Mehr als Meer
Schleswig-Holsteins Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit wachsender Bedeutung. Auch die Gesundheitswirtschaft ist bei Wertschöpfung und Beschäftigung ein Schwergewicht im Land. Beide zeigen, dass es im echten Norden "ehr als Meer" gibt – und vor allem ein immenses Entwicklungspotenzial.
Tourismus
Wattwanderung zur Hallig Süderoog
Mit einem Bruttoumsatz von 9,7 Milliarden Euro (2019) und 160.000 direkt Beschäftigten stellt der Tourismus für Schleswig-Holstein einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Die Tourismusintensität ist in Schleswig-Holstein – neben der in Mecklenburg-Vorpommern – im Bundesvergleich am höchsten. Dabei ist der Tourismus in Schleswig-Holstein eng mit einem Bündel anderer Dienstleistungsbereiche wie Gastgewerbe, Eventbranche und Einzelhandel verknüpft.
Die Tourismusbranche steht unter einem permanenten Innovations- und Qualitätsdruck, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und mit den Folgen des Strukturwandels umzugehen. Wenngleich die Tragweite der Auswirkungen der Coronapandemie für die Tourismusbranche noch nicht umfassend absehbar ist, spitzen sich die Herausforderungen wie der Fachkräftemangel zu. Zudem erfordern steigende Energiekosten und ein wachsendes Umweltbewusstsein der Gäste eine nachhaltige, innovative Weiterentwicklung und Optimierung der Angebote durch die Betriebe.
- Konsequente Umsetzung der neuen Landes-Tourismusstrategie
Unternehmen und Kommunen benötigen eine verlässliche Perspektive über Legislaturperioden hinweg. Daher ist die Tourismusstrategie 2030 des Landes, die sich derzeit in der Fertigstellung befindet, die Basis des politischen Handelns. Die Zielsetzung der Strategie, einen nachhaltigen, qualitativ hochwertigen Tourismus in Schleswig-Holstein zu entwickeln, muss die Richtschnur künftiger Entscheidungen sein. Die Wirtschaft erwartet, dass sich das Land als konstruktiver Partner in die Umsetzung der Tourismusstrategie einbringt und ihre Umsetzung fördert. Dazu ist eine zielgerichtete Unterstützung der Akteure durch ein finanziell und personell angemessen ausgestattetes Umsetzungsmanagement erforderlich, um notwendige Impulse zu setzen, die definierten Handlungsfelder zu koordinieren und ihre Umsetzung zu befördern sowie die Zielerreichung in den einzelnen Themenschwerpunkten und der Gesamtstrategie zu kontrollieren.
- Tourismusbewusstsein und -akzeptanz fördern
Obwohl der Tourismus gerade in ländlichen Regionen mit einer schwachen wirtschaftlichen Basis zur Verbesserung der Standortattraktivität und Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung beiträgt, treten zunehmend Akzeptanzprobleme auf. Die Einbindung der Einheimischen in Entscheidungsprozesse und der Aufbau eines Tourismusbewusstseins gewinnen zunehmend an Bedeutung, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Um ein hohes Tourismusbewusstsein zu erreichen, braucht es eine positive Stimmung aller am Tourismusgeschehen Beteiligten – von den touristischen Akteuren über die politischen Entscheidungsträger bis hin zur gesamten Wirtschaft und Gesellschaft. Vom Land initiierte und unterstützte Kommunikationskampagnen zum Tourismusbewusstsein können helfen, den Stellenwert und die Akzeptanz des Tourismus zu erhöhen.
- Fachkräftesituation in der Branche verbessern
Die Fachkräftesituation war schon vor der Pandemie die größte Sorge der Tourismusbetriebe. Mittlerweile belastet sie die Unternehmen aufgrund der Abwanderung von Mitarbeitenden in andere Branchen dramatisch. Schleswig-Holstein muss für den Zuzug von Fachkräften aus anderen Regionen und Ländern attraktiver werden. Neben Imagekampagnen bedarf es weiterhin geeigneter Programme, die Betriebe bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung unterstützen. Um das Potenzial internationaler Fachkräfte für die Branche stärker nutzbar zu machen, müssen Einstellungsprozesse vereinfacht und beschleunigt sowie bürokratische Hürden weiter abgebaut werden. Modellprojekte, die auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Auszubildende und Mitarbeitende in Tourismuskommunen abzielen, sollten landesseitig flankiert und unterstützt werden.
- Infrastrukturförderung auf kommunaler Ebene sichern
Die Förderung touristischer Infrastruktur in den letzten Jahren war für Schleswig-Holstein wichtig und hat zu vielen positiven Effekten geführt. Sie hat vielerorts einzelbetriebliche Investitionen ausgelöst und ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein bis zum Beginn der Coronakrise sehr gut entwickelte. Die Wachstumsraten der letzten Jahre vor der Coronakrise sind jedoch kein Garant für einen anhaltenden Aufwärtstrend. Damit die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein langfristig wettbewerbsfähig bleibt, sind weiterhin Investitionen in die touristische Infrastruktur erforderlich. Vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen muss trotz insgesamt schwieriger Haushaltslagen die Finanzierung der für die touristische Entwicklung notwendigen Infrastruktur mittel- und langfristig sichergestellt werden. Nur auf Grundlage einer zeitgemäßen touristischen Infrastruktur können die Unternehmen der Branche langfristig wirtschaftlich erfolgreich tätig sein.
- Förderung für Betriebe zur Bewältigung des Strukturwandels erhalten
Neben der Bereitstellung öffentlicher Mittel zur Förderung der touristischen Infrastruktur hat gerade auch die Unterstützung der Tourismusbetriebe durch die Förderung von Sonderprojekten in den Bereichen Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit zur positiven Entwicklung des Tourismus in Schleswig-Holstein beigetragen. Die Unterstützung und Förderung touristischer Unternehmen muss zentrale Aufgabe einer proaktiven Tourismuspolitik bleiben.
- Investitionen in Tourismusmarketing sicherstellen
Die erfreulichen Gästezahlen der letzten Jahre bieten keine Gewähr für den künftigen Erfolg des Schleswig-Holstein-Tourismus. Es ist anzunehmen, dass der Wettbewerb stark zunehmen wird, sobald inländische Gäste wieder vermehrt auch europäische und interkontinentale Destinationen bereisen. Um die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Schleswig-Holstein zu bewahren, sind daher auch der Erhalt und die Neugewinnung von Gästen durch ein gezieltes Tourismusmarketing signifikant. Nachdem es gelungen ist, auf Landes- und Regionalebene professionelle touristische Marketingstrukturen zu schaffen, gilt es, diese langfristig zu sichern und zu verstetigen. Die Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein ist in ihrer Aufstellung als Landesorganisation weiter zu stärken und ihr Marketingbudget für Imagewerbung, Neukundengewinnung und Auslandmarketing bedarfsgerecht zu erhöhen. Genauso ist die Marketingförderung der regionalen Organisationen beizubehalten und zu sichern.
Gesundheitswirtschaft
Die wenig krisenanfällige Gesundheitswirtschaft, zu der rund 9.000 Unternehmen zählen, ist der größte Arbeitgeber Schleswig-Holsteins und zählt mit einer Bruttowertschöpfung von etwa 13 Milliarden Euro zu den wirtschaftlichen Schwergewichten des Landes. Mittlerweile ist jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft tätig und jeder siebte Euro wird in der Gesundheitswirtschaft erarbeitet. Im bundesweiten Vergleich hat die Medizintechnik in Schleswig-Holstein die höchsten Beschäftigtenanteile. Zusammen mit der Pharmazeutik zählt sie zudem zu den exportstärksten Branchen Schleswig-Holsteins. Durch ihre Innovationskraft und Beschäftigungsstärke ist sie zudem ein bedeutender Wachstumstreiber.
- Profil des Landes als Lifesciences-Standort schärfen: Unternehmen gewinnen und halten
Um als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Schleswig-Holstein stärker den Anschluss an andere Bundesländer und Regionen finden. Deshalb muss das Land mit seiner Dachmarke "Schleswig-Holstein. Der echte Norden" mehr als ein geografisches Gefühl vermitteln; denn Standort- und Investitionsentscheidungen von Unternehmen orientieren sich an den Rahmenbedingungen, die sie in einem Bundesland vorfinden. Daher muss Schleswig-Holstein sein Profil als Wirtschaftsstandort für Lifesciences stärker schärfen, seine Alleinstellungsmerkmale deutlicher herausstellen und attraktive, verlässliche Standortbedingungen mit Signalwirkung schaffen. Diese Kriterien müssen feste Bestandteile einer strategischen Ansiedlungspolitik sein, die gleichermaßen die Standortsicherung bereits im Land ansässiger Unternehmen im Fokus hat, damit Wertschöpfung im Land erhalten bleibt. Das Schleswig-Holstein und Hamburg umfassende Cluster Life Science Nord und darin bestehende regionale Clusterstrukturen wie etwa die Gesundheitsregion Nord e. V., die Spezialpharmazeutik im Unterelberaum und die Medizintechnik im Raum Lübeck stellen mit der Vielfalt der sie umgebenden Unternehmen ideale Kristallisationskerne für Neuansiedlungen dar, die es in der Ansiedlungspolitik zu berücksichtigen gilt.
- Beschäftigungsmotor stärken
Der Fachkräftemangel zählt in der Gesundheitswirtschaft zu den größten Herausforderungen.Ob qualifizierte Fachkräfte in der medizinischen Versorgung, in der Krankenpflege oder in der Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte: Sie alle tragen zur Gesundheitsversorgung Schleswig-Holsteins bei. Viele schleswig-holsteinische Pharma-, Medizinprodukte- und Medizintechnikhersteller sind zudem sehr exportstark und vertreiben weltweit innovative Medizinprodukte, In-vitro-Diagnostika, Krebsmedikamente und neue anwendungsorientierte Therapien. Damit dies so bleibt, muss die Attraktivität Schleswig-Holsteins auch als Arbeits- und Wohnort konsequent gestärkt werden, indem gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land hergestellt werden. Dem Mangel an Fachexperten in der Medizintechnik und im Bereich Lifesciences kann beispielsweise dadurch begegnet werden, dass auch die neue Landesregierung fachbezogene Ausbildungs- und Studiengänge im Land konsequent fördert, etwa im Umfeld der UKSH-Standorte in Kiel und Lübeck. Für junge Leute auch aus anderen Teilen Deutschlands muss Schleswig-Holstein noch attraktiver werden.
- Lifesciences und Medizintechnik weiter fördern
Die IHK Schleswig-Holstein unterstützt die Landespolitik darin, dass die Life Science Nord Management GmbH, der in enger Zusammenarbeit mit Hamburg die Betreuung dieses Wirtschaftsclusters – eines der erfolgreichsten im Norden überhaupt – übertragen wurde, gefördert wird. Von der künftigen Landesregierung erwarten wir, dass sie zusammen mit Hamburg dieses Engagement nahtlos weiterführt. Allerdings steht die Branche vor großen Herausforderungen in den Bereichen Regulatorik und Digitalisierung sowie in Bezug auf den Mangel an Fachexperten. Insbesondere die Umsetzung der neuen europäischen Verordnungen für Medizinprodukte (MDR) und für In-vitro-Diagnostika (IVDR) bindet in zahlreichen Unternehmen umfangreiche (zum Beispiel personelle) Ressourcen, die für andere Aufgaben – etwa für Forschung und Entwicklung – dann nicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund nehmen Hersteller zahlreiche Medizinprodukte vom Markt, die Patienten dann nicht mehr zur Verfügung stehen, und verlieren dennoch durch die umfangreichen Dokumentationspflichten an Innovationskraft. Auch mit Blick auf den Erhalt einer funktionierenden Gesundheitsversorgung ist es dringend erforderlich, dass sich die neue Landesregierung bei der Bundesregierung und bei der Europäischen Kommission dafür einsetzt, dass das europäische Regelungswerk in den Unternehmen praxisgerecht umgesetzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als im Zuge der Digitalisierung für die kommenden Jahre weitere, auch diese Branche betreffende europäische und nationale Regulierungen bereits in Vorbereitung sind, zum Beispiel in Bezug auf die künstliche Intelligenz. Es gilt, einer weiteren Überregulierung der Branche Einhalt zu gebieten.
- Krankenhausfinanzierung nachhaltig sicherstellen
Zu einer effizienten Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein zählen adäquat ausgestattete, leistungsfähige Krankenhäuser. Insbesondere während der Corona-pandemie sind infrastrukturelle, technische und finanzielle Defizite deutlich geworden. Um Kliniken Investitionen in die Krankenhausmodernisierung zu ermöglichen und ihnen dabei Planungssicherheit zu bieten, muss die Krankenhausfinanzierung an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und langfristig stabilisiert werden, etwa durch eine Reformierung der DRGs. Die Initiative der Länder, dieses Vergütungssystem weiterzuentwickeln, ist zu begrüßen, duldet angesichts der sehr angespannten finanziellen Situation der Krankenhäuser keinen Aufschub und ist gegenüber dem Bund mit Nachdruck zu verfolgen. Auch mit dem Krankenhauszukunftsgesetz wurde der richtige Weg eingeschlagen, den Digitalisierungsstau zu lösen und die sektorenübergreifende informationstechnische Vernetzung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Die Implementierung und der anschließende Unterhalt digitaler Innovationen sind jedoch sehr kostenintensiv. Damit digitale Lösungen auch in Zukunft ihren Nutzen entfalten können, muss nicht nur die Finanzierung mittel- und langfristig sichergestellt sein, sondern es müssen auch Nachbesserungen bei den förderspezifischen Umsetzungsbedingungen, die an den Krankenhauszukunftsfonds geknüpft sind, erfolgen.Umsetzungsbedingungen
Der hohe zeitliche Druck zur Umsetzung digitaler Projekte bis 2025 hat zu einer gestiegenen Nachfrage nach Anbietern digitaler Lösungen geführt, die nun an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Dies gilt es bei Prüfung einer etwaigen Rückforderung von Fördermitteln beziehungsweise bei der Festsetzung von Strafzahlungen seitens des Bundesamts für Soziale Sicherung zu berücksichtigen.DRG-System (Diagnosis Related Groups)
Das DRG-System (DRGs = Diagnosis Related Groups) ist ein pauschalisierendes Abrechnungssystem, bei dem stationäre Krankenhausbehandlungen weitestgehend unabhängig von der Verweildauer des Patienten über Fallpauschalen abgerechnet werden. Dies führt in Krankenhäusern oft zu Kostendruck und setzt Fehlanreize, die letztlich die Unterbesetzung des Pflegepersonals befördern können. - Telemedizinisches Potenzial stärker ausschöpfen
Telemedizin bietet die Chance, medizinische Versorgung dauerhaft und ortsunabhängig sicherzustellen, insbesondere in den ländlichen Regionen Schleswig-Holsteins. Die von Gesundheits-IT-Dienstleistern entwickelte Technik für medizinische Versorgungsverbünde, Kliniken und Medizinische Versorgungszentren ist ausgereift und hat sich in zahlreichen Pilotprojekten als praktikabel und insbesondere während der Coronapandemie als äußerst nutzbringend erwiesen. Auch kleinere Kliniken profitieren von telemedizinischen Anwendungen, etwa bei pathologischen Fernbefundungen. Zudem konnten in Pandemiezeiten Hausbesuche in Altenheimen zur Verringerung des Infektionsrisikos durch Telemedizin ersetzt werden und eine engere Kontrolle chronisch Kranker erfolgen. Auch telemedizinische Routinediagnostik (zum Beispiel EKG, Lungenfunktion, Vitalwerte) können Hausbesuche verringern und somit die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum einschließlich der Inseln ergänzen, stärken und effizienter gestalten. Dadurch können Versorgungsstrukturen der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum besser angepasst werden. Damit dies flächendeckend gelingt, ist ein intensiveres Engagement der Landesregierung auf Bundesebene für eine optimierte Telematikinfrastruktur, eine entsprechende Vergütungsstruktur für telemedizinische Leistungen sowie eine leistungsfähige Breitbandversorgung erforderlich.
- Vorbereitende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aus Sicht der Gesundheitsversorger
- Katastrophenpläne einhalten beziehungsweise aufstellen
- Reserven vorhalten (Verbrauchs- und Testmaterialien, persönliche Schutzausrüstung wie Kittel, Masken, Handschuhe)
- Bessere Aufgabenverteilung zwischen Praxen, mobilen Impfteams, Impfzentren, und Kreisen; Rollen und Koordination deutlich festlegen (Kreise, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Ministerien), Beteiligung der Wirtschaft
- Impfpläne mit Priorisierung (Risikopatienten, Klinikpersonal, Heime, Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten etc.)
- Verbindliche Pandemiepläne können ständige Konferenzen der Gesundheitsminister und des Bundes ersetzen, um zeitnahe Reaktionen zu ermöglichen
- Abstimmung der öffentlichen Kommunikation, um widersprüchliche Informationen zu verhindern, die die Glaubwürdigkeit gefährden