15. Oktober 2024

Die Wirtschaft stagniert: Zeit für mutige Reformen

Die Stimmung der bayerisch-schwäbischen Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen hat sich über den Sommer weiter verschlechtert. Der IHK-Konjunkturindex liegt im Herbst 2024 nur noch bei 99 Punkten. „Unsere Wirtschaft rutscht tiefer in die Krise“, stellt Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, bei der Vorstellung der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage fest.
Die schwache Inlandsnachfrage ist erstmals das größte Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung. IHK-Präsident Reinhold Braun: „Aufgrund vieler wirtschaftspolitischer Unsicherheiten investiert die regionale Wirtschaft nicht mehr. Zudem geht der private und gewerbliche Konsum spürbar zurück. Die fehlende Nachfrage in Deutschland trifft die Unternehmen besonders, da auch die Auslandsmärkte wenig Impulse liefern. Die schlechten Ergebnisse sind ein Weckruf: Wachstumsinitiativen ohne Durchschlagskraft bringen nichts – die Politik muss noch vor der Bundestagswahl 2025 die Kraft für mutige Reformen aufbringen.“
Geschäftslage verschlechtert sich, Index wieder unterhalb der Wachstumsschwelle
Der IHK-Konjunkturindex als geometrisches Mittel aus Geschäftslage und Erwartungen ist im Vergleich zum Frühjahr um zwei Punkte auf aktuell 99 Punkte gefallen. Er liegt damit unterhalb der Wachstumsschwelle von 100 Punkten. Lucassen dazu: „Keine Spur von Aufbruchsstimmung in der regionalen Wirtschaft. Stattdessen verschlechtert sich die Lage weiter.“ So bewerten die bayerisch-schwäbischen Unternehmen die aktuelle Geschäftslage im Herbst 2024 negativer als noch im Frühjahr. Berichteten damals 32 Prozent der Befragten von einer guten Lage, so sind es gegenwärtig nur noch 30 Prozent. Demgegenüber stehen 22 Prozent der Unternehmen, die ihre derzeitige Situation als schlecht einschätzen.
Düstere Aussichten, Investitionszurückhaltung bleibt
Beim Ausblick sieht es nicht besser aus. Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft sieht pessimistischer auf die kommenden Monate als noch im Frühjahr. So erwarten in den kommenden Monaten lediglich 15 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, dagegen 25 Prozent eine Verschlechterung. „Die pessimistische Erwartungshaltung hat viele Gründe. Insbesondere die geo- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sorgen für Unsicherheiten“, erklärt Lucassen. Das hat zur Folge, dass sich die Investitionszurückhaltung der regionalen Wirtschaft fortsetzt. Demnach planen 28 Prozent der Unternehmen eine Reduzierung der Investitionen im Inland, weitere 15 Prozent investieren derzeit nicht in der Region.
Flaute in der Industrie und im Baugewerbe
Die Stimmung bleibt mit Ausnahme der unternehmensbezogenen Dienstleistungen in allen Branchen angespannt, die Branchenindizes verharren unterhalb der Wachstumsschwelle. In der Industrie und im Baugewerbe herrschen weiterhin Flaute. Für Lucassen sind das deutliche Alarmsignale: „Wir registrieren einen starken konjunkturellen Einbruch bei den Produzenten von Vorleistungsgütern, die in der Herstellung häufig energieintensiv sind. Zudem belastet das anhaltend schwache Auslandsgeschäft die bayerisch-schwäbische Industrie. Das aktuelle Auftragsvolumen aus allen wichtigen Weltregionen ist im Saldo negativ. Den Produktionsstandort Bayerisch-Schwaben mit vielen im Ausland aktiven Unternehmen trifft dies besonders hart.“
Schwache Inlandsnachfrage und Wirtschaftspolitik sind die größten Risiken
Erstmals stellt die schwache Inlandsnachfrage das größte Risiko für die bayerisch-schwäbische Wirtschaft dar. Dies berichten 66 Prozent der Befragten. Besonders stark von der schwachen Inlandsnachfrage betroffen sind die Industrie und der Einzelhandel, ebenso wie das Baugewerbe. Weiterhin stellen die aktuelle Wirtschaftspolitik (60 Prozent), die Arbeitskosten (52 Prozent) sowie die Energie- und Rohstoffpreise (49 Prozent) derzeit die größten Herausforderungen für die Wirtschaft dar.
Konjunkturelle Schwäche bremst die Suche nach Personal aus
Der Arbeits- und Fachkräftemangel (49 Prozent) wird in der Risikobewertung derzeit von den anderen Herausforderungen überlagert, verliert jedoch nicht an Relevanz. Der Anteil an Unternehmen, die derzeit offene Stellen nicht besetzen können, ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 20 Prozentpunkte gesunken und liegt nun bei 35 Prozent. Im Gegenzug ist der Anteil der Unternehmen, die derzeit keinen Personalbedarf haben, auf 61 Prozent gestiegen. „Die Unternehmen halten trotz der Schwächephase an ihrem Personal und ihrer hohen Ausbildungsbereitschaft fest. Offene Stellen werden allerdings deutlich später oder überhaupt nicht mehr nachbesetzt. Der demographische Wandel führt zudem dazu, dass in Bayerisch-Schwaben weiterhin nahezu Vollbeschäftigung herrscht“, konstatiert Braun.
Nur Reformpaket kann Abhilfe schaffen
Aus Sicht des IHK-Präsidenten hat das Vertrauen der Konsumenten und der Unternehmen in die Politik in den vergangenen Jahren spürbar abgenommen. Dies kann seiner Ansicht nach durch stabile Rahmenbedingungen und angebotspolitische Impulse zurückgewonnen werden. „Für die Lösung der teilweise selbst verschuldeten Probleme ist ein Reformpaket überfällig. Wir müssen das Arbeitsvolumen nachhaltig erhöhen. Gleichzeitig müssen wir die Unternehmenssteuern und Energiepreise senken. Wer die Augen weiter verschließt oder die schwierige Situation schön redet, führt die Wirtschaft nur noch weiter in den Stimmungsblues. Es ist jetzt die Zeit für eine mutige Agenda 2030 – nicht erst nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr“, so Braun abschließend.