Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2024

Baden-Württemberg: Wirtschaft steckt fest: Wachstumsimpulse greifen nicht

Die baden-württembergische Wirtschaft steckt in der Rezession. Mehrere kurz aufeinander folgende Krisen haben ihre Spuren hinterlassen. Die Corona-Pandemie im Jahr 2020 war zunächst ein externer Schock: Lockdowns, geschlossene Geschäfte und gestörte Lieferketten führten zu einem konjunkturellen Einbruch. Wegen ihres industriellen Schwerpunkts und Impulsen aus den Exportmärkten konnte sich die baden-württembergische Wirtschaft jedoch relativ schnell wieder erholen. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise hatten jedoch tiefgehende Folgen für die Wirtschaft: Der rasante Anstieg der Gaspreise führte zu Unruhen am Strompreismarkt. Die hohen Energiekosten zogen sich durch alle Wertschöpfungsketten, was die Inflation nach oben trieb. Die Europäische Zentralbank reagierte mit Leitzinsanhebungen. Nach Jahren der Nullzins-Politik liegt der Leitzins aktuell bei 4,5 Prozent – einer der höchsten Werte seit Einführung des Euros. Die Konjunktur ist insgesamt sehr abgekühlt. Für das Jahr 2023 schätzen erste Hochrechnungen einen Rückgang des deutschen BIP um 0,3 Prozent. Was derzeit fehlt, sind die nötigen Impulse, damit die baden-württembergische Wirtschaft den Aufschwung schafft.
IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg: Diese Analyse basiert auf der Konjunkturumfrage im Jahresbeginn 2024 der 12 IHKs in Baden-Württemberg, an der landesweit 3.573 Unternehmen zwischen dem 02. Januar 2024 und 22. Januar 2024 teilgenommen haben.
Seit der Konjunkturumfrage im Herbst 2021 hatte die baden-württembergische Wirtschaft kleinere Auf-und-Abs mit einem negativen Trend. Ein wirklicher Aufwind ist in den aktuellen Ergebnissen der IHK-Konjunkturumfrage nicht zu erkennen: Der Lageindikator steigt im Vergleich zur vorherigen Konjunkturumfrage (Herbst 2023) nur um 2 Punkte auf 18 Punkte zum Jahresbeginn 2024 an. Circa jedes dritte Unternehmen (34 Prozent) meldet eine gute Geschäftslage. In einer schlechten Geschäftslage befinden sich derzeit 16 Prozent der Unternehmen – circa 1 Prozentpunkt weniger als im Herbst. Auch die Geschäftserwartungen verbessern sich leicht von -17 Punkten auf -11 Punkte zum Jahresbeginn.
Der baden-württembergischen Wirtschaft fehlt noch der nötige Impuls, um aus der zähen Entwicklung wieder herauszukommen. Die Tendenz im Auftragseingang ist immer noch rückläufig und liegt mit -21 Punkten immer noch im negativen Bereich. Circa 36 Prozent der Unternehmen empfinden den Auftragseingang als fallend, etwas weniger als noch im Herbst, da waren es 43 Prozent. Ein kleiner Lichtblick gibt es bei den Exporten und dem Auslandsgeschäft: Circa 27 Prozent erwarten steigende Geschäfte im Ausland – das sind circa 5 Prozentpunkte mehr als im Herbst 2023. Die Industrie erwartet vor allem nach Nordamerika und Asien bessere Geschäfte, obwohl auch dort eine Abkühlung der Konjunktur erwartet wird. Bei den Ländern des Euroraums und der restlichen EU/EFTA bleibt die Stimmung jedoch weiterhin getrübt.
Die schwache Nachfrage verursacht auch Verunsicherung bei zukünftigen Inlandsinvestitionen. Jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) wird in den kommenden 12 Monaten mehr im Inland investieren – ein wirklicher Anstieg ist im Vergleich zum Herbst (24 Prozent) jedoch nicht zu erkennen. Falls Unternehmen investieren, bleiben die Hauptmotive für Investition: Ersatzbedarf (66 Prozent), Digitalisierung (53 Prozent) und Rationalisierung (36 Prozent). Ein klares Zeichen für den fehlenden Impuls und Investitionszurückhaltung der Unternehmen zeigt auch der negative Trend bei Investitionen in Kapazitätserweiterung/Expansion. Nur circa 18 Prozent der Unternehmen möchten in diesen Bereich in den kommenden 12 Monaten investieren – zum Vergleich: In der Vergangenheit (letzten 10 Jahre) lag der Wert durchschnittlich bei 27 Prozent.
Neben den Investitionsplänen sind auch die Beschäftigungserwartungen für die kommenden 12 Monate negativ. Circa 15 Prozent der Unternehmen erwarten mehr Beschäftigung. Jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) erwartet eine sinkende Beschäftigtenzahl. Die schwache Konjunktur geht nicht ganz spurlos am Arbeitsmarkt vorbei. Einen ähnlichen Trend ist auch bei der Arbeitslosenquote für Baden-Württemberg zu erkennen, die im Dezember 2023 aktuell bei 4 Prozent liegt – im Vergleich zum Vorjahr (Dezember 2022) ist die Arbeitslosenquote damit circa 0,4 Prozent höher. Wobei die Quote auch höher liegen könnte, wenn die Unternehmen trotz konjunktureller Schwäche nicht an ihren Beschäftigten festhalten würden. Denn aus mittel- und langfristiger Sicht bleibt für circa 60 Prozent der baden-württembergischen Unternehmen der Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko.

Die Risiken sind die Gleichen  

Die Toprisiken für baden-württembergische Unternehmen sind die Gleichen geblieben. Das meistgenannte Risiko bleibt die Inlandsnachfrage (64 Prozent). Die schwache Konjunktur im In- und Ausland spüren die Unternehmen weiterhin. In der Industrie hat sich die Tendenz im Auftragseingang nur leicht verbessert, bleibt aber im Saldo im negativen Bereich. Auch die Groß- und Einzelhändler klagen über die Kaufzurückhaltung der Haushalte aufgrund der gestiegenen Preise. Trotz schwächelnder Konjunktur bleibt die Sorge um den Fachkräftemangel bestehen. Circa 59 Prozent der Unternehmen sehen hierbei ein Risiko für die Geschäftstätigkeit. Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften beeinflusst zudem die Lohn- und Arbeitskosten. Neben der Mindestlohnerhöhung, die vor allem Branchen mit viel Helfertätigkeiten betreffen, führt auch die Inflation mittel- und langfristig zu Lohnsteigerungen. 54 Prozent der Unternehmen sehen bei den steigenden Arbeitskosten ein Geschäftsrisiko. Ein weiterer Kostenfaktor bleiben die hohen Energiepreise. Zwar sind die Strom- und Energiepreise im Vergleich zu den Krisenzeiten im Sommer 2022 wieder deutlich gesunken, dennoch empfinden viele Unternehmen die hohen Energiepreise als zu hoch und im internationalen Vergleich als nicht wettbewerbsfähig an, das bestätigt auch der IHK-Energiewende-Barometer. Bei der Konjunkturumfrage nannte jedes zweite Unternehmen die Energiekosten als ein Geschäftsrisiko. Ein Risiko, das im Vergleich zur Umfrage im Herbst häufiger genannt wird, ist das Risiko „politische Rahmenbedingungen/Wirtschaftspolitik” (zum Jahresbeginn 2024: 38 Prozent, Herbst 2023: 31 Prozent). Die Unternehmen in Baden-Württemberg spüren zunehmend Verunsicherung in der aktuellen Politik. Hohe bürokratische Belastungen, Mehrwertsteuererhöhungen oder fehlende Förderung werden von den Unternehmen öfter in den Freitextantworten genannt. Das Vorgehen der Wirtschaftspolitik wird als nicht verlässlich und zu zögerlich wahrgenommen. Seitens der Politik fehlen die nötigen Signale, damit Unternehmen besser planen und investieren können.

Leichte Lageverbesserung der Industrie, Handel bleibt pessimistisch


Die Stimmung bei den Unternehmen der Industrie hat sich nur leicht verbessert. Der Lageindikator steigt leicht von 6 Punkten im Herbst 2023 auf 9 Punkte zum Jahresbeginn 2024 an. Wirklicher Optimismus ist nicht zu erkennen. Jedes fünfte Unternehmen meldet eine schlechte Geschäftslage. Vor allem die leeren Auftragsbücher führen zu großer Besorgnis. Die Tendenz im Auftragseingang ist bei 39 Prozent der Unternehmen weiterhin fallend. Mit 70 Prozent der Nennungen bleibt die fehlende Inlandsnachfrage das meistgenannte Risiko in der Branche. Eine leichte Verbesserung ist bei den Exporterwartungen zu erkennen, die steigen von -16 Punkten auf -1 Punkt zum Jahresbeginn an. Vor allem erwarten die Unternehmen steigende Exporte nach Nordamerika, Asien und Süd- und Mittelamerika. Die Nachfrage aus dem Euroraum und der restlichen EU/EFTA wird jedoch weiterhin als negativ betrachtet.
Die Krise in der Bauwirtschaft setzt sich fest. Der Lageindikator sinkt erneut von 12 Punkten auf 7 Punkte ab. Nur noch 23 Prozent der Unternehmen befinden sich in einer guten Geschäftslage, im Herbst 2023 waren es noch 31 Prozent. Circa 57 Prozent der Unternehmen melden, dass die Bauproduktion gefallen ist. Wegen erschwerter Finanzierungsbedingungen, fehlender Bauförderung und hoher Produktionskosten bricht der Auftragseingang seit mehr als über einem Jahr immer mehr ein. Vor allem Neugeschäfte im Wohnbau bleiben aus.
Der Konsum der Haushalte ist auch zum Jahresbeginn 2024 eher zurückhaltend. 65 Prozent der Einzelhändler sagen, dass das Kaufverhalten zurückgegangen ist. Eine Verbesserung im Vergleich zum Herbst 2023 ist nicht zu erkennen. Der Lageindikator bei den Einzelhändlern sinkt von 5 Punkten auf 3 Punkte ab. Auch der Großhandel meldet einen Rückgang bei den eingehenden Bestellungen. Circa acht von zehn Großhändlern sehen bei der geringen Inlandsnachfrage ein Geschäftsrisiko. Circa 19 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als schlecht.
Das Hotel- und Gaststättengewerbe kann ihren Erholungskurs nicht fortsetzen. Der Lageindikator sinkt von 23 Punkten auf 16 Punkte ab. Vor allem die mehrfache Kostenbelastung durch die Mindestlohnerhöhung, hohe Energiekosten, gestiegene Lebensmittelpreise und die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent schmälern die Ertragslage. 38 Prozent der Unternehmen des Gastgewerbes erwarten eine schlechte Geschäftsentwicklung in den kommenden 12 Monaten – das sind 5 Prozentpunkte mehr als noch im Herbst 2023.
Auch die Unternehmen des Verkehrsgewerbes werden mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Bei den Logistikern herrscht weiterhin eklatanter LKW-Fahrermangel. Wegen der schwächelnden Konjunktur in der Industrie herrscht vor- und nachgelagert in der Wertschöpfungskette eine Auftragsflaute. Auch die Ausweitung der LKW-Maut drückt die Ertragslage und circa 60 Prozent der Unternehmen sehen dabei ein Geschäftsrisiko.
Die restlichen Dienstleister melden als einzige Branche eine Verbesserung der Geschäftslage: Der Indikator steigt von 30 auf 34 Punkte an. 45 Prozent der Dienstleister befinden sich in einer guten Geschäftslage, nur 10 Prozent in einer schlechten. Vor allem Dienstleister aus der Beratung und Finanzdienstleister melden eine gute Geschäftslage. Das Hauptrisiko bleibt bei den Dienstleistern der Fachkräftemangel: 65 Prozent der Unternehmen sehen hierbei ein Risiko. Die Geschäftserwartungen sind dennoch nicht optimistisch. Der Indikator liegt mit -1 Punkt im negativen Bereich. Circa 22 Prozent erwarten bessere Geschäfte, 23 Prozent erwarten schlechtere Geschäfte.