische Unternehmen 80 % der Patente in China an, Ausländer 20 %. Inzwischen führen Chinesen 90 % der Prozesse um die Verletzung von Schutzrechten untereinander, Ausländer und Chinesen nur 10 %. In mehr als 50 Städten Chinas wurden Gerichte mit Spezialkammern für Schutzrechtsverletzungen eingerichtet. Zudem wurden neue Arten von Polizeibehörden geschaffen, die die Produktpiraterie bekämpfen und jährlich rund 100.000 Fälle verfolgen. Diese Umstände lassen erkennen, dass die Zeiten der Lippenbekenntnisse vorbei ist. Chinesische Behörden können und wollen heutzutage gegen Produktpiraterie vorgehen.

1 . Erwerb von Schutzrechten in China

Die Anmeldung von Schutzrechten in China dient zwei Zielen. Einerseits sind sie Voraussetzung für das Vorgehen gegen Produktpiraten. Andererseits werden in China zunehmend missbräuchlich Schutzrechte für geistiges Eigentum westlicher Unternehmen angemeldet. Oft sind chinesische Geschäfts- oder Verhandlungspartner die Täter. Solche Schutzrechte werden später genutzt, um westliche Unternehmen mit Klagen und Beschlagnahmen zu erpressen, wenn diese ihre Produkte in China fertigen oder vertreiben möchten. Der effektivste Schutz hiergegen ist, schneller anzumelden. Die Kosten für den Aufbau eines Schutzrechtsportfolios hängen stark davon ab, über wen man die Anmeldungen in China vornehmen lässt.

2. Rasches Aufspüren von Nachahmungen

Deutsche Unternehmen sollten chinesischen Produktpiraten weder Zeit noch Gelegenheit lassen, sich Märkte für ihre Plagiate zu suchen. Sobald Informationen über lukratives geistiges Eigentum nach China gelangen können, muss die Beschaffung von Informationen über Plagiate beginnen. Denn Produktpiraten arbeiten sehr schnell. Wenn der deutsche Vertrieb von Nachbauten erfährt, ist das Kind meist schon in den Brunnen gefallen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Kopien auf Messen und im Internet angeboten, Nachfrage umgelenkt, das Preisniveau abgesenkt und der Ruf des Originals beschädigt. Wir empfehlen daher, frühzeitig Dienstleister damit zu beauftragen, alle formellen und informellen Wege zu nutzen, um in China Informationen über das Angebot von Plagiaten zu beschaffen.

3. Drei Verfolgungsinstrumente

Gegen Herstellung und Vertrieb von Plagiaten kann in China auf drei Wegen vorgegangen werden: Durch Einschaltung von Polizeibehörden, durch Gerichte und mittels (Ausfuhr-) Grenzbeschlagnahme. Die Entscheidung für einen oder mehrere dieser Wege hängt von dem betroffenen Schutzrecht, dem Produkt, der Art der Produktionsstätten und den Vertriebswegen ab.
Mehr als 90 % der Betroffenen entscheiden sich, einen Produktionsstop durch Polizeibehörden herbeiführen zu lassen. Hierfür stellen sie einen Antrag bei einer der für Produktpiraterie zuständigen Behörden. Diesem fügen sie Beweise für die Schutzrechtsverletzung bei und können kurz darauf miterleben, wie Beamte das Firmengelände des Nachahmers durchsuchen. Wird Belastendes gefunden, werden die Produktion geschlossen und die Plagiate beschlagnahmt. Für den Erfolg eines solchen Vorgehens ist entscheidend, dem Antrag die richtigen Beweismittel beizufügen und die effizienteste der zuständigen Behörden auszuwählen. Gut vorbereitet ist dieses Vorgehen nicht nur schnell, sondern mit Kosten von wenigen Tausend Euro auch sehr preiswert. Bei den Dienstleistern, die solche Verfahren durchführen, gibt es allerdings große Preisunterschiede.
Chinesische Gerichte sind effektiver, als oft vermutet wird. So ist in China eine einstweilige Verfügung innerhalb von 48 Stunden zu bekommen, auf Messen auch schneller. Gerichte mit Spezialkammern für gewerblichen Rechtsschutz befinden sich in allen Provinzhauptstädten Chinas und gewährleisten ein erhebliches Maß an Professionalität. Die Verfahren sind schnell: Die erste Instanz dauert 6 - 12 Monate, die zweite 3 – 12 Monate. Gerichte sprechen Schadensersatz zu und verhandeln auch komplizierte Fälle, für die polizeiliche Verfahren ungeeignet sind. Die zur Zeit wohl kompetentesten Gerichte befinden sich in Peking, Schanghai, Kanton, Shenzhen, Hangzhou, Wenzhou, Xiamen, Donguan und Ningbo. Es trifft sich daher gut, dass es auch in China möglich ist, die Wahl des zuständigen Gerichtes zu steuern. Die Prozesskosten betragen in Abhängigkeit von den gewählten Dienstleistern etwa das Dreifache des polizeilichen Verfahrens, das sind ab 6.000 Euro für die erste Instanz.
Das chinesische (Ausfuhr-) Grenzbeschlagnahmeverfahren ist ebenfalls ein sehr effektiver Weg, um den Export von Plagiaten zu verhindern. Ein Antrag sorgt dafür, dass der chinesische Zoll vor der Ausfuhr prüft, ob die versandfertige Ware gegen chinesische Schutzrechte verstößt. Liegt ein solcher Verdacht vor, wird die Sendung beschlagnahmt und der Antragsteller informiert. Mit der Antragstellung allein ist es jedoch nicht getan. Vielmehr bedarf es eines („mietbaren”) Netzwerkes von chinesischen Gewährsleuten, die durch laufenden Kontakt zum Zoll sicherstellen, dass die Beamten sich immer wieder an den Antrag erinnern und sich bemühen, nach Plagiaten Ausschau zu halten.

4. Verträge mit Chinesen – kein Ruhekissen

Viele westliche Unternehmen hoffen, durch ihre Verträge mit chinesischen Partnern gegen Geheimnisverrat und vertragswidrigen Nachbau abgesichert zu sein. Meist beurteilen sie den Wert der Verträge nach europäischen Maßstäben. Spezielle Risiken bleiben dabei außer Betracht. Zu diesen gehört, dass die Wahl nicht-chinesischen Rechts für Verträge mit chinesischen Unternehmen unwirksam sein kann. Zudem können chinesische Gerichte Klagen auch dann zulassen, wenn der Vertrag ausländische Gerichte vorsieht. Hinzu kommt, dass Urteile ausländischer Gerichte in China kaum zu vollstrecken sind. Die sich hieraus ergebenden Gefahren können jedoch deutlich reduziert werden. Voraussetzung dafür ist, Verträge mit Chinesen durch chinesische Anwälte prüfen zu lassen. Das ist schnell und ohne großen Aufwand möglich. Es lassen sich die Verträge dann so gestalten, dass chinesische Vertragspartner ein Verfahren im Ausland oder die Vollstreckung des Spruches in China nur schwer verhindern können.

5. Zusammenfassung

In China ist ein wirksames Vorgehen gegen Produktpiraten möglich. Die Kosten dafür sind durch Auswahl der Vorgehensweise und der Dienstleister gut begrenzbar. Der Aufbau eines Schutzrechtsportfolios und das systematische Aufspüren von Plagiaten sind Voraussetzungen eines frühzeitigen und wirksamen Vorgehens in China. Chinesische Behörden und Gerichte arbeiten schnell und, wenn man die richtigen auswählt, sehr professionell. Selbst wenn nicht alle Produktpiraten aufgespürt werden, erwirbt man sich durch ein Vorgehen in China rasch den Ruf eines verfolgungsstarken Unternehmens. Dieser Ruf führt erfahrungsgemäß dazu, dass Plagiatoren zukünftig lieber die Produkte der Wettbewerber kopieren.
Dr. York-Gero v. Amsberg ist Rechtsanwalt und deutscher Repräsentant der Deheng Law Firm, einer der 20 größten chinesischen Rechtsanwaltskanzleien mit 200 Anwälten und Büros in Peking, Schanghai, Hongkong, Tsinan, Tsingtau und Seoul. Für Rückfragen ist der Autor erreichbar unter info@deheng.de Ref_Hlt136591247 oder 030 81820030.
Dr. York-Gero v. Amsberg
Stand: August 2009