Positionspapier der IHK Flensburg

Zukunftsfähigkeit der landeseigenen Westküstenhäfen

Auf einen Blick

Die Westküste Schleswig-Holsteins verfügt über eine lange maritime Tradition und es existieren zahlreiche maritime Standorte – auf dem Festland, den Inseln und den Halligen. Zu den größten und wichtigsten gehören Husum und Büsum – beide mit landeseigenen Häfen. Leider sind in beiden Landeshäfen seit Jahren notwendige Investitionen in die Infrastruktur, die Befahrbarkeit und die Organisationsabläufe ausgeblieben oder nicht ausreichend erfolgt. Die in den beiden Häfen tätigen Wirtschaftsbetriebe haben schon jetzt teils mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen. Das Land muss deshalb dringend aktiv werden. Ansonsten drohen Büsum und Husum den Anschluss zu verlieren.
Der Standort Husum verfügt über eine Werft, die auf Frachtschiffe, Trockenfrachter, Tanker und Gastanker spezialisiert ist. Zahlreiche Reedereien sind für Reparaturen und Wartungen aufgrund fehlender Alternativen auf die Werft angewiesen. Ein Schiffsagentur- und Befrachtungsunternehmen, zwei Agrarhandelsunternehmen sowie eine Kutterflotte sind hier beheimatet.
Büsum besitzt den flächenmäßig größten Hafen an der Westküste. Er beheimatet die stärkste Fischkutterflotte Schleswig-Holsteins und eine der größten Deutschlands. Im Hafen sind daher zahlreiche Dienstleistungsbetriebe für die Fischerei ansässig. Außerdem hat der Hafen zwei Werften. Für Fischer aus dem In- und Ausland ist Büsum eine bedeutsame Anlaufstelle und der Standort ein Zentrum der Krabbenlogistik: Alle Krabben, die an der Westküste Schleswig-Holsteins bis hoch nach Dänemark gefangen werden, durchlaufen die vier Siebstellen in Büsum und werden von dort weiterverschickt. Darüber hinaus ist Büsum ein wichtiger maritimer Forschungsstandort im Bereich terrestrische und aquatische Wildtierforschung und es werden von dort Aktivitäten im Bereich der Behördenschifffahrt sowie der gewerblichen, touristischen und freizeitlichen Schifffahrt durchgeführt. Der größte Arbeitgeber ist ein Kraftfutterhersteller mit über 60 Mitarbeitern am Hafenstandort.
Zahlreiche Arbeitsplätze an der Westküste hängen somit direkt an den Regionalhäfen in Husum und Büsum. Hinzu kommen die indirekten Arbeitsplatzeffekte und Abhängigkeiten. Zulieferer und Handwerksbetriebe sind eng mit den Unternehmen der Hafenwirtschaft verbunden. Außerdem werden die Häfen regelmäßig für logistische Zwecke zur Verladung von Projektladung (zum Beispiel Windkraftanlagen oder Kesselsysteme) genutzt. Darüber hinaus sind viele Unternehmen in der Region auf die Produkte und Dienstleistungen der Hafenwirtschaft angewiesen. Wichtiges Beispiel: die Landwirtschaft. So verfügen beide Standorte über je ein großes Agrarhandelsunternehmen am Standort, mit besonderer Bedeutung insbesondere für die Milch- und Fleischproduktion in der Region. Gleiches gilt für die Bauwirtschaft: Für die Unternehmen in der Region ist der Umschlag von Baustoffen über die Häfen wichtig – und wird in Zukunft wohl noch wichtiger werden. Denn in Schleswig-Holstein bzw. Deutschland ist die Gewinnung von Baustoffen wie Kiese oder Sande aufgrund von Auflagen immer schwieriger, so dass sie immer häufiger per Schiff aus Skandinavien importiert werden.

In die Infrastruktur investieren

Die Infrastruktur in den landeseigenen Westküstenhäfen muss gezielt ertüchtigt und weiterentwickelt werden. Eine Verschlickung der Tidehäfen und ihrer Zufahrten ist durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Um aktuelle Schiffskapazitäten bedienen zu können, muss in Husum dauerhaft ein Tiefgang von 4,70m und in Büsum von 6,70m im Innenhafen bzw. 10,00m an der Ostmole ermöglicht werden. Darüber hinaus sind Spundwände, Dalben und Reibepfähle in einem nutzungsfähigen Zustand zu halten und ggf. zu ertüchtigen. Damit Umschlag uneingeschränkt stattfinden bzw. sich entwickeln kann, müssen Traglasten der Kaianlagen und der Zuwegungen wiederhergestellt werden. 
Die landeseigenen Häfen benötigen aber auch dringend Investitionen in Hafenerweiterungen, um deren Fortbestehen zu sichern. In Büsum zählen dazu v.a. der Ausbau des Hafenbeckens 4, die Herstellung einer Liftbox für den Betrieb einer Schiffshebeanlage, die Verlagerung des Tonnenhofes und eine neue Slipanlage. Im Husumer Hafen wird dringend eine Schwerlastpier im Außenhafen auf der Nordseite benötigt. Der Zugang vom Norden zur südlichen Schwerlastpier ist nicht möglich bzw. für hohe Güter stark eingeschränkt. Darüber hinaus müssen in beiden Häfen vorhandene, aber nicht zugängliche Flächen zu Wasser und an Land für wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt und hafenaffin verwendet werden. Ferner sollte die Anschaffung eines gemeinsamen Wasserinjektionsbootes und Schleppers geprüft werden, um so künftig besser und kurzfristig auf standortspezifische Herausforderungen reagieren zu können.
Die Digitalisierung macht nicht halt vor der Hafenwirtschaft. Damit die Westküste nicht den Anschluss verliert, brauchen die Häfen eine moderne digitale Infrastruktur, mit der sich Daten schnell und umfänglich bearbeiten, abbilden und transportieren lassen. Außerdem muss die Hinterlandanbindung der Häfen dringend verbessert werden. Dazu zählen insbesondere der B5-Ausbau, die Reaktivierung des Hafengleises in Büsum sowie die Elektrifizierung der Marschbahn.
Forderungen der IHK Flensburg
  • Marktgerechte Wassertiefen vorhalten beziehungsweise wiederherstellen
  • Spundwände, Dalben und Reibepfähle sanieren
  • Berechnete Traglasten der Kaianlagen herstellen
  • Flächenpotenziale in Häfen nutzen
  • Hafengleis Büsum reaktivieren
  • Glasfaser und Hochleistungsmobilfunk (4G und 5G) ausbauen
  • Hafenhinterlandanbindung verbessern
  • Hafenerweiterungen vorantreiben
  • Anschaffung eines gemeinsamen Wasserinjektionsbootes und Schleppers

Regionale Wertschöpfung sichern 

Die Relevanz der Westküstenhäfen ist vielen im Land nicht ausreichend bekannt. Dabei nehmen diese eine bedeutende Handels-, Transport- und Dienstleistungsfunktion wahr. Die hohe Konzentration maritimer Wirtschaftsaktivitäten in Husum und Büsum in den Bereichen Agrar, Baustoffe, Fischerei, Werften, maritimer Tourismus, maritime Dienstleistungen, Forschung, Behördenschifffahrt und Wasserbau sowie die wirtschaftlichen Verflechtungen mit der übrigen Wirtschaft in der Region führen dazu, dass die maritime Wirtschaft auch insgesamt eine zentrale Funktion für die dortige regionale Wirtschaft hat. Die bestehende Wertschöpfung in den Häfen muss daher durch Investitionen in die Häfen gestärkt werden. Gleichzeitig gilt es, neue regionale Wertschöpfungspotenziale zu erschließen und eine weitsichtige Hafenentwicklung zu betreiben, um Anknüpfungsmöglichkeiten für die Häfen zu schaffen. Möglichkeiten bestehen dabei zum Beispiel im Bereich Aquakultur sowie durch Aktivitäten im Bereich Erneuerbare Energien (Windenergie, Repowering) und Wasserstoffproduktion oder alternative Kraftstoffe (Reparatur, Service, Projektladung).
Forderungen der IHK Flensburg
  • Relevanz der Häfen für regionale Wertschöpfung anerkennen 
  • Aktuelle Wertschöpfung in Häfen stärken
  • Neue regionale Wertschöpfungspotenziale erschließen
  • Weitsichtige Hafenentwicklung betreiben, um Anknüpfungsfähigkeit der Häfen sicherzustellen

Ideen für die Zukunft entwickeln

Um die landeseigenen Tidehäfen Husum und Büsum fit für die Zukunft zu machen, bedarf es mehr denn je einer strategischen Hafenentwicklung. Dabei sollten die relevanten Stakeholder eingebunden werden. Das Land muss durch mittel- bis langfristig angelegte Strategien aufzeigen, wo es die beiden Häfen in Zukunft im Markt positioniert sieht und mit welchem konkreten Entwicklungsplan ein solches Ziel verfolgt werden kann. Die Hafenentwicklung ist dabei auf die Bedürfnisse der aktuellen und künftigen regionalen Wertschöpfungsschwerpunkte auszurichten und es sollten Synergien zwischen Husum und Büsum bedacht sowie neue Antriebstechnologien ermöglicht werden (beispielsweise durch die Sicherstellung der Versorgung mit alternativen Kraftstoffen). Zur Schaffung von planungsrechtlichen Voraussetzungen für die (strategische) Hafenentwicklung sind zudem Bebauungspläne aufzustellen.
Zur langfristigen Finanzierung der Hafenentwicklung und Maßnahmen zur Schiffbarhaltung der landeseigenen Westküstenhäfen, sollte ein Landesfonds aufgesetzt werden. Dieser könnte sich zum Beispiel aus Einnahmen aus der Verklappung von Hamburger Baggergut vor Helgoland oder einem bundesländerübergreifenden, gemeinsamen Sedimentmanagement speisen.
Darüber hinaus muss die Vermarktung der beiden landeseigenen Häfen professionalisiert werden, um deren Potenziale besser auszuschöpfen. Dazu sind standortspezifische Konzepte zu erstellen und die Angebotspaletten der Standorte (zum Beispiel Waren, Dienstleistungen, Flächen oder Logistik) aktiv zu kommunizieren. Denkbar wäre auch ein Pilotprojekt für eine gemeinsame 
Vermarktung der Westküstenhäfen Husum und Büsum.
Zur Stärkung der Häfen in regionalen Liefer- und Wertschöpfungsketten muss außerdem die Logistik in den Häfen Entwicklungsmöglichkeiten bekommen. Zu prüfen sind ferner zusätzliche Hafennutzungen durch maritime Tourismusanbieter, so dass Husum und Büsum die Stärke ihres jeweiligen Hafens in diesem Bereich noch besser ausspielen können.
Um die Häfen zielgerichtet entwickeln zu können, muss ein Hafen- bzw. Gewerbeflächenmanagement implementiert werden. Dabei müssen die Vorhaltung von Hafenentwicklungsflächen sowie die ausschließliche Vergabe von Flächen und Hallen an hafenaffines Gewerbe mit regionaler Wertschöpfung zentrale Ziele sein.
Forderungen der IHK Flensburg
  • Strategische Hafenentwicklung fördern
  • B-Pläne für Hafenentwicklung schaffen
  • Vermarktung professionalisieren
  • Logistik in Häfen stärken
  • Zusätzliche Hafennutzung ermöglichen
  • Hafen-/Gewerbeflächenmanagement aufbauen
  • Landesfonds zur Hafenentwicklung aufsetzen

Strukturelle Probleme anpacken 

Dringend notwendig ist eine Verbesserung der Koordination auf Länderebene bei technischem Gerät und Material für Unterhaltungsmaßnahmen in den Fahrwassern oder vielmehr den jeweiligen Häfen. Zu diesem Zweck und um die Weiterentwicklung speziell der landeseigenen Westküstenhäfen zu fördern, wird die Berufung eines Hafenkoordinators empfohlen. Außerdem sollte die Wahrnehmung (kommunaler) Zuständigkeiten bei hafenbehördlichen Aufgaben überprüft und ggfs. Nachbesserungen vorgenommen sowie die Personalausstattung in Hafenbehörden aufgestockt werden. Genehmigungsverfahren mit Bezug zur Hafenentwicklung müssen beschleunigt und wirtschaftsfreundlicher ausgelegt werden. In vielen Fällen würde es genügen, wenn Fristen seitens der Verwaltung nicht maximal ausgereizt werden.
Ferner wird eine gelebte, wechselseitig transparente Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung dort angeregt, wo sie bislang noch nicht praktiziert wird. Dies vereinfacht und beschleunigt Prozesse und erhöht das wechselseitige Verständnis. In diesem Kontext wird auch ein Runder Tisch „Landeseigene Westküstenhäfen“ vorgeschlagen, bei dem sich einmal jährlich die für die Landeshäfen Husum und Büsum zuständigen Abteilungsleiter aus dem Wirtschafts- und Umweltministerium sowie nachgelagerten Behörden, Hafenvertretern und der IHK austauschen.
Forderungen der IHK Flensburg
  • Koordination auf Länderebene verbessern
  • Wahrnehmung (kommunaler) Zuständigkeiten bei hafenbehördlichen Aufgaben überprüfen und gegebenenfalls Anpassung der Personalausstattung
  • Austausch zwischen Verwaltung und Wirtschaft verbessern
  • Runder Tisch „Westküstenhäfen“ einrichten
  • Genehmigungsverfahren einfacher, schneller und wirtschaftsfreundlich gestalten 
Veröffentlicht im Januar 2022