Die strukturellen Probleme erreichen den Arbeitsmarkt

Regionale Wirtschaft stagniert, Beschäftigung gerät unter Druck

Die Wirtschaft im Landkreis Lindau steckt bereits seit Jahren in der Stagnation – und die Krise erreicht nun auch den Arbeitsmarkt. Der regionale IHK-Konjunkturindex steigt im Herbst 2025 zwar auf 96 Punkte, bleibt jedoch weiterhin unter der Wachstumsschwelle. „Unsere Unternehmen hier im Landkreis Lindau – ob in der Produktion, im Handel oder im Dienstleistungsbereich – kommen leider nur schwer voran“, sagt Rolf Thomann. „Die von der Bundesregierung angekündigte Wirtschaftswende lässt auf sich warten und die wirtschaftlichen Bremsklötze spüren wir inzwischen auch bei Jobs und Beschäftigung.“
Dreimal jährlich befragt die IHK in Deutschland, Bayern und allen Regionen einen repräsentativen Querschnitt ihrer Mitgliedsunternehmen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und deren Erwartungen. Der IHK-Konjunkturindex bildet beides ab. Seine Wachstumsschwelle liegt bei 100 Punkten, sein langjähriger Durchschnitt bei 114 Punkten. Darüber hinaus wird beispielsweise nach den konjunkturellen Risiken oder den Beschäftigungsplänen gefragt. Die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage lief bis zum 26. September 2025.

Wirtschaftswende lässt auf sich warten

Die Hoffnung auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nach dem Regierungswechsel hat sich bislang nicht erfüllt. Zwar melden 19 Prozent der Unternehmen aktuell eine gute Geschäftslage, doch lassen die Erwartungen nicht darauf schließen, dass sich diese Zahl deutlich steigern wird. 25 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, während 32 Prozent eine Verschlechterung erwarten. „Viele Betriebe stehen unter dem Druck von regulatorischen Auflagen, schwacher Nachfrage sowie hohen Arbeits- und Energiekosten. Die wirtschaftlichen Risiken bleiben in allen Branchen hoch“, so Sebastian Gruber, der sich ebenfalls im Vorstand der IHK-Regionalversammlung engagiert.

Arbeitsmarkt verliert an Stabilität

Auch der Arbeitsmarkt im Allgäu gerät allmählich nun unter Druck. So bleibt die Zahl der Unternehmen, die neue Stellen schaffen möchten, deutlich hinter denen zurück, die einen Abbau ihres Personals erwarten. „Die Krise erreicht zunehmend den regionalen Arbeitsmarkt“, warnt Dorothee Buhmann, Vorstandsmitglied und stellvertretende Präsidentin der IHK Schwaben. „Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Hochlohnländern. Diese Kostendifferenz wirkt sich zunehmend auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie aus. Viele Unternehmen agieren daher defensiv bei der Personalplanung“. Zwar liegt die Arbeitslosenquote mit 3 Prozent im Landkreis Lindau weiter auf einem im Bundesvergleich erfreulichen Niveau, doch zeigen sich erste strukturelle Verschiebungen: Neue Stellen entstehen häufig im öffentlichen Sektor, während in der privaten Wirtschaft Zurückhaltung bei Neueinstellungen herrscht. Zudem verdeckt der demografische Wandel, der die Zahl der Erwerbspersonen verringert, teilweise die tatsächlichen Belastungen auf dem Arbeitsmarkt.

Industrie schwächelt, Warnsignal für den Wirtschaftsstandort

45 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis Lindau arbeiten derzeit im produzierenden Gewerbe. 36 Prozent sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt, 19 Prozent im Handel, Verkehr und Gastgewerbe. Haußer: „Die Industrie ist das Rückgrat unserer regionalen Wirtschaft. Umso schwerer wiegt, dass dessen Branchenindex wieder unterhalb der Wachstumsschwelle gefallen ist. Verantwortlich dafür sind neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die zu hohen Arbeitskosten. Beide Risiken sind hausgemacht und können daher auch selbst gelöst werden.“

Risiken: Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen auf dem ersten Platz

Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen bleiben – wie bereits in den Vorumfragen – quer über alle Branchen hinweg das größte Risiko. 63 Prozent der Unternehmen nennen sie als Haupthindernis, gefolgt von einer schwachen Inlandsnachfrage (62 Prozent) und hohen Arbeitskosten (55 Prozent). Die hohen Energiepreise und der Fachkräftemangel zählen ebenfalls weiterhin zu den größten Hemmnissen – auch wenn sie gegenüber den anderen Risiken seit einiger Zeit an Boden verlieren.
Thomann: „Wenn Beschäftigung in der privaten Wirtschaft zurückgeht, gefährdet das nicht nur den Standort, sondern auch den Wohlstand unserer Region. Wer Stagnation zur Gewohnheit werden lässt, riskiert Wohlstand und Fortschritt.“ Die Wirtschaft fordert endlich konkrete Maßnahmen für strukturelle Reformen statt neuer Ankündigungen. „Deutschland braucht eine grundlegende Entlastung bei Arbeit und Energie, schnellere Genehmigungen und ein Steuer- und Abgabensystem, das Leistung belohnt. Ohne mutige Strukturreformen fällt Deutschland weiter zurück – mit spürbaren negativen Folgen auch für unsere Region.“