Mädchen zieht es in Bayerisch-Schwaben kaum in gewerblich-technische Berufe
Nach wie vor zeigen sich auf dem Ausbildungsmarkt in Bayerisch-Schwaben die klassischen Geschlechterrollen. „Vor allem junge Frauen schöpfen ihre beruflichen Optionen oft nicht voll aus, sondern beschränken sich auf vermeintliche Frauenberufe“, sagt Dr. Christian Fischer, Leiter der Abteilung Ausbildung bei der IHK Schwaben, anlässlich des bundesweiten „Girls‘ und Boys‘ Day“ am 3. April. Für die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben ist das fatal: „Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist es wichtig, dass wir alle Potenziale nutzen“, so Fischer.
Rund 20.500 junge Menschen absolvieren derzeit in Bayerisch-Schwaben eine duale Ausbildung, gut 9.000 von ihnen im gewerblich-technischen Bereich – also in Berufen der Elektro- oder Metalltechnik oder im Bereich Chemie oder Physik. Nur knapp 1.300 von ihnen sind weiblich. Das entspricht einem Anteil von nicht einmal 15 Prozent. „Dabei bringen ganz sicher deutlich mehr junge Frauen das nötige Talent für diese Berufe mit. Doch viele bewerben sich erst gar nicht“, berichtet Fischer. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: Nur jeder siebte Ausbildungsplatz in einem gewerblich-technischen Beruf wurde im vergangenen Jahr mit einer Frau besetzt. Der Männeranteil bei den Auszubildenden in diesem Bereich liegt schwabenweit bei mehr als 85 Prozent.
Das sind die Top-Berufe der Azubis in Bayerisch-Schwaben
Mehr als die Hälfte der weiblichen Auszubildenden startete im vergangenen Jahr in nur zehn verschiedenen IHK-Berufen – darunter kein einziger gewerblich-technischer. Die meisten weiblichen Auszubildenden wählten die Ausbildung zur Industriekauffrau, Kauffrau für Büromanagement und Verkäuferin. Die Top-3-Berufe bei den männlichen Azubis waren Industriemechaniker, Fachinformatiker und Mechatroniker. Erst auf Platz 4 kommt mit dem Industriekaufmann ein kaufmännischer Beruf. Insgesamt hält sich im kaufmännischen Bereich das Geschlechterverhältnis schwabenweit die Waage. Über alle Berufsgruppen hinweg sind die Männer mit rund 13.500 männlichen Auszubildenden im Vergleich zu gut 7.000 weiblichen in der Überzahl.
Mehr Einblicke in die Vielfalt der dualen Ausbildung
„Allein im Bereich Produktion, Handel und Dienstleistungen gibt es mehr als 250 verschiedene Berufsbilder. Da ist für jedes Talent und jedes Interesse das Passende dabei“, so IHK-Experte Fischer. „Wichtig ist, dass die jungen Menschen wissen, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen. An diesem Wissen mangelt es derzeit leider noch oft.“ Die Folge: Viele konzentrieren sich auf wenige, oft geschlechtertypische Berufe, in denen die Konkurrenz groß ist. Klappt es mit der Bewerbung nicht, suchen sie enttäuscht nach alternativen Bildungswegen – und gehen dem Arbeitsmarkt manchmal auch vorerst ganz verloren. Der Girls‘ und Boys‘ Day, so Fischer, sei daher die ideale Gelegenheit für eine frühzeitige Berufsorientierung jenseits von Geschlechterklischees.
Wie Rollenklischees den Fachkräftemangel verstärken
Viele Unternehmen aus der Region sind mit dabei und bieten an diesem Tag Schnupperpraktika oder andere Angebote. Denn für sie ist es wichtig, aus einem breiten Bewerberpool schöpfen zu können, um dem Arbeitskräftemangel in der Region entgegenzuwirken. Bereits jetzt fehlen in Bayerisch-Schwaben laut aktuellem IHK-Arbeitsmarktradar mehr als 10.000 Fachkräfte. Für mehr als 40 Prozent der Unternehmen ist laut aktueller IHK-Konjunkturumfrage der Arbeits- und Fachkräftemangel ein Risiko für ihre künftige wirtschaftliche Entwicklung. „Wir müssen uns daher dafür stark machen, dass junge Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt finden, der optimal zu ihnen passt. Da stehen uns klassische Rollenvorstellungen oft noch im Weg“, so Fischer.