Die zahlreichen Gäste aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Militär begrüßte Gerd Stiefel, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Neu-Ulm und stellvertreten der Präsident der IHK Schwaben, mit warmen Worten, betonte die gute Zusammenarbeit zwischen den Kammern, und das Wir-Gefühl, das die Wirtschaft über die Landesgrenze verbindet. Dass man auf beiden Seiten der Donau ähnliche Ziele verfolgt und sich gut versteht, zeigte sich an diesem Abend mehrfach: So forderten Jan Stefan Roell, Präsident der IHK Ulm, und Reinhold Braun, Präsident der IHK Schwaben, mehr Mut zur Reform und intensive Weichenstellungen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken.
Ulm als Drehscheibe der NATO
Wie zur Zeit des US-Militärs in Neu-Ulm, waren auch an diesem Abend im Oktober Uniformen im Wiley Club zu sehen. Denn Kernthema des Abends war eines, das aktuell die ganze Welt beschäftigt: Sicherheit und Verteidigung. Durch die Kaserne Wilhelmsburg sei das Militär zwar nach wie vor präsent in der Doppelstadt – doch so wirklich Bescheid wisse man trotzdem nicht, leitete Petra Engstler-Karrasch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ulm, einen weiteren Programmpunkt ein. Keynote-Speaker Generalleunant Kai Rohrschneider konnte das ändern. Er ist Befehlshaber der NATO-Kommandos in Ulm, des multinationalen Kommandos Operative Führung und des Joint Support and Enabling Comand – kurz JSEC.
Enablement – zu Deutsch: Ertüchtigung – sei die Kernaufgabe dieser Einheit. Das bedeute, die Verteidigungsfähigkeit herzustellen und die Gegebenheiten zu schaffen, die im Verteidigungsfall einen schnellen Aufmarsch ermöglichten. Nach wenigen Minuten ist klar: Rohrschneider ist ein Mensch, der das Kind beim Namen nennt. „Russland bedroht uns – das tun sie und das sagen sie auch ganz offen“, stellte er trocken fest. Das wahrscheinlichste Bedrohungsszenario sei, dass Russland den Bündiszusammenhalt der NATO austesten werde: „bildlich gesprochen: herausfinden will, ob wir auch für unsere Verbündeten sterben würden – oder nur für uns selbst“, verdeutlichte er. Und Russland zeige in der Ukraine der ganzen Welt, dass sie bereit seien, Blut zu zahlen.
Im engen Dialog: Militär und Wirtschaft
„Man denkt immer, am Ende werden es die Militärs lösen. Aber das wird nicht so sein“, stellt er klar. Verteidigung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn die Bedrohung betreffe ausnahmslos alle – auch die Wirtschaft, wie zunehmende Cyberangriffe auf Unternehmen aktuell deutlich machten. Auch die Verteidigung stütze sich auf zivile Leistungsträger – die Wirtschaft sei ein ganz essenzieller Teil davon.
Mehrfach betont Rohrschneider, dass Ehrlichkeit und ein enger, offener Austausch zwischen Militär und Wirtschaft wichtig seien. Die NATO suche in erster Linie den Dialog und eine Zusammenarbeit, die auf Verträgen fußt. Er ist aber auch gnadenlos ehrlich zu den anwesenden Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern: „Wenn es zu einem Krieg kommt, wird es unausweichlich sein, Ihre Leistungen einfach zu holen. Und das bereiten wir auch vor.“ Doch vorbereitet werden muss noch viel mehr – und das bedeutet umfangreiche Investitionen nach dem „Dual Use“-Prinzip – also Maßnahmen, die für das Militär, gleichzeitig aber auch für Wirtschaft und Gesellschaft einen Gewinn bedeuten. Die Diskussion auf der Bühne wurde anschließend auch am Buffet fortgesetzt und der Abend endete mit angeregten Gesprächen, die die Verbundenheit der Wirtschaftsräume Ulm und Neu-Ulm noch enger knüpften.