51. Augsburger Konjunkturgespräch
Die neue Bundesregierung muss Antworten auf die großen wirtschaftlichen Fragen der Zeit finden: auf eine global-protektionistische Handelspolitik, auf die Stabilität Europas und auf den schleichenden Imageverlust des Wirtschaftsstandortes Deutschland in der Welt. „Neuwahlen sind auch eine Chance. Sie eröffnen neue Möglichkeiten und Perspektiven“, stellte Dorothee Buhmann, stellvertretende Präsidentin der IHK Schwaben, fest. Gerade mit Blick auf die künftige Rolle der Europäischen Union, setzte ifo-Präsident Prof. Clemens Fuest in seiner Keynote auf einen starken Binnenmarkt und den Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich. Und in Deutschland selbst auf die Stimme der Wirtschaft.
Über 250 Entscheiderinnen und Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft folgten der Einladung der IHK Schwaben und der Universität Augsburg zum 51. Augsburger Konjunkturgespräch. Im Fokus der Veranstaltung stand die Frage, wie Deutschland auf die tiefgreifenden Veränderungen im Welthandel reagieren kann. Als Keynote-Speaker ordnete wie in den Vorjahren Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts München, die aktuelle wirtschaftliche Lage ein. Moderiert wurde die Veranstaltung erstmalig von der ARD-Wirtschaftsjournalistin Melanie Böff.
Augsburger Konjunkturgespräch: Hohe Qualität mit langer Tradition
Buhmann eröffnete die Veranstaltung gemeinsam mit Prof. Peter Welzel, Vizepräsident der Universität Augsburg. Sie betonte die Rolle des Augsburger Konjunkturgesprächs als traditionsreiches und zugleich modernes Format: „Seit über 50 Jahren setzen wir mit dieser Veranstaltung Impulse zur wirtschaftlichen Entwicklung. Die Themenwahl orientiert sich am Puls der Zeit – und heute drängen sich große Fragen auf: Wie sichern wir unseren Wohlstand? Wie erhalten wir Bayerisch-Schwaben als starken Wirtschaftsstandort?“
Konjunktur: Produktion sinkt, Wertschöpfung bleibt
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer anhaltenden Schwächephase: Nach zwei Jahren wirtschaftlicher Stagnation verharrt der aktuelle IHK-Konjunkturklimaindex für Bayerisch-Schwaben weiterhin unter der Wachstumsschwelle – wie die gesamte deutsche Wirtschaft. Die schwierige Situation sieht Prof. Fuest besonders in der Investitionsschwäche der Unternehmen begründet. So erreicht das aktuelle Investitionsniveau lediglich das des Jahres 2019. „Die Produktion wandert in die Zielmärkte ab“, attestiert der ifo-Präsident, bei allerdings weitestgehend konstanter Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft, was er unter anderem im Dienstleistungssektor begründet sieht.
Handelspolitik unter Druck: Europa schützt, USA fordert heraus
Die globalen Gütermärkte stagnieren, ebenso wie die deutsche Konjunktur. Prof. Fuest machte in seiner Analyse deutlich, dass Deutschland allerdings stärker als die USA und China vom Ex- und Import abhängig ist. Die zunehmenden Handelsbarrieren der vergangenen Jahre hemmen die Internationalisierung vor allem der Industrie, obwohl Europa und dabei besonders die unmittelbaren Nachbarländer als mit weitem Abstand wichtigste Absatzmärkte stabilisierend wirken. Daher, so Fuest, mit Blick auf die Diskussionen im Bundestagswahlkampf: „Bitte nicht aus Europa austreten.“ Trotz starker Verflechtungen mit den USA, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht so stark ausgeprägt. Dies verbessert die Verhandlungsposition Europas in einem möglichen Handelskrieg mit der Trump-Regierung.
Abhängigkeiten im Welthandel gezielt managen
Deutschland kann es sich nicht leisten, sich aus dem Welthandel zurückzuziehen. Deutschland ist beispielsweise stark von Energielieferungen, Rohstoff- oder Halbleiterimporten abhängig. „Dagegen müssen wir nicht alle Produkte wie beispielsweise hochsubventionierte Solarzellen in Deutschland herstellen“, stellte Fuest klar. „Wir müssen lernen, ein komplexes Geflecht wechselseitiger Abhängigkeiten zu managen.“ Eine vollständige Abkopplung von bestimmten Märkten sei dagegen keine Lösung.
Neue Impulse für die Wirtschaft gefragt
Fuest betonte, dass die Vertiefung des europäischen Binnenmarkts und der Abschluss neuer Handelsabkommen mit Drittstaaten wichtiger seien als je zuvor. „Europa muss seine wirtschaftliche Stärke ausspielen, indem es seine eigenen Handelshemmnisse abbaut und Partnerschaften mit globalen Akteuren gezielt ausbaut und damit stärkt. Ein starke Europäische Union ist die beste Antwort auf geopolitische Drohungen“, so Fuest.