Die strukturellen Probleme erreichen den Arbeitsmarkt
Regionale Wirtschaft zunehmend pessimistisch, Beschäftigung gerät unter Druck
Die Wirtschaft in der Region Günzburg steckt bereits seit geraumer Zeit in der Stagnation fest. Nun macht sich die Krise langsam auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Der regionale IHK-Konjunkturindex sinkt im Herbst 2025 auf 93 Punkte und liegt damit deutlich unter seinem zehnjährigen Durchschnitt. „Die heimischen Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen bewerten vor allem die zukünftige Geschäftslage deutlich negativer als noch vor einem halben Jahr. „Die Hoffnung auf eine Trendumkehr durch beherzte Strukturreformen der neuen Bundesregierung hat sich aus Sicht der regionalen Wirtschaft bisher nicht erfüllt. Statt dessen verlieren wir weiter an Boden im internationalen Vergleich. Die Region Günzburg steht stellvertretend für Deutschland – wirtschaftspolitisch gleicht das Land einem Sanierungsfall“, sagt Petra Fischer-Steber, stv. Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Günzburg. „Die Wirtschaft wartet dringend auf den angekündigten „Herbst der Reformen“, sonst schlagen die zahlreichen ungelösten Probleme immer mehr auf den Arbeitsmarkt durch.“
Dreimal jährlich befragt die IHK in Deutschland, Bayern und allen Regionen einen repräsentativen Querschnitt ihrer Mitgliedsunternehmen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und deren Erwartungen. Der IHK-Konjunkturindex bildet beides ab. Seine Wachstumsschwelle liegt bei 100 Punkten, sein langjähriger Durchschnitt bei 114 Punkten. Darüber hinaus wird beispielsweise nach den konjunkturellen Risiken oder den Beschäftigungsplänen gefragt. Die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage lief bis zum 26. September 2025.
Wirtschaftswende lässt auf sich warten
Die Hoffnung auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nach dem Regierungswechsel hat sich bislang nicht erfüllt. Nur noch 16 Prozent der Unternehmen melden aktuell eine gute Geschäftslage (Frühjahr 2025: 23 Prozent), zudem gibt es kaum Anhaltspunkte, dass sich dieser Negativtrend bald umkehren wird. Nur 11 Prozent rechnen mit einer Verbesserung (Frühjahr 2025: 28 Prozent), 20 Prozent erwarten eine Verschlechterung (Frühjahr 2025: 17 Prozent). „Die Krise hat sich leider verfestigt. Viele Betriebe kämpfen gleichzeitig mit regulatorischen Belastungen, einer schwachen Nachfrage und hohen Kosten für Arbeit und Energie“, so Fischer-Steber.
Arbeitsmarkt verliert an Stabilität
Die schlechte Stimmung in der Wirtschaft droht langsam auch auf den Arbeitsmarkt in Westschwaben durchzuschlagen. So bleibt die Zahl der Unternehmen, die neue Stellen schaffen möchten, deutlich hinter denen zurück, die einen Abbau ihres Personals erwarten. „Ohne echte Strukturreformen ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Krise den regionalen Arbeitsmarkt erreicht“, warnt Oliver Stipar, IHK-Regionalgeschäftsführer für Westschwaben. „Viele Unternehmen halten ihre Arbeitskräfte derzeit nur mit großem Kraftaufwand – trotz wirtschaftlicher Unsicherheit.“ Zwar liegt die Arbeitslosenquote mit 2,7 Prozent weiter auf einem im Bundesvergleich erfreulichen Niveau, doch zeigen sich erste strukturelle Verschiebungen: Neue Stellen entstehen häufig im öffentlichen Sektor, während in der privaten Wirtschaft Zurückhaltung bei Neueinstellungen herrscht. Zudem verdeckt der demografische Wandel, der die Zahl der Erwerbspersonen verringert, teilweise die tatsächlichen Belastungen auf dem Arbeitsmarkt.
Industrie schwächelt, Warnsignal für den Wirtschaftsstandort
38 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis Günzburg arbeiten derzeit im produzierenden Gewerbe. 43 Prozent sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt, 19 Prozent im Handel, Verkehr und Gastgewerbe. Stipar: „Die Ausgangslage für unsere Region ist nicht schlecht. Die Region weist einen ausgewogenen Branchenmix auf. Dennoch haben wir mit grundsätzlichen strukturellen Problemen zu kämpfen. Verantwortlich dafür sind neben den übergeordneten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die zu hohen Arbeitskosten. Beide Risiken sind hausgemacht und können daher auch selbst gelöst werden.“
Risiken: Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen auf dem ersten Platz
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen bleiben – wie bereits in den Vorumfragen – quer über alle Branchen hinweg das größte Risiko. 63 Prozent der Unternehmen nennen sie als Haupthindernis, gefolgt von einer schwachen Inlandsnachfrage (62 Prozent) und hohen Arbeitskosten (55 Prozent). Die hohen Energiepreise und der Fachkräftemangel zählen ebenfalls weiterhin zu den größten Hemmnissen – auch wenn sie gegenüber den anderen Risiken seit einiger Zeit an Boden verlieren.
Fischer-Steber: „Das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum und die damit einhergehenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt gefährden nicht nur den Standort, sondern auch den Wohlstand unserer Region. Wir brauchen endlich wieder positive Signale für unsere Unternehmen, damit die Stagnation überwunden wird.“ Daher fordern wir endlich echte strukturelle Reformen statt neuer Ankündigungen. „Oberste Priorität hat dabei aus Sicht der Wirtschaft eine grundlegende Entlastung bei Arbeit und Energie, schnellere Genehmigungen, sowie ein Steuer- und Abgabensystem, das Leistung belohnt. Ohne mutige Strukturreformen fällt Deutschland weiter zurück – mit spürbaren negativen Folgen auch für unsere Region.“
