Wirtschaft unter Druck

Der konjunkturelle Abwärtstrend bei den Unternehmen in Baden-Württemberg scheint vorerst gestoppt zu sein. Dennoch bleibt unklar, wie sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickeln wird, da die letzten Monate von erheblicher Unsicherheit geprägt waren. Ein wesentlicher Faktor hierfür war die erratische Zoll- und Handelspolitik der Vereinigten Staaten. Am 2. April, den Präsident Donald Trump als „Tag der Befreiung“ bezeichnete, kündigte er Zölle gegen zahlreiche Länder weltweit an. Dazu gehörte ein Basis-Zoll von 10 Prozent auf alle Einfuhren in die USA sowie eine Liste mit sogenannten reziproken Zöllen für diverse Länder, darunter auch die Europäische Union, in Höhe von 20 Prozent. Diese Zölle wurden jedoch wenige Tage später für 90 Tage ausgesetzt. Weiterhin gelten jedoch Zölle von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse sowie Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Für die Wirtschaft in Baden-Württemberg sind solche Handelskonflikte bedenklich, da die USA der wichtigste Absatzmarkt sind. Im Jahr 2024 wurden etwa 34,8 Milliarden Euro in die USA exportiert, seit 2022 mit abnehmender Tendenz. Es bleibt abzuwarten, wie geschickt die Europäische Union die Verhandlungen zu einem Handelsabkommen mit den USA führen wird. Denn die USA waren neben Süd- und Mittelamerika zu Jahresbeginn noch die einzige Zielregion mit positiven Exporterwartungen und damit ein wichtiger Impulsgeber für die exportorientierte Wirtschaft in Baden-Württemberg.
Die Konjunktur in Baden-Württemberg bleibt gedämpft. Der Indikator der aktuellen Geschäftslage sinkt im Vergleich zum Jahresbeginn um 2 Punkte auf 4 Punkte ab. Nur noch 26 Prozent der Unternehmen befinden sich in einer guten Geschäftslage, das sind etwa 3 Prozent weniger als Anfang des Jahres.
IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg: Diese Analyse basiert auf der Konjunkturumfrage im Frühsommer 2025 der 12 IHKs in Baden-Württemberg, an der landesweit 3.676 Unternehmen zwischen dem 22. April 2025 und 13. Mai 2025 teilgenommen haben.
Die neue Bundesregierung konnte mit ihrem Investitionspaket bisher keine Euphorie bei den Unternehmen auslösen. Versprechen über mehr Investitionen in die Infrastruktur und steuerliche Entlastungen, wie die Senkung der Körperschaftssteuer oder frühzeitige Abschreibungen auf Anlageinvestitionen, führen nicht automatisch zu mehr Investitionen. Die Investitionspläne der baden-württembergischen Unternehmen für die kommenden 12 Monate bleiben zurückhaltend. Nur 22 Prozent der investierenden Unternehmen planen, in den nächsten 12 Monaten mehr zu investieren – etwa genauso viele wie im Herbst oder zu Jahresbeginn. Rund 46 Prozent wollen gleich viel investieren, und fast jedes dritte Unternehmen plant, künftig weniger zu investieren. In den Freitextantworten beklagen die Unternehmen unter anderem die hohe Bürokratie, die durch langwierige Bearbeitungsprozesse und unzuverlässige Rahmenbedingungen ein Investitionshemmnis darstellt. Hinzu kommen vergleichsweise hohe Standortkosten, wie Arbeits- und Energiekosten. Bei denen andere Länder Wettbewerbsvorteile haben.
Die Geschäftserwartungen für die kommenden 12 Monate bleiben mit einem Wert von –5 Punkten negativ, zeigen jedoch seit Jahresbeginn einen positiven Trend. Etwa 18 Prozent der Unternehmen erwarten in den nächsten 12 Monaten eine Verbesserung ihrer Geschäftstätigkeiten, was etwa 2 Prozentpunkte mehr sind als zu Jahresbeginn. Eine schlechtere Entwicklung erwarten noch rund 24 Prozent der Unternehmen, etwa 5 Prozentpunkte weniger als Anfang des Jahres.
Die schwache Konjunktur wirkt sich negativ auf die Beschäftigungspläne der Unternehmen aus. Nur 12 Prozent der Unternehmen erwarten eine steigende Beschäftigung, etwa 61 Prozent gehen von einer gleichbleibenden und 27 Prozent von einer sinkenden Beschäftigtenzahl aus. Die Arbeitslosenquote lag im April 2025 bei 4,9 Prozent in Baden-Württemberg – im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich eine leicht steigende Tendenz, da die Arbeitslosenquote damals bei 4,6 Prozent lag.

Sorge um Zunahme geopolitischer Spannungen wächst

Die Anzahl der Nennungen bei den Geschäftsrisiken ist im Vergleich zum Jahresbeginn bei den meisten Antwortoptionen zurückgegangen. An erster Stelle steht mit etwa 64 Prozent der Nennungen die schwache Inlandsnachfrage. Der Konsum der privaten Haushalte bleibt weiterhin sehr zurückhaltend. Unternehmen aus der Industrie verzeichnen beispielsweise weiterhin eine negative Tendenz bei den Auftragseingängen. Seit Herbst 2022 bewertet der Einzelhandel das Kaufverhalten seiner Kunden größtenteils als zurückhaltend – im Frühsommer 2025 sind es 66 Prozent der Einzelhändler.
Durch die Inflation und den Fachkräftemangel bewerten auch etwa 55 Prozent der Unternehmen die Arbeitskosten in Baden-Württemberg als Geschäftsrisiko. Das Problem des Fachkräftemangels wird vor allem in Branchen wie dem Baugewerbe oder dem Verkehr weiterhin häufig genannt. Hochgerechnet auf die Gesamtwirtschaft von Baden-Württemberg sehen derzeit noch 43 Prozent der Unternehmen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden 12 Monaten.
Einen starken Zuwachs bei den Antworten zu den Geschäftsrisiken gibt es bei der Antwortoption „geopolitische Spannungen“. Der Krieg in der Ukraine und die Handelskonflikte mit den Vereinigten Staaten betreffen die Unternehmen direkt und indirekt, was zu Verunsicherung führt. Etwa 42 Prozent der Unternehmen in Baden-Württemberg sehen in den geopolitischen Spannungen ein Geschäftsrisiko, das sind etwa 11 Prozentpunkte mehr als zu Jahresbeginn.
Das Risiko hoher Energiekosten wird im Vergleich zu den vorherigen Umfragen weniger häufig genannt. Nur noch 41 Prozent der Unternehmen sehen hierin ein Risiko. Im Gastgewerbe bleibt das Problem der hohen Energiekosten jedoch bestehen – drei Viertel der Unternehmen sehen hierin ein Risiko für ihre Geschäftstätigkeit.

Schwache Nachfrage trifft Industrie und Handel

Die Nachfrage in der Industrie erholt sich nur langsam. Der Auftragseingang aus dem In- und Ausland bleibt weiterhin rückläufig, auch wenn der Indikator in allen Branchen gesunken ist. Eine positive Ausnahme bildet der Fahrzeugbau: Etwa jeder vierte Fahrzeugbauer oder -zulieferer bewertet den Auftragseingang als steigend, rund 68 Prozent sehen eine gleichbleibende Tendenz. Nur noch 8 Prozent der Unternehmen im Fahrzeugbau verzeichnen eine fallende Tendenz beim Auftragseingang, was im Vergleich zu den 41 Prozent zu Jahresbeginn eine deutliche Verbesserung darstellt.
Für die Industrieunternehmen insgesamt gelten derzeit aufgrund möglicher Handelskonflikte negative Exporterwartungen für die kommenden 12 Monate. Jedes vierte exportierende Industrieunternehmen erwartet eine Zunahme der Exporte, vor allem in die Euro-Zone und nach Asien, mit Ausnahme von China. Etwa 28 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Exporte. Den stärksten Rückgang gibt es bei den Exporterwartungen für die Vereinigten Staaten. Bei weiteren Handelsbarrieren seitens der USA erwarten etwa 47 Prozent der exportierenden Unternehmen, dass sie weniger exportieren werden.
Das Baugewerbe kommt aufgrund hoher Finanzierungs- und Baukosten nicht wieder in Schwung. Der Indikator des Auftragseingangs bleibt in den meisten Bereichen des Bausektors negativ. Besonders im privaten Wohnbau und im gewerblichen Hochbau melden die Unternehmen überwiegend eine fallende Auftragstendenz. Insgesamt befinden sich nur noch etwa 24 Prozent der Unternehmen in einer guten Geschäftslage, was 4 Prozentpunkte weniger sind als zu Jahresbeginn. Eine positive Entwicklung der Geschäftstätigkeit in den kommenden 12 Monaten erwarten nur etwa 14 Prozent der Unternehmen.
Der Groß- und Einzelhandel leidet derzeit stark unter der Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte. Besonders der Großhandel spürt die schwache Nachfrage sowohl von Konsumenten- als auch von Produzentenseite. Etwa 76 Prozent der Großhändler sehen in der geringen Inlandsnachfrage ein Geschäftsrisiko, was im Vergleich zu anderen Branchen deutlich höher ist. Rund 17 Prozent der Großhändler befinden sich in einer guten wirtschaftlichen Lage, während es im Einzelhandel jedes fünfte Unternehmen ist. Etwa 31 Prozent der Großhändler und 26 Prozent der Einzelhändler bewerten ihre Lage als schlecht.
Das Hotel- und Gastgewerbe steht derzeit unter großem Kostendruck. Mehrere aufeinanderfolgende Krisen haben die Reserven aufgebraucht. Hohe Lebensmittelpreise, hohe Energiekosten und die Erhöhung des Mindestlohns schmälern die Erträge der Unternehmen im Gastgewerbe. Eine einfache Weitergabe der höheren Kosten ist nicht möglich, da die Kunden derzeit sehr preissensibel reagieren. Nur noch 19 Prozent der Unternehmen befinden sich im Frühsommer in einer guten Geschäftslage, im Vergleich zu 25 Prozent zu Jahresbeginn.
Unter der schwachen Industriekonjunktur leidet auch das Transport- und Verkehrsgewerbe, das vor- und nachgelagert in den Wertschöpfungsketten eingebunden ist. Der LKW-Maut-Fahrleistungsindex, der als Frühindikator für wirtschaftliche Aktivitäten gilt, sinkt seit einigen Monaten kontinuierlich. Etwa 26 Prozent der Verkehrsunternehmen melden insgesamt eine negative Auftragstendenz.
Ein paar Lichtblicke gibt es bei den Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes. Der Indikator der Geschäftslage verliert zwar 7 Punkte, bleibt aber mit 19 Punkten auf einem guten Niveau. Vor allem Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich oder Beratungsunternehmen verzeichnen derzeit eine gute Wirtschaftslage.