Chancenwanderung nach Dillingen – Emil und Ella Baldauf
Dillingen, eine katholisch geprägte Stadt. Hier stand die Jesuitenhochschule, hier sind seit dem 13. Jahrhundert die Dillinger Franziskanerinnen ansässig, die auch die ehemalige Taubstummenanstalt mittragen. Seit 1903 betrieben Emil und Ella Baldauf ein Textilgeschäft. In dieser katholischen Stadt gab es bis zur Vertreibung durch die Nationalsozialisten vier jüdische Familien: Der Arzt Dr. Hans Wienskowitz und der Lederhändler Hans Dorfmann waren mit katholischen Frauen verheiratet. Die Familien Emil und Leopold Baldauf blieben beim jüdischen Glauben und heirateten wie ihre Geschwister jüdische Frauen und Männer.
Der Kaufmann Emil Baldauf
Emil Baldauf (1882-1927) galt wie sein Bruder Leopold als „gut situiert, strebsam, angesehen“ und war wegen seines leutseligen Wesens überall beliebt. Der geschätzte Kaufmann führte nach dem Tod seiner Mutter Lina das Textilgeschäft alleinverantwortlich weiter. Baldaufs Geschäft Am Stadtberg 31 war nun im Herzen Dillingens positioniert. Die Kunden stammten aus der guten Dillinger Gesellschaft.
Zwei Amtsperioden lang war er seit 1914 als einer von acht Magistratsräten Mitglied des Dillinger Magistratsrat: Bürgermeister und Magistrat bildeten das handelnde Verwaltungsorgan der Stadt. Mit großer Sachkenntnis und starkem Engagement agierte er während des Ersten Weltkriegs als Geschäftsführer des Kommunalverbandes. Außerdem zählte er achtzehn Jahre lang zum Vorstand des Obstbau- und Bienenzuchtvereins der Stadt und setzte sich im Ersten Weltkrieg für Kleingärten ein, mit denen sich einfache Leute selbst versorgen konnten.
Er war zwei Jahrzehnte lang Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, zudem war er im Turn-, Eissport- und Verschönerungsverein aktiv, ebenso im historischen Verein und im Alpenverein – zusammen mit den Konkurrenzunternehmern Haenle vom Hofbräu und Probst vom Lammbräu. Ab 1923 agierte er als Vorstandsvorsitzender der allgemeinen Ortskrankenkasse. Er hatte stets eine offene Hand für die Armen und Notleidenden seiner Heimatstadt, wie Bürgermeister Georg Hogen in einer Würdigung hervorhob; in der Faschingszeit fuhr er mit einer Schar Bürgerkinder im Pferdewagen aufs Land und lud sie dort zur Brotzeit ein.
Zur Mitarbeit:
Entwirf ein kurzes Profil des jüdischen Unternehmers Emil Baldauf.
Was bedeutet für ihn die Mitgliedschaft im Magistratsrat und in den zahlreichen Vereinen, auch im Hinblick auf mögliche antisemitische Strömungen?
Entwirf ein kurzes Profil des jüdischen Unternehmers Emil Baldauf.
Was bedeutet für ihn die Mitgliedschaft im Magistratsrat und in den zahlreichen Vereinen, auch im Hinblick auf mögliche antisemitische Strömungen?
Emil und seine Frau Ella pflegten jedoch einen gehobenen Lebensstil, der auch kleinen Neid hervorrief. Die Werbung für ihr Textilgeschäft bediente die Mode der Zeit.
Praktische und extravagante Modeangebote gehörten zum erfolgreichen Geschäftsmodell des mittelständischen Unternehmens Emil Baldauf. Die Baldaufs wollten in der feinen Dillinger Gesellschaft wahrgenommen werden.
Die bessere Gesellschaft
Mode für die feine Gesellschaft und für jede Gelegenheit
In bester Stadtlage. Das Emil-Baldaufhaus Am Stadtberg 31 in Dillingen.
Copyright: StA DLG Fo188-01
Copyright: StA DLG Fo188-01
Die feinen Unterschiede. Die stets elegant frisierte Ella Baldauf mit Ehegatte Emil auf dem Hochzeitsfoto. Später bewohnt das Paar eine repräsentative Stadtvilla.
Die Baldauf besaßen ein gut gehendes Textilgeschäft in zentraler Stadtlage. 1924/25 baute Emil Baldauf für sich und seine Familie eine bemerkenswerte Villa in der Frühlingstraße, ganz in der Nachbarschaft des Brauers Probst von der Lammbrauerei. Frau Probst bemerkte mit Staunen und einem kleinen Neid, dass zu Emil Baldaufs Frau Ella jeden Tag der Friseur ins Haus kam. Ella (1887-1943) und Emil hatten 1909 geheiratet. Sie war eine gute Partie und brachte 30.000 Mark mit in die Ehe.
„Letzte Neuheiten“ – Werbung für Damenbekleidung
Aktuelle Preisschlager. Donau-Bote, 1913, Stadtarchiv Dillingen
Mit Fahrer und Damenhut. Automobilmode der Zeit.
Zur Mitarbeit: Was trägt die Dame der kleinstädtischen Dillinger Welt um 1900? Informiere dich, welche Rolle das Korsett für die Frau spielte! Welche modische Kleidung trägt man im Automobil? Weshalb ist der phantasievolle Damenhut auch Statussymbol?
„Trefos“ abwaschbare Dauerwäsche – Werbung für Herrenbekleidung
Trefos und die Vorzüge der Apretur, Donau-Bote, 1913
„Gaufriermaschine für Plüsche“. Zu den technischen Neuheiten zählte das Pressen von Plüschstoffen, Privatarchiv Kasberger
Zur Mitarbeit: Was trägt der Herr der kleinstädtischen Dillinger Welt um 1900 rund um den Frack?
Hinter dem Eigennamen „Trefos“ verbirgt sich die Technik der Apretur, der veredelnden Behandlung von Stoffen, Textilien und Leder wegen des Aussehens oder besonderer Eigenschaften wie Wasserabweisung. Die obige Zeichnung zeigt eine Maschine zum Gravieren von Plüschstoffen. Die Maschinisierung der Gewebeindustrie Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte die Verbesserung der Gebrauchseigenschaften von Stoffen und deren massenhafte Verbreitung.
Welche Rolle spielen Apreturen heute?
