Stellungnahme der IHK Schleswig-Holstein

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Der Ordnung halber möchten wir darauf hinweisen, dass unsere Stellungnahme eine solche der IHK Schleswig Holstein als Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern zu Flensburg, zu Kiel und zu Lübeck ist und nicht des IHK Nord e.V.. Wir gehen davon aus, dass dies auch dem Wunsch der benennenden Stelle am besten entspricht.
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf ist beabsichtigt, für Bewerber um ein Mandat als Landtagsabgeordnete oder Landtagsabgeordneter den Kündigungsschutz zu erweitern. 
Die Verschärfung von Kündigungsschutzregeln reduziert die Flexibilität der Unternehmen, beispielsweise auf eine veränderte Auftragslage schnell reagieren zu können. Von der hier geplanten Erweiterung des Kündigungsschutzes wären besonders kleinere Unternehmen betroffen, die in der Regel zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigen, da für sie das Kündigungsschutzgesetz nur in einer abgemilderten Form Anwendung findet.
Zu Recht wird im Kündigungsschutzgesetz auf die besonderen Belange der kleineren Unternehmen Rücksicht genommen.
Eine Kündigungsschutzregelung abseits dieser Systematik durch das AbgeordnetenG schlägt ohne Berücksichtigung dieser Wertung voll auf die Unternehmen durch. Regelungen wie diese sind daher geeignet, die Bereitschaft von Unternehmen zu reduzieren, Personal einzustellen. 
Eingriffe dieser Art bedürfen daher der Rechtfertigung.
Im Einzelnen:

Ausreichender Kündigungsschutz nach derzeit geltendem Recht

Bewerber für ein Mandat im schleswig-holsteinischen Landtag sind bereits gem. § 2 Abs. 2 AbgeordnetenG hinreichend geschützt. Demnach ist bereits heute eine Kündigung ausgeschlossen, die von dem Motiv getragen wird, die Bewerbung um ein Mandat zu sanktionieren. Arbeitgeber, die einen solchen Mitarbeiter kündigen wollen, müssen bereits jetzt Gründe darlegen, die andere Motive plausibel und glaubhaft deutlich machen.
Weshalb etwa ein Mitarbeiter, der ständig unentschuldigt verspätet zur Arbeit erscheint, deshalb nicht gekündigt werden dürfte, weil er für ein Mandat im Landtag kandidiert, ist nicht nachvollziehbar.

Situation des Mandatsträgers nicht mit Situation des Bewerbers vergleichbar

Die Erweiterung des § 2 Abs. 3 AbgeordnetenG ist vor diesem Hintergrund auch nicht sachgerecht, da die Norm eine Stoßrichtung aufweist, die nicht auf die Situation des Bewerbers um ein Mandat übertragbar ist.
Während Abs. 2 nämlich eine Duldungspflicht des Arbeitgebers in Bezug auf ein politisches Engagement neben der Beschäftigung beim Arbeitgeber normiert, stellt die Regelung des Abs. 3 einen echten Eingriff dar: Denn sobald ein Mitarbeiter das Mandat tatsächlich ausübt, wird er dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung nicht mehr zur Verfügung stellen und genießt in dieser Zeit (dennoch) Kündigungsschutz.
Diese Situation des Mandatsträgers ist daher nicht mit der Situation eines Bewerbers um ein Mandat vergleichbar, der seine Arbeitsleistung vertragsgemäß erbringt.
Dieser empfindliche Eingriff in die Privatautonomie der Vertragsparteien und in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Unternehmens lässt sich dann auch nur für Mandatsträger durch das in Art. 48 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geregelte Behinderungsverbot rechtfertigen.
Diese verfassungsrechtliche Norm hat abschließenden Charakter und schützt im Gegensatz zu Art. 48 Abs. 1 GG gerade nicht den Bewerber um ein Mandat.

Ausschluss der ordentlichen Kündigung

Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung für einen Bewerber um ein Mandat aus Gründen, die nichts mit seiner Kandidatur zu tun haben ist unverhältnismäßig.
Sicherlich würde die freie Mandatsausübung des Mandatsträgers in verfassungswidriger Weise belastet, wenn dieser befürchten müsste, anlässlich vertretener politischer Positionen seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Daher ist der erweiterter Kündigungsschutz auch deshalb angemessen, weil eine klare Verbindungzwischen politischer Entscheidung und Kündigung durch den Arbeitgeber selten offensichtlich sein dürfte. 
Da der erfolglose Bewerber aber gerade keine politischen Entscheidungen mittragen kann, ist eine darauf gestützte Erweiterung seines Kündigungsschutzes auch nicht sachgerecht. Anknüpfungspunkt für den Bewerber auf ein Mandat ist eben die Bewerbung selbst, die im Misserfolgsfall mit der Wahl abgeschlossen ist. Hier besteht aber bereits gem. § 2 Abs. 2 AbgeordnetenG ausreichender Kündigungsschutz.
Die Ausweitung des Kündigungsausschlusses auf Bewerber ist daher nicht sachgerecht. Dessen Schutzbedürftigkeit erschöpft sich darin, dass er verfassungsrechtlich nicht an einer Bewerbung gehindert werden darf. Eine Kündigung aus diesem Grund ist aber bereits nach § 2 Abs. 2 AbgeordnetenG ausgeschlossen. 
Warum Kündigungsgründe, die weder mit der Bewerbung noch mit der Ausübung eines Mandats in Zusammenhang stehen, ausgeschlossen sein sollen, ist für uns nicht nachvollziehbar. 
Folgerichtig lehnen wir ab, dass dieser Kündigungsschutz auch nach dem Tag der Wahl noch fortwirken soll, zumal gem. § 2 Abs. 2 AbgeordnetenG ohnehin bereits ein zeitlich unbegrenzt gültiger Kündigungsschutz besteht, soweit aus Motiven der Bewerbung um das Mandat gekündigt werden soll. 
Veröffentlicht am 4. Juli 2014