Flächensparen

Wirtschaftswachstum ermöglichen, Flächensparen planvoll ausrichten

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen, die durchschnittliche Netto-Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu senken. Darüber hinaus strebt sie in ihrem Klimaschutzprogramm bis zum Jahr 2050 die so genannte Flächenkreislaufwirtschaft an. Das heißt, dass ab diesem Jahr in der Summe keine weitere Siedlungs- und Verkehrsfläche mehr in Anspruch genommen werden soll.

Politisches Ziel zum Flächensparen: ab 2030 nur noch 1,3 Hektar pro Tag – ab 2050 Kreislaufwirtschaft

Für Schleswig-Holstein bedeutet dies eine anteilige Netto-Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr bis zum Jahr 2030 auf höchstens 1,3 Hektar pro Tag, bevor ab 2050 auch hier die Flächenkreislaufwirtschaft gilt.

Berechnungsgrundlage sind mehrjährige Durchschnittswerte - sinnvoller Ansatz, das sollte beibehalten werden

Das Land hat die Vorgabe in den Landesentwicklungsplan aufgenommen. Damit greift es – wie der Bund – einer Entwicklung voraus, die sich am tatsächlichen Flächenverbrauch der vergangenen Jahre bereits ablesen lässt: Bundesweit ist der durchschnittliche tägliche Flächenverbrauch von knapp 130 Hektar im Jahr 2000 um rund 60 Prozent auf nur noch rund 50 Hektar im Jahr 2019 gesunken. In Schleswig-Holstein sank die tägliche Flächeninanspruchnahme von etwa 8,5 Hektar in den Jahren 2001 bis 2004 sogar um rund 80 Prozent auf nur noch 1,76 Hektar im Jahr 2019. Auch wenn es sich hierbei um die Extremwerte des Beobachtungszeitraums handelt, ist der Trend zum sparsameren Flächenverbrauch in den vergangenen rund 20 Jahren eindeutig.
Mit dem letztgenannten Wert befindet sich unser Bundesland nur um einen knappen halben Hektar über der Zielgröße, die ab 2030 gelten soll. Daher muss die Betrachtung der Flächeninanspruchnahme weiterhin mindestens über den aktuell herangezogenen gleitenden Vierjahresdurchschnitt erfolgen, um statistischen Ausreißern keine zu große Bedeutung zu geben.

Umbau der Energieerzeugung schafft eine neue Dynamik

Neben dem Betrachtungszeitraum ist auch entscheidend, welche Form der Flächennutzung in die Gesamtrechnung einbezogen wird. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion zur zukünftigen Energieversorgung Deutschlands und den dafür nötigen, deutlichen Ausbau der regenerativen Energien verschärft sich die drohende Flächenknappheit, wenn die Anlagen zur Energieerzeugung und die entsprechende Infrastruktur angerechnet würden. Lösungsansätze für diesen Konflikt haben wir unten aufgeführt.

Aus Sicht der Wirtschaft gelten folgende Aussagen:

1. So wenig Bürokratie wie möglich wagen

Das Ziel wirtschaftlichen Handelns, den Wohlstand zu mehren, ohne dazu unnötig in die Natur einzugreifen, zeichnet sich bereits an der aufgezeigten bisherigen Entwicklung des Flächenverbrauchs deutlich ab. Deshalb sollte der nun festgeschriebene Ansatz des “Flächensparens” möglichst unbürokratisch und damit ressourcensparend umgesetzt werden.

2. Die landesweite Berechnung ermöglicht wichtigen Spielraum

Gerade in seinem südlichen, der Metropolregion Hamburg zugehörigen Teil profitiert Schleswig-Holstein von der räumlichen Beschränktheit der Freien und Hansestadt. Eine Flächenbegrenzung darf nicht dazu führen, dass die Attraktivität dieses Landesteils für ansiedlungswillige Unternehmen – und damit seine Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort – leidet. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die anderen Landesteile und damit für Schleswig-Holstein insgesamt. Aus diesem Grund wäre ein weiteres Herunterskalieren des Flächensparziels auf Kreise oder Kommunen nicht sinnvoll, um künftig eine bedarfsgerechte Entwicklung sicherzustellen.

3. Kein Hemmnis für zukunftsweisende Ansiedlungen schaffen

Dies betrifft hinsichtlich der Landesansiedlungsstrategie vor allem Investoren, die gezielt von außerhalb Schleswig-Holsteins angeworben werden. Ihre Ansiedlung darf nicht daran scheitern, dass nicht genügend adäquate Flächen zur Verfügung stehen. Dieses mögliche Problem genau im Blick zu haben, muss eine vorrangige Aufgabe des Flächenmonitorings auf Landesebene sein. Die Erkenntnisse aus dem in weiten Teilen Schleswig-Holsteins bereits praktizierten Monitoring (beispielsweise Metropolregion Hamburg, REK Westküste, der KielRegion, Regionalmanagement im Hansebelt) sollten sinnvoll in die landesweite Betrachtung eingebracht werden. Die Hoffnung, durch “recycelte” Flächen eine Kompensation zu erreichen, ist wegen schwieriger Bedingungen in Bezug auf Größe, Zuschnitt und den Zeithorizont der Verfügbarkeit zu hinterfragen.

4. Wechselwirkung mit anderen politischen Zielen bedenken

Ziele und Vorgaben zur Flächeninanspruchnahme dürfen sich nicht widersprechen. Das im Gesetz zur Mobilisierung von Bauland verfolgte Ziel, der Kostenentwicklung für Wohnraum entgegenzuwirken, ist so umzusetzen, dass es die Beschränkung der Flächenneuinanspruchnahme auf 1,3 Hektar in Schleswig-Holstein nicht erschwert, sondern unterstützt.

5. Zukunftsfesten Infrastrukturausbau weiterhin ermöglichen

Wie die noch zu bauende überregionale Verkehrsinfrastruktur (TEN V) bei der Flächeninanspruchnahme anzurechnen ist, muss unbedingt geklärt werden: Schleswig-Holstein hat als Land zwischen den Meeren und Brücke nach Skandinavien eine wichtige und wachsende Bedeutung als Verbindung der europäischen Staaten und ihrer Volkswirtschaften. Dennoch ziehen sich Projekte wie die A 20 mit fester Unterelbquerung als Verbindung Ost- und West-Europas oder die Feste Fehmarnbeltquerung mit ihrer Straßen- und Schienenanbindung als Verbindung Skandinaviens mit dem restlichen Kontinent bereits viel zu lange hin. Die dafür benötigten Flächen zugunsten ganz Deutschlands und Europas dürfen nicht zulasten des Flächenkontingents des Landes Schleswig-Holstein gehen. Die Bevorzugung anderer Teile Deutschlands beim Infrastruktur-Ausbau darf nicht dazu führen, dass die daraus resultierende wirtschaftliche Benachteiligung Schleswig-Holsteins durch künftig verstärkt geltende Flächenbeschränkungen dauerhaft festgeschrieben wird.
Klimafreundliche Mobilitätsalternativen, wie die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, bedürfen ebenfalls neuer Infrastrukturen. Neben der Reaktivierung brachliegender Gleisanschlüsse sind auch Neubau und Erweiterungen erforderlich.

6. Förderprogramm aufsetzen und evaluieren

Der zunehmende Druck, brachliegende oder mindergenutzte Flächen zu revitalisieren, ist vielerorts mit einem höheren Aufwand verbunden. Hierfür müssen geeignete Förderinstrumente geschaffen werden, damit die Kommunen und Wirtschaftsförderungen aktiv Maßnahmen ergreifen können. Teil des landesweiten Flächenmonitorings müsste es daher zwingend sein, die jeweiligen Förderprogramme (zum Beispiel den Baulandfonds) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu evaluieren.

7. Kein Konterkarieren des Klimaschutzes

Der Umgang mit dem Klimawandel wirkt sich in zweierlei Hinsicht auf den Ansatz des Flächensparens aus. Zum einen darf der Ausbau regenerativer Energiegewinnung nicht durch das Flächensparen beeinträchtigt werden. Abhilfe könnte dabei die verstärkte Mehrfachnutzung einer Fläche schaffen (zum Beispiel PhotovoltaikAnlagen auf Parkplätzen). Zum anderen müssen auch Anpassungen der Standorte an das veränderte Mikroklima (etwa vermehrte Starkregenereignisse oder Hitze-/ Dürreperioden) erfolgen, die auch die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Bestehende Standorte müssen klimaresilient weiterentwickelt werden. Dazu gehören Maßnahmen für die Energieeffizienz wie auch Investitionen zum Schutz vor Hitzeeinwirkungen und ggf. Hochwasser, allerdings auch das Einbinden von Belüftungsstreifen, Grünanlagen usw. Eine Nachverdichtung könnte diesen Ansatz konterkarieren
Daraus ergeben sich folgende Forderungen, die sich in zwei inhaltliche Blöcke gliedern lassen:

Versiegelung als Bewertungsmaßstab - differenzierte Datengrundlage schaffen

I. Konsequent die Digitalisierung nutzen

Die Einschätzung und Bewertung genutzter wie recycelter Flächen muss schneller digitalisiert und damit verbessert werden. Dazu sollte die Digitalisierung der Bauleitplanung forciert werden, um mögliche Flächenpotenziale für die gewerbliche Wirtschaft besser sichtbar zu machen.

II. Flächeninanspruchnahme ist nicht gleich Flächeninanspruchnahme

Die verschiedenen Arten der Flächeninanspruchnahme sind nicht gleich zu bewerten. Zielführender ist, sie in Abhängigkeit von ihrer Nutzung unterschiedlich zu gewichten und so ein qualitatives Element in die Betrachtung einzubringen: So ist der Bau einer Start- und Landebahn ein tiefgreifenderer Eingriff in Natur, Boden- und Wasserhaushalt als der Bau eines Gewerbegebietes mit hohem Grünflächenanteil; eine Fläche der solaren Energiegewinnung ist nur mit einem sehr geringem Eingriff verbunden. Entsprechende Faktoren müssen bei der Berechnung neu zu erschließender Flächen herangezogen werden.

III. Nachverdichtung auch zukünftig aus Berechnung herausnehmen

Nachverdichtungen sollten auch zukünftig nicht in die Kalkulation der Flächeninanspruchnahme einbezogen werden. Das bedeutet, dass Flächen, die in der aktuellen Rechnung bereits in vollem Umfang aufgrund des Planwerkes (B-Plan oder ungeplante Bereiche) mit einbezogen werden, auch zukünftig in dieser Form berechnet werden sollten. Aufhebungen der Planungsgrundlage sollten dazu führen, dass die gesamte Fläche in die Berechnung einfließt.

IV. Gutschriften nicht mehr genutzter Fläche

Nicht mehr genutzte Flächen sollen auch weiterhin als “Gutschriften” bei der Flächennutzung bewertet werden, sodass auch künftig die Kalkulation zu einer wirklichen Netto-Inanspruchnahme gelangt. Eine landesweite Bilanzierung schafft Spielräume für dicht besiedelte Räume mit hohem Siedlungsdruck.

Zukunftsfähige Areale für unterschiedliche Formen des Wirtschaftens schaffen

I. Gewerbe- und Industriegebiete sichern

Nachhaltig nutzbare Industrie- und Gewerbegebiete sind von erheblicher Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein. Durch Nachverdichtungen und Mischnutzungen darf es hier nicht zu einer Verdrängung kommen. Vielmehr sind die bestehenden Industrie- und Gewerbeflächen proaktiv auf kommunaler Ebene zu sichern. Hierbei sollten die als Kompensationsmaßnahme auszuweisenden Ausgleichsflächen zunehmend flexibler umgesetzt werden können – beispielsweise dadurch, dass diese Flächen nicht in der direkten Nähe des Bauprojektes realisiert werden müssen.
Der DIHK hat im Jahr 2018 mit der Veröffentlichung “Wirtschaft braucht Fläche” die Forderungen der gewerblichen Wirtschaft zu einer zukunftsfähigen Flächenpolitik gebündelt in den öffentlichen Diskurs eingebracht. In dem Papier finden sich unter anderem eine Vielzahl von Lösungsansätzen und Best Practice Beispiele für sinnvolle Flächennutzung.

II. Bedingungen für flächensparendes Bauen verbessern

Über Nachverdichtungen hinaus erfordern flächenoptimierte Bebauungspläne nicht nur im Wohn- sondern auch im Gewerbebereich häufig ein erhöhtes Maß an Kreativität, das im Sinne der Vereinbarkeit von ökonomischer und ökologischer Entwicklung unseres Landes jedoch aufzubringen ist. Die Landesregierung ist aufgerufen, den Kommunen durch Förderprogramme Anreize zu setzen, die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen. Außerdem ist es ihre Aufgabe, sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen, dass die allgemein akzeptierten Regelungen des Baugesetzbuches zur sparsamen Flächeninanspruchnahme nicht unnötig weiter verschärft werden. Die mit komplexeren Planverfahren verbundenen höheren Kosten sind ohne Förderprogramme für die Kommunen ebensowenig abzudecken wie die höheren Kosten, die die (Wieder-)Nutzbarmachung von Flächen in verdichteten Räumen gegenüber der “grünen Fläche” mit sich bringen.

III. Innenverdichtung fördern

Dasselbe gilt für die in Innenbereichen liegenden Flächen selbst, deren Erwerb und Unterhalt oftmals zu teuer und damit für Unternehmen unattraktiv sind, sodass deren Abwanderung droht. Daher sind die bestehenden Förderprogramme für die Erfüllung des 1,3 Hektar-Grundsatzes durch die Kommunen unverzichtbar und zwingend auszubauen. Auch sind die Antrags- wie Genehmigungsprozesse für die Förderung zu beschleunigen, damit die ohnehin knappe Fläche nicht unnötig noch weiter verknappt wird. Die Landesregierung ist aufgerufen, sich in diesem Sinne einzusetzen.

IV. Denkmalschutz nicht überbewerten

Wichtig bei der (Wieder-)Inanspruchnahme von Gewerbebrachen ist, den Denkmalschutz nicht überzubewerten, denn er setzt die ohnehin schon geringere Attraktivität dieser Flächen weiter empfindlich herab. Auch sollte ermöglicht werden, durch eine höhere Bebauung die bestehenden sowie die neu zu erschließenden Gewerbe- und Industriegebiete bestmöglich zu nutzen.

V. Interkommunale Zusammenarbeit stärken

Weiterhin sind interkommunale Kooperationen zu fördern, denn je größer der Betrachtungsraum ist, desto leichter lassen sich passende Flächen für Wohn- und Gewerbevorhaben finden. Dies schließt ein, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Das Land ist aufgefordert, entsprechende Initiativen zu ergreifen.

Informationen und Meinungsbildungsprozess zum Positionspapier der IHKs in Schleswig-Holstein zum Flächensparziel

Warum ist dieses Thema wichtig?

Für die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein braucht es auch in Zukunft ausreichend adäquate Flächen, sowohl für Neuansiedlungen und als auch für Erweiterungen bestehender Unternehmen. Das Flächensparziel wirkt perspektivisch stark begrenzend auf die zur Verfügung stehenden Fläche.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Indirekt berührt das Ziel alle Unternehmen im Land, da auch die Infrastrukturen in die Flächenberechnung einfließen und somit ggf. langfristig Restriktionen in Bezug auf deren Ausbau auftauchen können. Perspektivisch wird sich das Flächensparziel direkt auf alle Unternehmen auswirken, die zusätzliche Flächen für die unternehmerischen Aktivitäten benötigen. Tendenziell sind dabei insbesondere Unternehmen mir Bedarfen nach großen Flächen betroffen.

Frühere IHK-Positionen zu diesem Thema:

  • Positionen zur Landtagswahl 2022 (Stand 2021)

Meinungsbildungsprozess

  • 11/2021 bis 21. März 2022 - Erarbeitung der Position im Haupt- und Ehrenamt
  • 12. April 2022 bis 12. Mai 2022 - Konsultationsphase
  • 18. Mai 2022 - Befassung Präsidium
  • 05/2022 - Konsultationsphase
  • 24. Juni 2022 – Beschlussfassung durch die Vollversammlung

Informationen und Meinungsbildungsprozess zur Raumordnung Regionalplanung Schleswig-Holstein 2023

Das Land Schleswig-Holstein hat gemäß Landesplanungs­gesetz das Beteiligungsverfahren zur Regionalplanung gestartet. Die IHK Flensburg hat in Vorbereitung der Stellungnahme u.a. eine Online-Beteiligungsprozess gestartet.
Parallel zum Beteiligungsprozess der IHK Flensburg hat die IHK Flensburg empfohlen, Inhalte auch direkt an das Land zu richten über BOB-SH Landesplanung.
Die IHKs in Schleswig-Holstein haben sich danach mit einer Stellungnahme in diesen Prozess eingebracht.

Warum ist dieses Thema wichtig?

Die Regionalpläne schreiben auf regionaler Ebene die räumliche Entwicklung Schleswig-Holsteins fest. Dabei behandeln sie Themen wie Tourismus, Siedlungsentwicklung, Rohstoffabbau usw. und tangieren durch die jeweiligen Festschreibungen in Teilen auch die Entwicklungsmöglichkeiten von Wirtschaftsstandorten und im Einzelfall auch von Unternehmen.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Indirekt alle Unternehmen des IHK-Bezirkes, direkt insbesondere Unternehmen aus der Rohstoffbranche.

Frühere IHK-Positionen zu diesem Thema

Meinungsbildungsprozess

  • Juli bis Oktober 2023 - Online-Konsultationsphase
  • 9. November 2023 - Abgabe der Stellungnahme
Veröffentlicht am 24. Juni 2022