Talente der Zukunft fördern – Fachkräfte gezielt entwickeln
Die Wirtschaft verzeichnet in fast allen Bereichen eine stetig wachsende Fachkräftelücke. Der IHK-Konjunkturbericht für Schleswig-Holstein aus dem dritten Quartal 2021 unterstreicht, mit welcher Härte der Fachkräftemangel nach der Coronakrise zurück ist. Zwei Drittel der befragten Unternehmen bewerten den Fachkräftemangel als wesentlichstes Risiko. Er ist damit der größte Risikofaktor der Unternehmerinnen und Unternehmer in Schleswig-Holstein. Die Mehrheit der Betriebe (52 Prozent) sucht derzeit gezielt Absolventen einer dualen Berufsausbildung.
- Digitalisierung der Schulen und des Unterrichts vorantreiben
- Unterricht vor Ort in hoher Qualität sicherstellen
- Berufliche Orientierung weiter optimieren und ausbauen
- Grundbildung der Schülerinnen und Schüler: ökonomisch, nachhaltig, naturwissenschaftlich, langfristig
- Internationalisierung der Bildung und der Fachkräftesicherung
- Lebensbegleitendes Lernen
Der Fachkräftebedarf der Zukunft kann nur mithilfe von Bildung im beruflichen und den akademischen Bereich gedeckt werden. Die duale Ausbildung mit ihrer systematischen Berufsorientierung muss daher von allen gesellschaftlichen Gruppen als echte Alternative zum Studium gesehen werden.
Dazu gehört auch eine systematische Berufsschulentwicklungsplanung gemeinsam mit den Stakeholdern der dualen Ausbildung in Schleswig-Holstein. Für die Zukunft muss eine passgenaue Mischung aus dezentraler Beschulung und optimaler Qualität gefunden werden. Die Digitalisierung der Schulen und des Unterrichts ist ein unabdingbares Element, um die Bildung in Schleswig-Holstein zukunftssicher aufzustellen. Ein Azubiticket kann die Attraktivität der dualen Ausbildung durch verbesserte Mobilität zusätzlich fördern. Um den Schülerinnen und Schülern eine optimale Orientierung bei der Berufswahl zu geben, ist ein systematischer Ausbau der beruflichen Orientierung mit einer höheren Verbindlichkeit an den allgemeinbildenden Schulen erforderlich. Die Schülerinnen und Schüler müssen dort außerdem Grundlagen für ökonomische Zusammenhänge und Nachhaltigkeit sammeln. Die Begeisterung gerade für die MINT-Fächer muss schon im frühkindlichen Alter geweckt und im weiteren Verlauf der Bildungsbiografien gesichert werden.
Um die Fachkräftesicherung in Schleswig-Holstein für die Zukunft bestmöglich zu entwickeln, ist eine Internationalisierung der Bildung notwendig (berufsspezifischer Sprachunterricht und Englisch als Unterrichtssprache). Abschlüsse der Aus- und Weiterbildung dürfen nicht an Sprachhürden scheitern. Ohne Zuwanderung aus dem Ausland wird die Fachkräftelücke in Schleswig-Holstein nicht zu schließen sein.
Ein weiterer Aspekt der Fachkräftesicherung ist das lebensbegleitende Lernen. Gerade im Hinblick auf den digitalen und technologischen Wandel der Lebens- und Arbeitswelt sind berufsbegleitende Weiterbildungen unerlässlich.
Schwerpunktforderungen der IHK Schleswig-Holstein
Duale Ausbildung stärken und Berufsschulen weiterentwickeln
- Fachkräfte gesucht
Die duale Ausbildung war wie in der Wirtschaftskrise 2008 auch während der Corona-pandemie in Deutschland ein Garant für die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der gesamten EU. Durch die Krise ist die Anzahl der neu geschlossenen Ausbildungsverträge in Schleswig-Holstein im Vergleich zur Zeit vor Corona aber um 11,8 Prozent gesunken. Bis zum Jahr 2035 werden circa 110.000 Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in Schleswig-Holstein fehlen. Das bestätigt der IHK-Konjunkturbericht für Schleswig-Holstein aus dem dritten Quartal 2021. Zwei Drittel der befragten Unternehmen bewerten den Fachkräftemangel dort als wesentlichstes Risiko. Er ist damit der größte Risikofaktor für Unternehmen in Schleswig-Holstein. Die meisten Unternehmen suchen dabei nach Absolventen einer dualen Berufsausbildung. Schon jetzt betreiben vielen Unternehmen einfallsreiches und aktives Azubimarketing, um dem anstehenden Fachkräftemangel zu begegnen.
- Attraktivität der Dualen Ausbildung steigern
Damit das Angebot auf eine erhöhte Nachfrage trifft, muss die duale Ausbildung an allen allgemeinbildenden Schulen mehr in den Fokus gerückt werden. Dazu ist es notwendig, das Landeskonzept Berufliche Orientierung konsequent umzusetzen und weiter auszubauen. Um die Attraktivität der dualen Ausbildung zu erhalten und zu verbessern, muss unter anderem eine optimale Mischung aus Qualität und dezentraler Beschulung gewährleistet bleiben. Hierfür sollte eine strategische Schulentwicklungsplanung mit den wichtigsten Stakeholdern der dualen Ausbildung für Schleswig-Holstein erstellt werden. Eine Abwärtsspirale aus sinkenden Ausbildungszahlen, der Schließung von Berufsschulklassen und dem damit einhergehenden Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung muss unbedingt vermieden werden. Andernfalls wären weiter sinkende Ausbildungszahlen die unvermeidbare Konsequenz. Um gerade im Flächenland Schleswig-Holstein die Auszubildenden weiterhin mit qualitativ hochwertigem Berufsschulunterricht zu versorgen, sollten digitale Lehr- und Lernangebote erweitert werden. Während der Coronapandemie haben die Berufsschulen erste positive Erfahrungen mit digitalen Lernmöglichkeiten gemacht. Das Land Schleswig-Holstein hat bereits zwei Lernfelder für den Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce entwickelt. Das Land sollte sich bei der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, dass zukünftig alle 16 Bundesländer zusammen nach diesem Beispiel Lernfelder für den digitalen Unterricht entwickeln und allen Berufsschulen in Deutschland zur Verfügung stellen. Auch nach der Coronapandemie muss es rechtlich möglich sein, digitalen Unterricht in allen dafür geeigneten Fächern zu geben. Die Ausbildungsbetriebe nutzen das mobile Ausbilden auch nach der Krise weiter. Es wird individuell nach den Möglichkeiten des Ausbildungsberufs und des Leistungsstands des Auszubildenden angeboten.
- Neue Wege gehen
Um neue Wege der Beschulung auszuprobieren, schlägt die IHK Schleswig-Holstein vor, Pilotprojekte systematisch möglich zu machen. Das Schulgesetz sollte hierfür entsprechende rechtliche Möglichkeiten schaffen.Der bereits bestehende Fachkräftemangel und der zukünftig noch steigende Fachkräftebedarf erfordern zudem eine Imageoffensive der Landesregierung, um die duale Ausbildung bei Schulabsolventen und Eltern als echte Alternative zum Studium zu platzieren.
- Azubiticket für Schleswig-Holstein
Weiterhin kann ein kostenfreies oder kostengünstiges Azubiticket für Schleswig-Holstein mit einem entsprechend guten ÖPNV-Angebot die Attraktivität der dualen Ausbildung erhöhen. Nach dem Vorbild des NAH.SH-Tickets sollte Schleswig-Holstein – wie auch andere Bundesländer – ein möglichst kostenfreies Mobilitätsangebot für alle Auszubildenden etablieren. Unter Kostenbeteiligung von Arbeitgebern, NAH.SH und dem Land Schleswig-Holstein könnte ein solches Ticket schnell und unkompliziert umgesetzt werden. Allerdings sollte es mit Blick auf die Zugänglichkeit des Angebots gerade für kleinere und mittlere Unternehmen keine Mindestabnahmemenge geben. Im Flächenland Schleswig-Holstein ist weiterhin ein bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot für Azubis von herausragender Bedeutung. Die mangelnde Mobilität der Auszubildenden darf nicht zur Ausbildungsbarriere werden. Zehn andere Bundesländer haben bereits ein Azubiticket eingeführt.
Digitalisierung der Schulen und des Unterrichts vorantreiben
Die digitale Transformation betrifft nicht nur die Vermittlung von Kompetenzen, sondern auch den grundlegenden Wandel der Lehr- und Lernumgebungen. Genauso wie technische Entwicklungen tiefgreifende Veränderungen bei betrieblichen Prozessen, Geschäftsfeldern und Strategien hervorrufen, lösen digitale Technologien und Medien auch in der Bildung einen Veränderungsdruck auf bestehende Konzepte und Organisationsformen aus.
- Informatikkompetenzen bei allen Schülerinnen und Schülern entwickeln
Obwohl die Digitalisierung schon lange Thema im Bildungswesen ist, sind junge Menschen häufig unzureichend auf die Anforderungen der modernen Arbeits- und Studienwelt vorbereitet. Nur knapp 18 Prozent der Schülerinnen und Schüler eines zwölften Jahrgangs verfügen über ausreichende IT-Kompetenzen zur Aufnahme eines Studiums (Senkbeil, Schöber, Ihme 2018). Die Studie ICILS 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel der Achtklässlerinnen und Achtklässler nur über sehr rudimentäre und basale computer- und informationsbezogene Kompetenzen verfügt (Eikelmann et al. 2019). Insbesondere die hohe Leistungsstreuung zwischen Schülerinnen und Schülern von Gymnasien und anderen Schulformen der Sekundarstufe I stellt ein Problem dar, das sich auf die Ausbildungsreife der Jugendlichen auswirkt. Die IHK Schleswig-Holstein fordert daher, das Unterrichtsfach Informatik verbindlich zum Schuljahr 2022/23 an allen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen mit vier Jahreswochenstunden in der Mittelstufe einzuführen. Durch die fortschreitende Digitalisierung nimmt der Bedarf an IT-Fachkräften weiter zu. In vielen Unternehmen der IT-Branche bestehen bereits Engpässe.
- Digitalisierung der Schulen vorantreiben
Aus Sicht der IHK Schleswig-Holstein müssen die Bemühungen hinsichtlich der Digitalisierung der Schulen weiter vorangetrieben und Ausstattungsstandards definiert werden. Der DigitalPakt Schule hat gezeigt, dass Mittel für die digitale Ausstattung der Schulen wesentlich unkomplizierter beantragt und schneller bewilligt werden müssen. Die Kompetenzentwicklung im Umgang mit digitalen Lernformaten muss bei Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern umfassender und zügiger erfolgen. Die neue Landesregierung ist in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die IT-Infrastruktur und die IT-Betreuung an den Schulen einen deutlich höheren und einheitlichen Qualitätsstandard erreichen.Über reine Ausstattungsfragen hinaus gilt es, die Rolle von Lehrkräften und Unterrichtskonzepten neu zu definieren. Dabei folgt die Anwendung digitaler Lernmittel dem Ziel, Lernprozesse auf die individuellen Bedarfe von Schülerinnen und Schüler abzustimmen. Die Qualität der Ausbildung kann durch Digitalisierung nur dann verbessert werden, wenn ein didaktischer Mehrwert generiert wird, der über den reinen Ersatz analoger Unterrichtsmethoden hinausgeht.Die zunehmenden Anforderungen an den technischen Support in den Schulen gehen auch von einem erhöhten Beratungsbedarf bei Lehrkräften aus, die auf Unterstützung bei der technischen Transformation des Unterrichts angewiesen sind. Schulische Ausstattung, deren Funktionalität nicht gewährleistet ist, stellt ein maßgebliches Hemmnis für den Einsatz digitaler Medien in der Lehre dar. Die Einsatzbereitschaft der Endgeräte muss an allen Schulen durch einen professionellen IT-Support und klare Investitionspläne gesichert werden.
Unterricht vor Ort in hoher Qualität sicherstellen
Zur Sicherung der Qualität des Unterrichts benötigen die Schulen Möglichkeiten, eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler mit entsprechenden Betreuungsquoten umzusetzen. Bedarfsgerechte Ganztagsangebote – offen wie gebunden – müssen vorgehalten und ausgebaut werden. An den Schulen muss vor allem eine verlässliche Umsetzung der Unterrichtsverpflichtung erfolgen.
- Lehrkräfteausbildung verbessern
Die Lehrkräfteausbildung muss deutlich intensiviert, die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte verbessert werden, um wieder mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Schon in der Ausbildung sollten die Lehrkräfte verbindliche Berührungspunkte zu den Themengebieten der 21st Century Skills bekommen. Schülerinnen und Schülern sollten insbesondere der kompetente Umgang mit Medien, Technologien, Informationen und Daten, die virtuelle und persönliche Kommunikation und Kollaboration, kreative Problemlösungen, Innovationsfähigkeit, analytisches und kritisches Denken und Flexibilität, Eigenmotivation und selbständiges Arbeiten vermittelt werden. Hierfür muss bereits die Lehrkräfteausbildung die notwendigen Grundlagen schaffen.Anreizsysteme, die qualitativ guten Unterricht und gute Lehrkräfte belohnen, sowie Evaluationen auch durch die Schülerinnen und Schüler an den Schulen müssen zum Standard werden. Eine höhere Ausbildungs- und Studienreife der Schülerinnen und Schüler muss unbedingt erreicht werden.
- Schülerinnen und Schüler zur Ausbildungsreife bringen
Viele Unternehmen wenden schon heute Personal- und Finanzkapazitäten auf, um die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der Ausbildungszeit zur Ausbildungsreife zu bringen. Die Schwächen der Schülerinnen und Schüler in den Abgangsklassen liegen vor allem in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik. Die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie 2018 belegen, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler zwar über dem OECD-Durchschnitt liegen, jedoch scheint der Aufwärtstrend , der Deutschland nach dem PISA-Schock 2001 über den Schnitt getragen hatte, endgültig vorbei zu sein. Im Lesen hat sich die Leistungskurve abgeflacht und ist wieder beim Wert von 2009 angekommen. In Mathematik und den Naturwissenschaften weist sie klar nach unten.
Berufliche Orientierung weiter optimieren und ausbauen
Die Landesregierung hat mit dem neuen Landeskonzept Berufliche Orientierung einen ersten Schritt in die richtige Richtung unternommen. Die Verbindlichkeit des Themas in den Schulen wurde an einigen Stellen erhöht, die Berufsorientierung an den Schulen muss aber weiter intensiviert und deutlich ausgebaut werden.
- Potenzialanalysen für alle Schülerinnen und Schüler anbieten
Aus Sicht der IHK Schleswig-Holstein sollte es ein flächendeckendes Angebot von Potenzialanalysen für alle Schülerinnen und Schüler geben, um gezielter in die Praktikums- und im Anschluss in die Berufsauswahl zu starten. Hier ist eine gezielte Investition an den allgemeinbildenden Schulen sinnvoller als Nachvermittlungsaktionen für angehende Azubis und Vermittlungsaktionen von Studienabbrechern. Weiterhin ist eine noch stärkere Einbindung der Berufsschulen in die Berufsorientierung geboten.
- Maßnahmen der Berufsorientierung verzahnen
Wie auch in anderen Bereichen hat die Pandemie Defizite der Berufsorientierung verstärkt und nochmals verdeutlicht. Offensichtlich wurde die Bedeutung außerschulischer Angebote. Hier ist eine engere Verzahnung mit schulischen Angeboten erforderlich. Zudem müssen weitere Maßnahmen folgen, und das Land sollte die Finanzierung der beruflichen Orientierung an den Schulen mit verbindlichen zwei bis vier Lehrerkontingentstunden für alle allgemeinbildenden Schulen deutlich ausbauen. Abbruchquoten von 30 bis 50 Prozent bei den Studierenden und von 25 Prozent bei den Auszubildenden könnten mit einer gezielteren Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler verringert werden – und damit auch der volkswirtschaftliche Schaden für das Land Schleswig-Holstein.Unterstützend zur Berufsorientierung an den Schulen gibt es das vom Land geförderte Projekt "Fachberatung Schule – Betrieb" mit mehr als 1.100 Kooperationen zwischen Schulen und Ausbildungsbetrieben. Das Projekt ist in die Fachkräfteinitiative Schleswig-Holstein eingebunden und wurde durch die Ausbildungsbotschafter ergänzt. Damit gibt es in Schleswig-Holstein sechs Vollzeitstellen zum Thema Schule und Wirtschaft bei den IHKs und den Handwerkskammern. Die Wirtschaft und das Land tragen jeweils 50 Prozent der Kosten für die Vollzeitstellen. Über das Berufswahlsiegel wird die systematische Berufsorientierung evaluiert und ein Impuls für Verbesserungen erzeugt. Diese Projekte sollten auf jeden Fall fortgeführt werden.
- Schüler-ID einführen
Um die Berufsorientierungsmaßnahmen zu optimieren, würde die Einführung einer Schüler-ID helfen. Hierdurch wäre es möglich nachzuvollziehen, wie der Bildungsweg der Schülerinnen und Schüler nach der Schule verläuft. Erste Schritte dazu gab es im Sommer 2020, die Einführung der ID muss aber noch deutlich an Fahrt gewinnen und zu Beginn der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden.
Grundbildung der Schülerinnen und Schüler: ökonomisch, nachhaltig, naturwissenschaftlich, langfristig
- Verbindliche ökonomische Grundbildung für alle Schülerinnen und Schüler – Entrepreneurship Education
Ökonomische Grundkenntnisse sind für jeden jungen Menschen zur Einordnung und zum Verständnis von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen erforderlich. Die IHK Schleswig-Holstein fordert daher die Vermittlung von Grundkenntnissen über ökonomische Zusammenhänge in einem Umfang von mindestens 200 Stunden in Sekundarstufe I. Durch die Neugestaltung der Oberstufenverordnung des Landes wurde das Fach Wirtschaft/Politik geschwächt. Das Thema Entrepreneurship Education ist derzeit nicht verbindlich für alle Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein vorgesehen, die Verbindlichkeit muss zukünftig festgeschrieben werden. Im Oktober 2019 hat der IQB-Bildungstrend (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen – Wissenschaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-Universität zu Berlin e. V.) den Schülerinnen und Schülern in den MINT-Fächern deutlich schlechtere Leistungen bescheinigt als 2012. Im Bereich der MINT-Fächer fehlen der Wirtschaft in Schleswig-Holstein schon heute der Nachwuchs und viele Fachkräfte.
- MINT-Bildung verbindlich ausbauen
Nach wie vor ist der Lehrkräftemangel in den naturwissenschaftlichen Fächern ausgeprägt, und Schülerinnen und Schüler können durch frühzeitige Abwahl ihre Schulzeit ohne die notwendigen Grundkenntnisse abschließen. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss die Bildung in den MINT-Fächern und im digitalen Bereich bereits im frühkindlichen Alter beginnen. Sie muss über alle Klassenstufen und Schularten bis zum Schulabschluss für alle Schülerinnen und Schüler fortgesetzt werden. Für den Bereich der Kitas und Grundschulen ist vom Land flächendeckend die bisher nur von der Wirtschaft getragene Initiative "Haus der kleinen Forscher" zu unterstützen.
- Nachhaltigkeit einbeziehen
Das Thema Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig und muss in den Schulen durchgängig Anwendung finden. In den Fachanforderungen Schleswig-Holsteins für die allgemeinbildenden weiterführenden Schulen aller Fächer ist die Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung als eine "Auseinandersetzung mit Kernproblemen des gesellschaftlichen Lebens" verbindlich vorgesehen. Diese muss jetzt auch konsequent Anwendung finden.
- Akteure der Wirtschaft einbeziehen
Auch Akteure der Wirtschaft sollen für einen Austausch mit den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich einbezogen werden. So können beispielsweise Projekte oder bereits umgesetzte Aktivitäten in Bezug auf nachhaltiges Leben und Arbeiten durch die Wirtschaft dargestellt werden. Gleichzeitig können Schülerinnen und Schüler ihre Projekte der Wirtschaft präsentieren. Dies soll über eine zentrale Plattform, die den Schulen zur Verfügung gestellt wird, erfolgen. Die Unternehmen sollen dabei idealerweise bereits von Beginn an in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung soll damit bestmöglich in Einklang gebracht werden.
Internationalisierung der Bildung und der Fachkräftesicherung
Der Trend der Internationalisierung der Lebens- und Arbeitswelt wird sich weiter fortsetzen. Das Land hat mit dem Landeskonzept "Bilingualer Unterricht" einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Allerdings ist die Lehreraus- und -weiterbildung viel stärker auf dieses Konzept auszurichten. Auch müssen die Schulen landesweit deutlich besser mit Ressourcen für diesen Bereich ausgestattet werden. Aus bildungspolitischer Sicht und auch zur Sicherung der Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein kann das Land sich nicht weiter auf private Initiativen verlassen. Zukünftig muss bilingualer Unterricht im kompletten Bildungssystem – sowohl an den allgemeinbildenden als auch an den beruflichen Schulen – angeboten und ausgebaut werden.
- Fachkräfte systematisch integrieren
Die Internationalisierung der Fachkräftesicherung zielt auf die systematische Fachkräftegewinnung aus dem Ausland ab. Eine systematische Integration von Fachkräften inklusive ihrer Familienangehörigen in Schleswig-Holstein muss zum Standard werden. Patenprogramme in den Unternehmen für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unterstützungsleistungen durch die Arbeitgeber bei Behördenvorgängen sind schon heute in vielen Betrieben Normalität.
- Internationalisierung der Bildung
Um die Fachkräftesicherung in Schleswig-Holstein für die Zukunft optimal zu entwickeln, ist eine Internationalisierung der Bildung notwendig (berufsspezifischer Sprachunterricht und Englisch als Unterrichtssprache). Abschlüsse der Aus- und Weiterbildung dürfen nicht an Sprachhürden scheitern. Besonders in der Ausbildung sorgen unzureichende Sprachkenntnisse zu Beginn der Ausbildung für Ausbildungsabbrüche und das Scheitern der Ausbildung bei Geflüchteten. Hier gilt es, die 3-plus-2-Regelung um eine ein- bis zweijährige Einstiegsqualifizierung verbindlich zu ergänzen. Damit könnte die Planbarkeit der Ausbildung sowohl für die Geflüchteten als auch für die ausbildenden Unternehmen für sechs bis sieben Jahre garantiert werden. Die potenziellen Auszubildenden mit Migrationshintergrund hätten so ein bis zwei Jahre länger Zeit, die Sprache zu erlernen und sich kulturell in Deutschland zurechtzufinden.
Lebensbegleitendes Lernen
In den letzten Jahren ist die Weiterbildungsbeteiligung kontinuierlich gestiegen. Gleichwohl sollte Weiterbildung einen noch größeren Stellenwert erhalten – vor allem mit Blick auf die Chancen und Herausforderungen, die der digitale Wandel mit sich bringt. Weiterbildung ist aus Sicht der Unternehmen eine wichtige Maßnahme, um auf aktuelle und künftige Fachkräfteengpässe zu reagieren und die Krisenfestigkeit der Wirtschaft nach den Erfahrungen mit der Coronapandemie zu unterstützen. Praxisnahe und qualitativ hochwertige Weiterbildungen sind daher wichtig.
Qualifizierungsmaßnahmen sollten konsequent auf den betrieblichen Bedarf und die individuellen Voraussetzungen der Teilnehmer und der Unternehmen ausgerichtet werden. Es mangelt gerade bei neuen Anforderungen mit Blick auf Wirtschaft 4.0 auf dem Weiterbildungsmarkt nicht selten an geeigneten Angeboten zum berufsbegleitenden lebenslangen Lernen.
Mehr Angebote für berufsbegleitendes lebenslanges Lernen sind zu fördern, um die Berufstätigkeit und eine kontinuierliche Weiterbildung noch besser miteinander zu verbinden. Praxistaugliche Unterstützungsformate müssen auf der politischen Agenda bleiben.