Nr. 75559
Arbeitsrecht

Überlassungshöchstdauer – Betriebsübergang auf Entleiherseite

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um zu klären, wie die in § 1 Abs. 1b Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Überlassungshöchstdauer unionsrechtskonform zu berechnen ist, wenn auf Entleiherseite ein Betriebsübergang stattgefunden hat.
Die Beklagte gehört einer Unternehmensgruppe an, die unter anderem Sanitärarmaturen herstellt. Als Unternehmen für Logistik unterhält die Beklagte am Ort der Produktionsstätte einen Betrieb, in dem die Produkte verpackt, gelagert und für den Transport vorbereitet werden. Die vormals von dem Produktionsunternehmen als Betriebsteil selbst geführte Logistik ist zum 1. Juli 2018 auf die Beklagte übergegangen.
Der Kläger war in der Logistik durchgängig vom 16. Juni 2017 bis zum 6. April 2022 als Leiharbeitnehmer mit der Kommissionierung von Produkten betraut. Bis zu dem Betriebsteilübergang auf die Beklagte am 1. Juli 2018 war Entleiherin das Produktionsunternehmen. Die Beklagte ist ebenso wie das Produktionsunternehmen Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V.
§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG bestimmt, dass der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate „demselben Entleiher“ überlassen darf, wobei durch oder aufgrund Tarifvertrags der Einsatzbranche gemäß § 1 Abs. 1b AÜG eine vom Gesetz abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden kann.
Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei zum 16. Dezember 2018 wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Das Produktionsunternehmen als Betriebsveräußerer und die Beklagte als Betriebserwerberin seien im Sinne des Gesetzes als derselbe Entleiher anzusehen. Die Beklagte vertritt die gegenteilige Auffassung. Im Fall eines Übergangs des Einsatzbetriebs auf einen anderen Inhaber beginne die Überlassungshöchstdauer neu zu laufen. Dies gelte auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer nach dem Übergang des Betriebs unverändert auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werde. Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, dass die gesetzlich zulässige Überlassungshöchstdauer aufgrund Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarungen auf zuletzt 48 Monate verlängert worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und u.a. festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 16. Juni 2021 ein Arbeitsverhältnis besteht. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte Revision eingelegt.
Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH nach Art. 267 AEUV zur Klärung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2008/104/EG ersucht*. Der Senat hält es für klärungsbedürftig, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei der Berechnung der Überlassungsdauer im Fall eines Betriebsübergangs Veräußerer und Erwerber als ein „entleihendes Unternehmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie anzusehen sind. Davon hängt es ab, ob das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten 18 Monate nach der Überlassung des Klägers zum 16. Dezember 2018 oder erst 18 Monate nach dem Betriebsteilübergang zum 1. Januar 2020 zustande gekommen ist.
Auf die abweichend vom Gesetz nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zulässige Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten konnte sich die Beklagte nicht berufen. Sie unterhält keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb, der dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrags unterliegt. Die dort anfallenden Logistiktätigkeiten sind nicht Teil des Fertigungsprozesses (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 1. Oktober 2024 – 9 AZR 264/23 (A). Quelle: PM Nr. 25/24 vom 1. Oktober 2024).
Veröffentlicht am 18. Oktober 2024.
Vergaberecht

Amtliches Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen

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Unternehmen, die sich um die Vergabe öffentlicher Aufträge bewerben, müssen auftragsunabhängig nachweisen, dass sie geeignet, also leistungsfähig und zuverlässig sind. Hierzu sind eine Reihe von Erklärungen und Dokumenten erforderlich, die jeweils zu beschaffen und einzusenden sind.
Unternehmen aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich, freiberuflich Tätige sowie Handwerksbetriebe, die sich auf Liefer- und Dienstleistungen bewerben, können sich im amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen eintragen lassen.
Durch die Eintragung können die eingetragenen Unternehmen nachweisen, dass sie für einen öffentlichen Auftrag geeignet sind und keine vergaberechtlichen Ausschlussgründe vorliegen. Die vorab geprüften und eingetragenen Unternehmen gelten als geeignet (Eignungsvermutung).
Die Führung des amtlichen Verzeichnisses wurde den Industrie- und Handelskammern als hoheitliche Aufgabe übertragen. Die IHK zu Lübeck führt das amtliche Verzeichnis für alle Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Schleswig-Holstein haben.

Vorteile

  • Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwandes bei häufigen Bewerbungen
  • Höhere Rechtssicherheit durch die Eignungsvermutung
  • Digital kompatibel mit der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE)

Das Verfahren

Die Antragstellung zur Aufnahme in das amtliche Verzeichnis ist ausschließlich über das Web-Portal des AVPQ möglich.
Voraussetzung für die Eintragung ist, dass die Unternehmen ihre wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit sowie das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach bundesweit einheitlichen Standards nachgewiesen haben.

Die Eintragung in das amtliche Verzeichnis ist ein zweistufiges Verfahren

In der ersten Stufe "Präqualifizierung" legen die Unternehmer definierte Nachweise, Dokumente und Eigenerklärungen zur Eignungsprüfung bzw. Präqualifizierung bei der unabhängigen Präqualifizierungsstelle vor. Für unsere IHK ist dies die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein (ABST SH) Deren Mitarbeiter betreuen Sie auch während der einjährigen Eintragungslaufzeit und informieren Sie rechtzeitig vor Ablauf des Zertifikats über eine mögliche Verlängerung.
Die Präqualifizierung ist Voraussetzung für die zweite Stufe "Eintragung in das amtliche Verzeichnis“, die nach einer abschließenden Prüfung durch die zuständige Industrie- und Handelskammer vorgenommen wird. Die Eintragung ins amtliche Verzeichnis ist ein Jahr gültig.
Anstelle der Übersendung vieler Dokumente und Erklärungen bei der Bewerbung um einen öffentlichen Auftrag reicht durch die Eintragung ins amtliche Verzeichnis die Vorlage des Zertifikats.
Kosten:
Die Präqualifizierung
über die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein kostet zurzeit 180 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer pro Jahr.
Der Eintrag ins Amtliche Verzeichnis kostet zurzeit 60 Euro pro Jahr gemäß Ziffer 13.1 des Gebührentarifs der IHK zu Lübeck.

Ansprechpartnerin der ABST SH

Jutta Grote
ABSTSH
Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein e.V.
Bergstr. 2
24103 Kiel
Telefon: 0431 / 98 651-43
Fax.: 0431 / 98 651-40
grote@abst-sh.de
Markenrecht

Markenrechtsmodernisierungs­gesetz

Am 14. Januar 2019 ist das neue Markenrechtsmodernisierungsgesetz (MoMoG) in Kraft getreten. Durch das neue Markenrecht soll das Nebeneinander von nationalen Marken und Unionsmarken weiter harmonisiert und die Rechte der Markeninhaber gestärkt werden.
Neu geschaffene Markenkategorie “Gewährleistungsmarke”
Die Gewährleistungsmarke war bereits als Unionsmarke verfügbar, nunmehr kann auch in Deutschland für Gütesiegel oder Prüfzeichen markenrechtlicher Schutz erlangt werden. Diese Markenkategorie kennzeichnet sich dadurch, dass nicht die Herkunftsfunktion, sondern die Garantiefunktion im Vordergrund steht. Eine Gewährleistungsmarke ist bei der Anmeldung als solche zu bezeichnen. Sie muss geeignet sein, die Waren und Dienstleistungen, für die der Markeninhaber das Material, die Art und Weise der Herstellung, die Qualität, die Genauigkeit oder andere Eigenschaften der Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen gewährleistet, von solchen zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht.
Neue Markenformen
Marken müssen nicht mehr grafisch darstellbar sein. Ausreichend ist, dass die jeweilige Marke eindeutig und klar bestimmbar ist. So können gegebenenfalls auch Hologramm, geräuschhafte Klangmarken sowie andere Markenformen in geeigneten elektronischen Formaten als Marke eingetragen werden, wenn nicht anderweitige Schutzinteressen entgegenstehen.
Ein internationaler Schutz ist jedoch ausgeschlossen, weil die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) an der zweidimensionalen grafischen Darstellung festhält.
10 Jahre Schutzdauer ab dem Anmeldetag
Die Schutzdauer für Marken, die nach in Kraft treten des Gesetzes eingetragen werden, endet zehn Jahre nach dem Anmeldetag und nicht mehr zum Ende des Monats des jeweiligen Anmeldetages.
Verfalls- bzw. Nichtigkeitsverfahren
Das bisherige Löschungsverfahren wird umbenannt. Eingeführt wird ein Verfalls- und Nich-tigkeitsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, das das bisherige Löschungs-verfahren ersetzt.
Änderungen im Widerspruchsverfahren
Widerspruchsverfahren können zusammengefasst werden. Inhaber mehrerer älterer Rechte können diese nunmehr mit einem einzigen Widerspruch geltend gemacht werden. Zugleich wurden weitere Widerspruchsmöglichkeiten geschaffen. Hervorzuheben sind hierbei geschützte geographische Angaben und geschützte Ursprungsbezeichnungen. Auf Antrag beider Parteien kann eine sog. Cooling-off-Periode gewährt werden, um diesen die Verhandlungen zu erleichtern.

Onlinehandel

Infos für Onlinehändler zum neuen Verpackungsgesetz

Zum 1. Januar 2019 ist der Großteil der Regelungen des Verpackungsgesetzes (VerpackG) in Kraft getreten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Pflichten für Online-Händler dargestellt werden.
Hervorzuheben ist die neu geschaffene Registrierungspflicht vor dem Inverkehrbringen bei der Zentralen Stelle mit Namen, Kontaktdaten etc. (§ 9 I). Die erstmalige Registrierung erfolgt über das zur Verfügung gestellte elektronische System. Die fehlende Registrierung führt hierbei zu einem Verbot des Inverkehrsbringens systembeteiligungspflichtiger Verpackungen (§ 9 V). Dabei werden sowohl die Hersteller als auch die nachfolgenden Vertreiber in die Pflicht genommen. Vertreiber dürfen systembeteiligungspflichtige Verpackungen nicht anbieten, wenn die Hersteller dieser Verpackungen nicht oder nicht ordnungsgemäß registriert sind.
Zudem trifft den Vertreiber eine Meldepflicht gegenüber der neu eingeführten Zentralen Stelle (§ 10). Alle Angaben, die im Rahmen der Systembeteiligung an das duale System mitgeteilt werden, sind ebenfalls an die Zentrale Stelle zu melden. Diese Meldung hat höchstpersönlich zu erfolgen (§ 33).
Hersteller müssen jährlich zum 15. Mai eine sogenannte Vollständigkeitserklärung elektronisch bei der Zentralen Stelle hinterlegen. Diese Erklärungen sind nicht mehr an die IHK zu richten. Ausnahmen hinsichtlich der Vollständigkeitsklärung bestehen lediglich für Bagatellmengen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass keine Vorlizenzierung mehr möglich ist, wenn Verpackungen erstmalig durch den Händler in den Verkehr gebracht werden. Darüber hinaus besteht für Verbraucher erstmalig die Möglichkeit, die Daten der Unternehmen in einem Online-Register einzusehen. Hinsichtlich einer Systembeteiligungspflicht besteht kein Unterschied zu den bisherigen Pflichten im Rahmen der Verpackungsverordnung.
Zusammenfassend bestehen folgende vier konkreten Pflichten für einen Online-Händler:
  • Registrierungspflicht bei der Zentralen Stelle (§ 9)
  • Systembeteiligungspflicht (§ 7)
  • Meldepflicht sowohl dem Dualen System als auch der Zentralen Stelle gegenüber (§ 10)
  • Abgabe einer Vollständigkeitserklärung jährlich zum 15. Mai (§ 11)