Die Abwärtsfahrt der Wirtschaft
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg steckt weiterhin in einer konjunkturellen Schwächephase. Während sich im Frühsommer noch leichte Erholungstendenzen abzeichneten, folgt nun ein deutlicher Rückschlag. Seit 2022 zeigt sich trotz zwischenzeitlicher Schwankungen ein klarer Negativtrend. Die Energiekrise und die damit verbundene Inflation haben die Kaufkraft vieler Haushalte erheblich geschmälert. Da die Reallöhne nur langsam steigen, bleibt der private Konsum weiterhin verhalten. Auch die Exportwirtschaft, traditionell ein Wachstumsmotor für Baden-Württemberg, leidet unter der restriktiven Handelspolitik der US-Regierung. Im Frühsommer drohten Zölle von bis zu 20 Prozent auf EU-Importe, teilweise sogar höhere. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die USA und die EU zwar auf ein Handelsabkommen, doch kritische Stimmen bemängeln die Ungleichheit: Für US-Importe in die EU fallen keine Zölle an, während EU-Exporte in die USA mit 15 Prozent belastet werden. Trotz dieser Unsicherheiten bieten die neuen Vereinbarungen zumindest eine gewisse Planungssicherheit für exportorientierte Unternehmen. Dennoch dämpft die erratische Handelspolitik die globale Konjunktur. Die Exportwirtschaft, die in den 2010er Jahren noch für Aufschwung sorgte, kann heute ohne offene Märkte kaum Wachstum generieren. Weshalb die baden-württembergische Wirtschaft sich neue Absatzmärkte erschließen und ihre Geschäftsmodelle anpassen muss.
Die gedämpfte Konjunktur zeigt sich deutlich im Rückgang des Lageindikators für die Gesamtwirtschaft in Baden-Württemberg: Er fällt von 4 auf 2 Punkte. Rund 26 Prozent der Unternehmen bewerten ihre wirtschaftliche Lage weiterhin als gut – ähnlich wie im Frühsommer. Allerdings ist der Anteil der Betriebe, die ihre Lage als schlecht einschätzen, um zwei Prozentpunkte auf 25 Prozent gestiegen.
IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg: Diese Analyse basiert auf der Konjunkturumfrage im Herbst 2025 der 12 IHKs in Baden-Württemberg, an der landesweit 3.664 Unternehmen zwischen dem 15. September 2025 und 2. Oktober 2025 teilgenommen haben.
Jedes dritte Unternehmen verzeichnet einen rückläufigen Auftragseingang. Die schwache Nachfrage im In- und Ausland führt zu einer pessimistischen Erwartungshaltung für die kommenden zwölf Monate. Der Geschäftserwartungsindikator bleibt – wie bereits im Frühsommer – bei minus 5 Punkten. Rund 19 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung, während 24 Prozent eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage erwarten.
Die seit Monaten schwache Auftragslage sowie unattraktive Standortbedingungen – etwa hohe Lohnstückkosten und steigende Energiekosten – bremsen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland. Nur rund 18 Prozent planen in den kommenden zwölf Monaten höhere Inlandsinvestitionen, während 27 Prozent weniger investieren wollen und 16 Prozent gar keine Investitionen vorsehen. Wenn investiert wird, dann vor allem in Ersatzbedarf (68 Prozent) und Digitalisierung (54 Prozent). Auffällig ist der deutliche Rückgang bei Expansion und Kapazitätserweiterung: Nur 17 Prozent nennen dies als Investitionsmotiv – neun Prozentpunkte weniger als im Zehnjahresdurchschnitt.
Die schwache Konjunktur wirkt sich zunehmend auch auf den Arbeitsmarkt aus. In den vergangenen Monaten kündigten viele Unternehmen Stellenabbau an – sowohl aufgrund der konjunkturellen Schwäche als auch im Zuge der Transformation. Ein ähnliches Bild zeigen die Beschäftigungspläne der Industrie, während einzelne Dienstleistungsbranchen noch positive Erwartungen verzeichnen. Der Beschäftigungsindikator für die Gesamtwirtschaft liegt weiterhin bei minus 17 Punkten. Nur 12 Prozent der Unternehmen rechnen mit steigenden Beschäftigtenzahlen, während 28 Prozent einen Rückgang erwarten. Die Arbeitslosenquote
Kein Vertrauensvorschuss für die neue Bundesregierung
Die Risiken für die Gesamtwirtschaft werden ähnlich häufig genannt wie im Frühsommer, auch die Rangfolge bleibt weitgehend unverändert. An erster Stelle steht weiterhin die schwache Inlandsnachfrage, die von rund 66 Prozent der Unternehmen als größtes Risiko gesehen wird – in nahezu allen Branchen.
Auf Platz zwei folgen die Arbeitskosten, die etwa 56 Prozent der Unternehmen als Risiko einschätzen. Besonders das Gastgewerbe und andere vom Mindestlohn betroffene Branchen nennen diesen Faktor häufig. Arbeitskosten gelten als zentraler Standortfaktor. Laut einer ifo-Studie zählt Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Lohnstückkosten im Euroraum – ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Auch die hohen Energiepreise bleiben ein strukturelles Problem: Mit 41 Prozent liegen sie deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 33 Prozent. Industrie, Baugewerbe und Gastgewerbe leiden besonders unter dem hohen Kostendruck.
Die schwache Konjunktur reduziert zudem die Nachfrage nach Fachkräften, vor allem in der Industrie. Nur noch 42 Prozent der Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als Risiko für die kommenden zwölf Monate. Bei der Herbstumfrage gaben 43 Prozent an, Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen mit Fachkräften zu haben – im Herbst 2024 war es noch jedes zweite Unternehmen. Rund 38 Prozent melden aktuell keinen Personalbedarf, fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Trotz der angekündigten „Herbst der Reformen“ bleibt die Skepsis gegenüber der Wirtschaftspolitik bestehen: Wie im Frühsommer sehen 38 Prozent der Unternehmen hierin ein Risiko. Und trotz Handelsabkommen blicken die Unternehmen weiterhin besorgt auf geopolitische Spannungen – rund 39 Prozent nennen dies als Risikofaktor.
Industrie in der Krise
Die Industrie in der Region Stuttgart steht derzeit besonders unter Druck. Nur 13 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut, während 42 Prozent sie als schlecht einschätzen. Hauptgründe sind die anhaltenden Zollkonflikte mit der US-Regierung sowie die seit drei Jahren schwache Binnennachfrage, die zu rückläufigen Aufträgen führt. Da die Exportwirtschaft traditionell ein zentraler Wachstumstreiber für die Industrie ist, bleiben die Aussichten ohne offene Märkte trüb. Zusätzlich stellt der tiefgreifende Transformationsprozess die Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen.
Das Sondervermögen für Infrastruktur sorgt im Baugewerbe für leichte Wachstumsimpulse, insbesondere im Straßen- und Tiefbau. Auch im privaten Wohnbau zeigt sich eine vorsichtig positive Entwicklung: Der Auftragseingang steigt, bleibt jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau. Der Lageindikator verbessert sich deutlich – von 5 auf 13 Punkte. Aktuell bewerten wieder 30 Prozent der Bauunternehmen ihre Geschäftslage als gut.
Der Groß- und Einzelhandel leidet derzeit stark unter der Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte. Besonders der Großhandel spürt die schwache Nachfrage sowohl von Konsumenten- als auch von Produzentenseite. Etwa 74 Prozent der Großhändler sehen in der geringen Inlandsnachfrage ein Geschäftsrisiko, was im Vergleich zu anderen Branchen deutlich höher ist. Rund 18 Prozent der Großhändler befinden sich in einer guten wirtschaftlichen Lage, im Einzelhandel ist es der gleiche Anteil. Etwa 31 Prozent der Großhändler und 28 Prozent der Einzelhändler bewerten ihre Lage als schlecht.
Das Hotel- und Gastgewerbe steht derzeit unter großem Kostendruck. Mehrere aufeinanderfolgende Krisen haben die Reserven aufgebraucht. Hohe Lebensmittelpreise, hohe Energiekosten und die Erhöhung des Mindestlohns schmälern die Erträge der Unternehmen im Gastgewerbe. Eine einfache Weitergabe der höheren Kosten ist nicht möglich, da die Kunden derzeit sehr preissensibel reagieren. Nur noch 18 Prozent der Unternehmen befinden sich im Herbst in einer guten Geschäftslage, das ist nochmal eine leichte Verschlechterung zum Frühsommer.
Die schwache Industriekonjunktur wirkt sich spürbar auf das Verkehrsgewerbe aus: Rund 30 Prozent der Unternehmen melden sinkende Auftragseingänge. Zusätzlich belastet der steigende Arbeitskostendruck, der im Vergleich zum Frühsommer um etwa 15 Prozentpunkte häufiger genannt wird. Aufgrund der schwachen Auftragslage reduzieren Verkehrsunternehmen ihre Investitionen, um Risiken zu vermeiden – was wiederum die verfügbaren Kapazitäten einschränkt.
Ein paar Lichtblicke gibt es bei den Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes. Der Indikator der Geschäftslage verliert zwar 2 Punkte, bleibt aber mit 17 Punkten auf einem guten Niveau. Vor allem Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich oder Beratungsunternehmen verzeichnen derzeit eine gute Wirtschaftslage.