Konjunkturumfrage Baden-Württemberg Jahresbeginn 2025
Wirtschaft zweifelt an Kehrtwende
Die wirtschaftliche Erholung in Baden-Württemberg lässt weiterhin auf sich warten. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes lag 2023 mit 107,1 Punkten nahezu auf dem Niveau von 2018 (107,0 Punkte). Erste Schätzungen deuten darauf hin, dass auch 2024 keine signifikante Entwicklung zu verzeichnen war. Für 2025 prognostiziert die Landesbank Baden-Württemberg einen Rückgang des BIPs um 0,7 %. Damit gehört Baden-Württemberg zu den Schlusslichtern des deutschen Wirtschaftswachstums. Die zahlreichen Krisen der vergangenen Jahre haben zudem eine Vielzahl struktureller Probleme offengelegt, mit denen Deutschland und Baden-Württemberg noch lange zu kämpfen haben werden. Dazu zählen die hohen Energiekosten, die wegen der früheren Abhängigkeit von russischem Gas und unzureichender Alternativen im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig sind. Auch hausgemachte und vorhersehbare Probleme wie übermäßige Bürokratie und Fachkräftemangel bremsen das Wachstumspotenzial des Landes. Besonders Baden-Württemberg, mit seinem industriellen Schwerpunkt, ist von diesen vielfältigen Herausforderungen des Transformationsprozesses stark betroffen.
Neben diesen strukturellen Problemen kommt ein konjunktureller Aspekt hinzu: Die In- und Auslandsnachfrage ist derzeit sehr niedrig. Die Exportwirtschaft, die in der Vergangenheit als Konjunkturmotor galt, steht vor der Frage, ob sie weiterhin eine tragende Säule der baden-württembergischen Wirtschaft sein kann. Das bisherige Geschäftsmodell Deutschlands, bei dem die USA für Sicherheit sorgen und China deutsche Produkte kauft, ist nicht mehr zukunftsfähig. Unter der neuen US-Regierung wird von den Europäern mehr Eigenverantwortung in der Verteidigung erwartet, während deutsche und baden-württembergische Güter auf dem chinesischen Markt aufgrund günstigerer Alternativen immer weniger nachgefragt werden.
Deutschland und Baden-Württemberg benötigen dringend neue Strategien, um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren und den Industriestandort wettbewerbsfähig zu halten. Andernfalls droht eine Verlagerung der Wertschöpfung ins kostengünstigere Ausland.
IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg: Diese Analyse basiert auf der Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn 2025 der 12 IHKs in Baden-Württemberg, an der landesweit 3.679 Unternehmen zwischen dem 2. Januar 2025 und 21. Januar 2025 teilgenommen haben.
Zu Beginn des Jahres 2025 setzt sich die volatile Konjunktur fort. Der Lageindikator stieg im Vergleich zum Herbst 2024 um 4 Punkte. Etwa 29 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut, was einem Anstieg von 3 Prozentpunkten gegenüber der vorherigen Umfrage entspricht. Rund 23 Prozent der Unternehmen befinden sich weiterhin in einer schwierigen Geschäftslage.
Angesichts der strukturellen und konjunkturellen Herausforderungen bleibt der Indikator der Geschäftserwartungen bei –12 Punkten. Etwa 29 Prozent der Unternehmen erwarten eine Verschlechterung ihrer Geschäfte, während nur 16 Prozent von einer Verbesserung ausgehen.
Ein wirtschaftspolitischer Schlingerkurs und unattraktive Standortbedingungen führen dazu, dass baden-württembergische Unternehmen in den kommenden 12 Monaten weniger im Inland investieren möchten. Jedes dritte Unternehmen plant, die Inlandsinvestitionen zurückzufahren, während nur etwa 22 Prozent höhere Investitionen vorsehen.
Die schwächelnde Konjunktur macht sich allmählich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Nur 12 Prozent der Unternehmen erwarten eine steigende Beschäftigtenzahl, während etwa 27 Prozent von einem Rückgang ausgehen. In der Arbeitslosenquote wird dieser Trend durch den bereits bestehenden Fach- und Arbeitskräftemangel ausgebremst und ist deshalb nur bedingt sichtbar. Im Dezember 2024 lag die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg bei 4,3 %, was einem Anstieg um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Schwache Inlandsnachfrage bleibt Toprisiko
Die schwächelnde Inlandsnachfrage und das zurückhaltende Konsumverhalten der Haushalte stellen branchenübergreifend das größte Risiko für die Unternehmen in Baden-Württemberg dar. Zu Jahresbeginn sehen 65 Prozent der Unternehmen die Inlandsnachfrage als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung.
Zunehmender Kostendruck belastet zudem die Ertragslage der Unternehmen. Das Risiko hoher Arbeitskosten nimmt von Umfrage zu Umfrage weiter zu und hat mit 57 Prozent der Nennungen den Höchststand seit Einführung dieser Antwortoption erreicht. Vor allem der Fachkräftemangel und die Inflation üben Druck auf Löhne und Gehälter aus. Auch das Risiko hoher Energiekosten wird wieder häufiger genannt. Besonders Unternehmen der Industrie, Bauwirtschaft und des Gastgewerbes klagen über zu hohe Energiekosten. Für die Industrieunternehmen sind die hohen Kosten ein weiterer Faktor, der die Attraktivität des Standorts mindert.
Nach monatelanger Uneinigkeit innerhalb der Regierung, auch hinsichtlich der Wirtschaftspolitik, werden am 23. Februar 2025 Neuwahlen in Deutschland stattfinden. Bis dahin herrscht große Unsicherheit über die wirtschaftspolitische Ausrichtung der neuen Regierung. Auch Bürokratie und wegfallende Förderungen werden in den Freitextantworten häufig genannt. Derzeit sehen 44 Prozent der Unternehmen ein Risiko in den politischen Rahmenbedingungen.
Das Risiko des Fachkräftemangels ist angesichts der schwachen Konjunktur und der geringen Nachfrage eher in den Hintergrund gerückt. Viele Unternehmen sehen vorerst von Neuanstellungen ab.
Die Industrie im Tal der Tränen
Die Industrieunternehmen befinden sich in einer tiefen Krise, die sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Ursachen hat. Seit mehr als zwei Jahren bleibt die Nachfrage aus dem In- und Ausland aus. Insbesondere die Exportwirtschaft hat in den vergangenen Jahren wiederholt die baden-württembergische Industrie aus dem konjunkturellen Abschwung herausgeführt. Doch zunehmender Protektionismus und hohe Standortkosten, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, lassen die Hoffnung auf einen exportbedingten Aufschwung schnell verblassen. 30 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden 12 Monaten sinkende Exporte. Positive Exporterwartungen bestehen nur in Bezug auf Nordamerika sowie Süd- und Mittelamerika. Besonders die Exportaussichten nach Süd- und Mittelamerika haben sich aufgrund der Fortschritte beim Mercosur-Abkommen verbessert.
Trotz sinkender Zinsen kommt die Bauwirtschaft nicht in Schwung. Im vergangenen Jahr sorgten Auftragseingänge aus dem Straßen- und Tiefbau noch für positive Impulse, doch inzwischen bleiben diese aus. Jedes zweite Bauunternehmen beklagt eine gesunkene Bauproduktion, und 46 Prozent der Unternehmen melden einen Rückgang der Auftragseingänge. Zudem belasten hohe Energiepreise und Arbeitskosten die Ertragslage der Unternehmen. 29 Prozent der Unternehmen bewerten die Ertragslage als schlecht.
Der Groß- und Einzelhandel leidet weiterhin unter der Kaufkraftzurückhaltung der privaten Haushalte. Trotz des Weihnachtsgeschäfts im November und Dezember melden 60 Prozent der Einzelhändler, dass das Kaufverhalten der Kunden sehr zurückhaltend ist. Auch die schwache Industriekonjunktur wirkt sich negativ auf die Geschäftslage der Großhändler aus. Acht von zehn produktionsverbundenen Großhändlern sehen in der schwachen Inlandsnachfrage ein Geschäftsrisiko. Beim konsumnahen Großhandel sind es etwa 13 Prozentpunkte weniger, die dieses Risiko genannt haben.
Für die Unternehmen aus dem Hotel- und Gastgewerbe bleibt die Aussicht auf eine Erholung weiterhin getrübt. Derzeit meldet nur jedes vierte Unternehmen eine gute Geschäftslage, während etwa 23 Prozent eine schlechte Geschäftslage verzeichnen. Die Ertragslage wird von etwa jedem dritten Unternehmen als schlecht bewertet. Vor allem der hohe Kostendruck, unter anderem durch hohe Arbeitskosten, Energiekosten und Lebensmittelpreise, drückt den Ertrag. Nach den Krisenjahren während der Corona-Pandemie gab es für das Gastgewerbe kaum Zeit für eine finanzielle Erholung. Die Polster sind größtenteils aufgebraucht, und etwa 45 Prozent der Unternehmen melden einen Rückgang des Eigenkapitals.
Das Transport- und Verkehrsgewerbe in Baden-Württemberg startet mit einem kleinen Plus ins neue Jahr. Der Lageindikator steigt von 2 Punkten auf 12 Punkte. Die Benzin- und Spritkosten sind zum Jahresende hin etwas günstiger ausgefallen als erwartet. Die Ertragslage wird von etwa 26 Prozent der Unternehmen als positiv bewertet. Allerdings bleiben die Aussichten auf die Geschäftstätigkeit wegen der schwächelnden Industrie eher getrübt. Der Indikator sinkt von –18 Punkten auf –26 Punkte.
Die Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes, allen voran Beratungsunternehmen, melden derzeit eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Etwa 40 Prozent der Dienstleister befinden sich in einer guten wirtschaftlichen Situation, bei den Beratungsunternehmen ist es jedes zweite. Allerdings spüren auch einige Branchen im Dienstleistungssektor den konjunkturellen Durchhänger in der Industrie oder im Baugewerbe. Beispielsweise meldet jedes dritte Architektur- und Ingenieurbüro einen Rückgang beim Auftragseingang.