Spurensuche im Stadtarchiv Dillingen

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Stadtarchiv Dillingen

Das Stadtarchiv ist das Gedächtnis einer Stadt. Es bewahrt Magistrats- und Stadtratsprotokolle, alle Behördenunterlagen wie Bau- oder Polizeiakten. So bleiben städtische Verwaltungsvorgänge nachprüfbar. Es besitzt örtliche und regionale Zeitungsbestände, Kartenmaterial, Fotonachlässe, Schulakten, Vereinschroniken, Ortsgeschichten, Adressbücher und nicht zu vergessen Ansichtskarten. Wer sich in den Beständen zurechtfinden will, sucht in den sogenannten Findbüchern oder lässt sich von Archivarin oder Archivar beraten.
Geht man den Spuren jüdischer Unternehmerfamilien nach, so wird man hier fündig: Die Mitglieder der Familie Baldauf aus dem ehemaligen „Judendorf“ Binswangen waren Unternehmer, Bürger, Förderer und Teil der städtischen Öffentlichkeit. So fand manches seinen Niederschlag.
Information: Anmeldung Stadtarchiv Dillingen, Königstr. 37/38, 89407 Dillingen.
PD Dr. Felicitas Söhner. Soehner@dillingen-donau.de Tel.: 09071-54-118
Zum Finden braucht man Archivphantasie.
Von Emil Baldauf wissen wir, dass er nach Schulbesuch und Kaufmannslehre mit seiner Mutter in Dillingen ein Textilgeschäft übernahm. Für seine Ware musste er werben, um gegen die Konkurrenz zu bestehen. Politisch engagierte er sich im Magistrat (Stadtrat), gesellschaftlich in verschiedenen Vereinen wie dem Obstbau- und Bienenzüchterverein oder der Freiwilligen Feuerwehr. Sein Bruder Leopold arbeitete als Direktor der Actienbrauerei zum Stiftsgarten und spendete für die Taubstummenanstalt, heute Regens-Wagner-Stiftung. Während des Ersten Weltkrieges machte er aus seinem Gasthaus ein Versehrtenlazarett. Für sein Engagement erhielt er 1925 den Titel eines Kommerzienrats. Als die Brüder starben, ehrte man sie mit Todesanzeigen und Nachrufen.
Zur Mitarbeit: Wo könnten im Archiv Spuren auftauchen? Weshalb tragen Archivnutzer und Archivarin auch mal weiße Handschuhe?
Jahresbericht_Leopold Baldauf
Jahresberichte als Quelle. Die Lateinschule in Dillingen dokumentiert Lehrerkollegium und Schulklassen.
Magistratsvereidigung
40. Magistratssitzung am 31. October 1913 vormittags 10 Uhr im Rathaussaale.
Gegenwärtig: Die Unterzeichneten
667 Verpflichtung durch Diensteseinweisung der nachgewählten Mg. Räte Christa und Baldauf
Nachdem die Verhandlungen über Benedikt Christa und Emil Baldauf genehmigt worden sind, wurden vorbenannte Magistratsräte [durch den Bürger]meister, K. Hofrat Degen, durch [Abnahme folgenden Eides verpflichtet]:
„Ich schwöre bei Gott [dem Allmächtigen, daß ich meine Dienstob]liegenheiten als Ma[gistratsrat jederzeit treu und gewissenhaft er]füllen werde, so wahr [mir Gott helfe]“

Die „Judendörfer“ Schwabens

Foto 1 Medinat Schwaben
Das „Medinat“ Schwaben, also die „Judendörfer“, galten als größte jüdische Gemeindeansammlung in Europa.

Vertreibung aus den Städten

Binswangen gehörte wie etwa auch Buttenwiesen, Ichenhausen im Landkreis Günzburg, Hürben bei Krumbach oder Kriegshaber und Pfersee bei Augsburg zu den „Judendörfern“ Schwabens. Nach den Vertreibungen der Juden aus den Städten am Ende des Mittelalters entwickelte sich der ländliche Raum zwischen Augsburg und Ulm als „Medinat Schwaben“ zu einem Rückzugsgebiet der jüdischen Bevölkerung. Es entstand das „Landjudentum“.

Juden und Christen

Juden und Christen lebten in diesen Dörfern in unmittelbarer Nachbarschaft, Juden stellten hier fast die Hälfte der Einwohnerschaft. Der habsburgische Kaiser war in diesen Territorien oberster Schutzherr der Juden. Doch Juden durften kein Land erwerben und nicht Mitglied von Zünften werden. So waren sie meist auf Handel, Geldverleih oder das kleine Handwerk angewiesen. An die Ortsherrschaften mussten Schutzgelder bezahlt werden.

Zur Situation der schwäbischen Juden im 19. Jahrhundert

Max IV. Joseph, seit 1806 König Max I. Joseph, beauftragte seinen Minister Maximilian Joseph von Montgelas, auch die Bildungspolitik zu reformieren. Mit der Integration schwäbischer und fränkischer Landesteile nach 1806 vergrößerte sich auch der jüdische Bevölkerungsanteil. Das 1813 erlassene "Edikt über die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen im Königreiche Baiern" gewährte den Juden in Bayern gleichberechtigte Rechtssicherheit und freie Religionsausübung. Die Aufhebung früherer Berufsverbote erlaubte Juden nun Erwerbsmöglichkeiten in Fabrik, Handwerk und Landwirtschaft. Auf diesem Wege sollte die „bürgerliche Verbesserung der Juden“ umgesetzt werden. Auch für jüdische Kinder galt nun die allgemeine Schulpflicht. So standen auch bayerischen Juden der höhere Bildungsweg und der soziale Aufstieg in akademischen Berufen offen.
Allerdings schränkte der sogenannte „Matrikelparagraph“ die Freizügigkeit erheblich ein, denn „nur eine streng festgelegte Anzahl jüdischer Haushalte durfte an einem bestimmten Ort wohnen“. Eine Folge war, dass viele Juden nach Übersee auswanderten.

Chancenwanderung

Als in Bayern 1868 die Gewerbefreiheit und nach der Reichsgründung 1871 die Niederlassungsfreiheit eingeführt wurde, veränderten sich die „Judendörfer“. Es begann eine große Chancenwanderung in die Städte, Großstädte oder nach Übersee; auch drei von Nathans Geschwistern wanderten in die USA aus. Der Anteil von Juden in Binswangen schrumpfte.

Bevölkerungsentwicklung in Binswangen

Jahr Gesamt-
bevölkerung
davon Juden Prozentanteil
Juden
1800 820 270 32,9
1823 901 327 36,3
1858 1190 422 35,5
1864 1074 412 38,4
1875 936 193 20,6
1900 939 109 11,6
1910 967 74 7,7
1926 922 49 5,3
1933 881 36 4,1
1939 851 15 1,7
Zur Mitarbeit:
Beschreibe die Grafik der Bevölkerungszahlen in Binswangen und erkläre Veränderungen.
Welche Möglichkeiten und Grenzen boten sich im 19. Jahrhundert Juden im Medinat Schwaben?
Die NS-Zeit veränderte grundlegend die Situation der Juden. Ab 1941 wurden die schwäbischen Juden deportiert. Verschaffe Dir ein Bild von den Deportationszahlen aus Binswangen, Buttenwiesen und Fischach, die zum Medinat zählten. (Fundort im Netz: https://www.jewishgen.org. Regierungsbezirk Schwaben. Gernot Römer, Das Martyrium der Juden in Schwaben.) Du findest auch den Namen Kurt Baldauf. Er stammt aus der Baldauf-Familie in Binswangen und wurde nach Auschwitz deportiert.