Forderungen der IHK Nord

Europapolitische Forderungen der IHK Nord an die neuen EU-Institutionen

Im Januar 2019 hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unter dem Titel „Für ein Europa, das gemeinsam stärker ist“ die europapolitischen Positionen der IHK Organisation verabschiedet. Die IHK Nord stimmt dem DIHK-Papier in vollem Umfang zu. Darüber hinaus beschreibt das vorliegende Papier spezifisch norddeutsche Anliegen an die Institutionen der Europäischen Union in der neuen Legislaturperiode.
Als Drehscheibe des deutschen Außenhandels, Zentrum der Energiewende und attraktiver Lebensraum am Wasser hat Norddeutschland herausragende Zukunftsperspektiven. Diese spezifischen Stärken des Nordens möchten wir weiterentwickeln und in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Daher konzentriert sich unsere Arbeit auf fünf norddeutsche Schwerpunktthemen mit übergeordneter nationaler Bedeutung:
  • Maritime Wirtschaft mit dem Schwerpunkt Infrastruktur und Seeverkehr
  • Energie- und Industriepolitik
  • Außenwirtschaftsstandort Norddeutschland / Internationalisierung
  • Ernährungswirtschaft
  • Tourismus
Die norddeutsche Wirtschaft bekennt sich uneingeschränkt zum europäischen Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten und bringt sich aktiv in die Debatte um die Zukunft der Europäischen Union ein. 2019 ist ein Schicksalsjahr für Europa: Die Frist für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU läuft ab, im Mai wählen die Bürgerinnen und Bürger der EU zum neunten Mal ein neues EU-Parlament und im Herbst wird eine neue EU-Kommission mit einem neuen Präsidenten an ihrer Spitze ihr Amt antreten. Im Jahr 2019 werden die Weichen gestellt für den gesamten weiteren europäischen Integrationsprozess. Das vorliegende Papier enthält die Forderungen der IHK Nord an die Akteure in den neu zusammengesetzten EU-Institutionen für die spezifisch norddeutschen Schwerpunktthemen. Diese sind essentiell für eine weiterhin starke Akzeptanz der EU in der norddeutschen Wirtschaft. Über alle Politikbereiche hinweg ist hierbei der gemessen an den wirtschaftlichen Herausforderungen erfolgreiche Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Zielen besonders wichtig. Übergeordnetes Ziel muss eine Energie- und Umweltpolitik sein, die Wirtschaftswachstum und Infrastrukturen ermöglicht. Der Ausbau der Digitalisierung sowie ein kontinuierlicher Bürokratieabbau sind weitere grundlegende Forderungen der IHK Nord für alle ihre fünf Schwerpunktbereiche.

Maritimes und Infrastruktur

Norddeutschland steht im Zentrum der nationalen maritimen Wirtschaft – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geografisch verortet und historisch verankert. Flüsse, Häfen, Kanäle, Nord- und Ostsee ermöglichen die Anbindung an den Welthandel. Fundament dafür ist eine adäquate Verkehrs- und Logistikinfrastruktur in den Häfen und im Hinterland. Die IHK Nord hat es sich zur Aufgabe gemacht, insbesondere gegenüber der Bundes- und Europapolitik die immense Bedeutung der deutschen Seehäfen und der maritimen Wirtschaft für Deutschland als führende Exportnation aufzuzeigen und die Notwendigkeit eines prioritären Infrastrukturerhaltes und - ausbaus anhand des prognostizierten Güter- und Verkehrsaufkommens zu verdeutlichen.
  • Wirtschaftsinteressen im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie stärker berücksichtigen
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) dient dem Ziel der Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung. Ihr Ziel ist Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern, wobei zwischen den ökologischen Erfordernissen, den Belangen des Gemeinwohls und den wirtschaftlichen Nutzungsinteressen ein sachgerechter Ausgleich herbeigeführt werden soll. Die EU-Kommission evaluiert aktuell die WRRL. Die IHK Nord begrüßt die Evaluation, mit der Defizite ermittelt werden sollen, um anschließende Anpassungen an der Richtlinie vorzunehmen. Im Einzelnen fordert die IHK Nord:
  • Normenklarheit herstellen:
    Der europäische Gesetzgeber muss die in der WRRL verwendeten Tatbestandsmerkmale präzisieren und insbesondere die Definition des Verschlechterungsverbots praxistauglich konkretisieren. Unbestimmte Rechtsbegriffe sollten daher soweit wie möglich vermieden werden. Vollzug und Erlaubnisverfahren müssen erleichtert werden – insbesondere für die ausführende kommunale Ebene. Verzögerungen durch Rechtsunsicherheit müssen vermieden werden.
  • Stärkerer Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltbelangen:
    Die WRRL sollte um Ausnahmeregelungen und Abweichungen ergänzt werden, um wirtschaftliches Handeln in und an Gewässern auch weiterhin zu ermöglichen. Wirtschaftliche Interessen müssen mehr Berücksichtigung finden.
  • Bestandsschutz sichern:
    Unternehmen benötigen – insbesondere für Investitionsentscheidungen – Planungssicherheit und damit eine Regelung des Bestandsschutzes in der WRRL. Sie müssen sich auch am Standort weiterentwickeln können.
  • Anerkennung von Ausgleichsmaßnahmen:
    Zukünftig muss auch im Gewässerschutzrecht die Möglichkeit bestehen, den Schutzanforderungen durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder durch kompensatorische Zahlungen gerecht zu werden. Hierfür sollten insbesondere die Abweichungsmöglichkeiten des Art. 4 Abs. 7 WRRL überprüft werden. Erforderlich wäre auch, dass das dort verankerte Verschlechterungsverbot dahingehend geändert wird, dass Ausgleichsmaßnahmen zukünftig möglich sind.
  • Innovationsbereitschaft und -fähigkeit stärken:
    Die Integration der ökologischen Ziele in wirtschaftliches Handeln erfordert verstärkt Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit. Entsprechende Anreize durch die EU könnten diesen Prozess beschleunigen.
  • Wirksame Zuordnung von Schadstoffeintragungen und Sedimenteinwirkungen durch benachbarte Mitgliedstaaten:
    Die europäischen Flussgebietseinheiten S3 erstrecken sich über die Grenzen der Mitgliedstaaten und machen an diesen nicht halt. Dadurch entstehen stromabwärts gelegenen Unternehmen in Teilen Entsorgungskosten für schadstoffbelastete Sedimente, deren Verunreinigung sie weder verursacht haben noch beeinflussen können, oder Mehrkosten durch höhere Anforderungen an die Abwasserbehandlung. Zur wirksamen Zuordnung von Schadstoffeintragungen und Sedimenteinwirkungen muss das Verursacherprinzip gelten.
  • Einführung einer Bagatellschwelle:
    Als Bagatellschwelle dient ein Wert, unterhalb dessen eine nachteilige und feststellbare Veränderung nicht als Verschlechterung gilt. Insbesondere mit Blick auf temporäre Eingriffe im Rahmen von Baumaßnahmen sowie bei geringfügigen Verschlechterungen, die sich durch eine wirtschaftliche Nutzung ergeben können, ist eine Bagatellschwelle geboten, da gemäß Art. 4 Abs. 6 WRRL auch eine vorübergehende Verschlechterung von Wasserkörpern grundsätzlich unzulässig ist.
Die IHK Nord fordert die EU daher auf, die Erfahrungen der norddeutschen Wirtschaft bei der bisherigen Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu berücksichtigen und den ermittelten Revisionsbedarf der Wasserrahmenrichtlinie im Rahmen der Evaluation in die Überarbeitung der Richtlinie einfließen zu lassen. Gleichzeitig sollte die Frist zur Zielerreichung eines guten ökologischen Zustands der Gewässer über das Jahr 2027 hinaus ausgedehnt werden. Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie brauchen oft längere Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten.
  • Norddeutsche Infrastrukturprojekte beschleunigen – EU-Gesetzgebung anpassen/Materielle Präklusion durch die EU-Gesetzgebung neu regeln
Wichtige Infrastrukturvorhaben kommen aus Sicht der norddeutschen Wirtschaft bereits jetzt nicht schnell genug voran. Prominente Beispiele sind die Ausbauprojekte an der Unter- und Außenweser sowie an der Unter- und Außenelbe. Ein wesentlicher Grund für die langen Verfahren sind die im europäischen Recht verankerten Möglichkeiten, insbesondere mithilfe der Verbandsklage gegen geplante Vorhaben behördlich und gerichtlich vorzugehen. Diese ist auf Artikel 9 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (kurz: Aarhus-Konvention) der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) zurückzuführen. Die EU-Kommission überprüft derzeit die Umsetzung der Aarhus-Konvention. Die IHK Nord warnt davor, innerhalb der EU die Möglichkeit von Umweltklagen auf Privatpersonen zu erweitern. Eine solche Ausweitung könnte Verkehrsprojekte jahrelang verzögern und deutlich verteuern. Gerichtsverfahren könnten in die Länge gezogen und Infrastrukturvorhaben weiter verzögert werden. Die IHK Nord fordert stattdessen, die Planungs- und Genehmigungszeiten zu verkürzen. Wichtig ist es hierfür, die materielle Präklusion im EU-Recht festzuschreiben, damit bei Fristversäumnissen Einwendungen weder in laufenden noch in künftigen Verfahren gehört werden.

Energie und Industrie

Die europäische Energiepolitik ist für die norddeutsche Wirtschaft von grundlegender Bedeutung. Dabei ist es nicht nur wichtig, dem Dreiklang Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit gerecht zu werden, sondern sich auch mindestens gleichberechtigt die Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Unternehmen zum Ziel zu setzen. Mit der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens kann die notwendige Transformation hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft in der EU beschleunigt werden. Unternehmen können bei entsprechender Rahmensetzung einen entscheidenden Beitrag leisten, um die aus dem Pariser Abkommen abgeleiteten Klimaziele in der EU durch Innovationen und Investitionen zu erreichen. Klar ist aber, dass wir das mit einem Wettbewerbsfähigkeitsverlust gegenüber Nicht-Europäischen Unternehmen bezahlen.
  • Sektorenkopplung und Marktdesign:
    Die Weiterentwicklung des europäischen Strommarktdesigns ist für den Erfolg der Energiewende eine zentrale Herausforderung. Dabei müssen die Ziele Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz bei einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien soweit wie möglich in Einklang gebracht und dazu die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen zukunftssicher modernisiert werden. Dazu ist der Ausbau von Stromspeichern und Sektorenkopplung notwendig, um den Anteil erneuerbarer Energien auch in den Bereichen Wärme und Verkehr zu steigern, kurzfristige Schwankungen auszugleichen und damit die Notwendigkeit der Abregelung von erneuerbaren Energien zu reduzieren. Hierbei kann auch der Einsatz von Wasserstoff und anderen regenerativ gewonnenen lagerfähigen Energieträgern, wie z.B. synthetisches Methan und synthetisches Methanol, einen wichtigen Beitrag zur Sektorenkopplung und Speicherung von Energie in Norddeutschland leisten und zu einer Stabilisierung der Energienetze beitragen. Gleiches gilt für den Einsatz von Wärmepumpen oder die Umwandlung von elektrischer Energie in flüssige Kraftstoffe, Ammoniak oder Harnstoff. Bei der Europäischen Kommission sollte ein Förderrahmen für erforderliche Forschungsaktivitäten geschaffen werden, der wirtschaftliche Prozesse mit dem Potenzial zur Stabilisierung und optimalen Ausnutzung der Netze identifiziert und fördert. Erzeugung, Speicherung und Nutzung verschiedener Produkte und Systeme auf Basis von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energien sollen auf langfristiges Wertschöpfungspotenzial für Norddeutschland untersucht werden.
  • Netzausbau und Binnenmarkt:
    Der Aus- und Umbau der Energienetze ist für den Erfolg der Energiewende unerlässlich. Dieser ist ebenfalls für die Stärkung des europäischen Energiebinnenmarkts erforderlich, um einer nationalen Fragmentierung der Strommärkte entgegenzuwirken. Daher sollte der Ausbau der Netze entschlossen vorangetrieben werden und sich weiter am Ausbau der erneuerbaren Energien orientieren. Um die erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen vollständig und kosteneffizient nutzen zu können, müssen die Netze zeitnah an die neue Erzeugungslandschaft angepasst werden. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für grenzüberschreitende Infrastrukturmaßnahmen ist für den Netzausbau und -umbau ein wichtiger und notwendiger Schritt.
  • Internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen:
    Auch norddeutsche Unternehmen sind auf einen verlässlichen Rechtsrahmen angewiesen, der langfristige Planungssicherheit und damit Investitionssicherheit bietet. Die Weiterentwicklung der europäischen Klimapolitik sollte daher stets im Zusammenhang mit einer Stärkung der industriellen und sonstigen Wertschöpfung in Europa gedacht werden und dabei auch die Erneuerbaren Energien als Zukunftsindustrien fördern. Der Emissionshandel als S5 marktwirtschaftliches Leitinstrument der EU sollte weiterentwickelt und international so weit wie möglich ausgebaut werden, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Außenwirtschaft

Norddeutschland ist die Drehscheibe für den deutschen Außenhandel. Mehr als zwei Drittel des seewärtigen deutschen Außenhandels werden über unsere Seehäfen abgewickelt. Allein im Bereich des Groß- und Außenhandels setzen rund 20.000 Unternehmen mit mehr als 200.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten jährlich etwa 300 Milliarden Euro um. Oftmals liegt der Schwerpunkt dabei im europäischen Binnenmarkt. Vor allem die unmittelbaren Nachbarstaaten profitieren vom Export hiesiger Unternehmen. Außerhalb Europas gehören die USA und der asiatische Markt, hier allen voran China, aber auch Russland zu den wichtigen Handelspartnern.
  • Einfache Marktzugänge schaffen:
    Nicht nur im internationalen Geschäft stoßen norddeutsche Unternehmen auf Schranken und Barrieren. Auch nationale und in der EU geltende zoll- und außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften erschweren das Auslandsgeschäft. Entscheidend für eine erfolgreiche Internationalisierung und langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sind jedoch einfache Zugänge in die Märkte. Viele Arbeitsplätze auch in Norddeutschland hängen vom Export ab. Anstelle von Protektionismus bedarf es weiterer Handelsliberalisierung sowie eines wirtschaftsfreundlichen Zoll- und Außenwirtschaftsrechts. Bei der Ausarbeitung von Freihandelsabkommen sollte die Politik insbesondere auch die Belange der mittelständischen Unternehmen berücksichtigen und ihre Positionen in Verhandlungen einbringen.
  • Europäischen Binnenmarkt stärken:
    Die Basis für das internationale Geschäft liegt für die Mehrheit unserer Unternehmen in Europa. Daher muss die Wettbewerbsfähigkeit regionaler Unternehmen gerade auch auf dem Kontinent weiter gestärkt werden. Die Organe der Europäischen Union müssen auch weiterhin einen starken EU-Binnenmarkt mit seinen Errungenschaften des freien Verkehrs von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital gewährleisten und sollten zudem enge Wirtschaftspartnerschaften mit den europäischen Anrainerstaaten fördern.
  • Entsenderichtlinie anpassen:
    Die im Jahr 2018 verabschiedete Entsenderichtlinie führt schon jetzt dazu, dass viele Mitgliedstaaten die Meldepflichten zur Einhaltung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen deutlich verschärft haben. Dies bedeutet für Unternehmen, die Mitarbeiter im Ausland einsetzen, einen erhöhten administrativen Aufwand. Dies gilt auch für Geschäftsreisen, für die künftig bereits im Vorfeld der Reise eine Bescheinigung des Versicherungsträgers beantragt und mitgeführt werden muss (bisher war dies auch rückwirkend möglich). Diese muss für jede einzelne Geschäftsreise erneut vorher beantragt werden, was kurzfristige Reisen praktisch unmöglich macht. 
    Nichteinhaltungen werden darüber hinaus verschärft sanktioniert und können die Geschäftsabwicklung behindern. Der dadurch notwendige administrative und zeitliche Aufwand belastet Unternehmen unverhältnismäßig hoch und erschwert die unternehmerische Aktivität im Binnenmarkt stark. Die IHK Nord fordert daher auf EU-Ebene eine entsprechende Anpassung der Entsenderichtlinie, um die Flexibilität 
    unternehmerischer Aktivitäten sicherzustellen. 
  • Handelsbeziehungen mit Großbritannien regeln:
    Großbritannien ist einer der wichtigsten Handelspartner für Norddeutschland. Der Brexit ist bereits jetzt eine hohe Belastung für die norddeutschen Unternehmen. Die IHK Nord fordert, dass sich die EU und Großbritannien auf ein Folgeabkommen mit entsprechender Übergangsfrist einigen. Dadurch können gewachsene und erfolgreiche Handelsbeziehungen aufrechterhalten und eine regulatorische Zusammenarbeit weiterhin gewährleistet werden.
  • Unternehmen kompetent bei der Auslandsmarkterschließung unterstützen:
    Der Außenhandel wird auch zukünftig der Motor für wirtschaftliches Wachstum in Deutschland bleiben. Dies gilt auf regionaler Ebene gleichermaßen. Unternehmen müssen sich auch zukünftig auf kompetente Ansprechpartner sowohl für den Außenhandel als auch für den Binnenmarkt verlassen können. In den jeweiligen Zielmärkten bieten die Deutschen Auslandshandelskammern (AHK) Unternehmen vor Ort Unterstützung bei der Markterschließung. Das weltweite AHK-Netzwerk, von dem auch unsere norddeutschen Unternehmen bei ihrem Auslandsengagement profitieren, sollte daher weiter gestärkt und ausgebaut werden. Doppelstrukturen auf EU-Ebene sollten daher vermieden werden.

Ernährungswirtschaft

Die Ernährungswirtschaft ist im norddeutschen Raum von besonderer Bedeutung. Regional orientierte Unternehmen des Mittelstandes und namhafte und überregional bekannte Konzerne haben hier ihren Sitz. Die Erzeugung, Verarbeitung und Veredelung landwirtschaftlicher Produkte besitzen im Norden einen traditionell hohen Stellenwert. Ein länderübergreifendes Bewusstsein – gerade für die Politik – für die Leistungsstärke der norddeutschen Ernährungswirtschaft ist eine Zukunftsaufgabe, für die sich die IHK Nord einsetzt. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, vor der die Branche steht, muss die EU frühzeitig die Weichen für ein innovationsorientiertes, ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum stellen. Die IHK Nord fordert daher im Einzelnen:
  • Fischfang und Brexit:
    Die IHK Nord warnt vor den Folgen des Brexits auf den Fischfang. Es droht ein Verlust der Fangrechte vor der Küste des Vereinigten Königreiches. Ziel der IHK Nord ist der Erhalt des für Norddeutschland traditionellen und strukturell wichtigen Wirtschaftszweigs von Fischfang und Fischverarbeitung.
  • Vereinfachung von Kontrollmechanismen und Bürokratieabbau im Lebensmittelrecht:
    Unternehmen der Ernährungswirtschaft kämpfen heute mit zahlreichen, teils unüberschaubaren und bürokratischen Vorschriften im Lebensmittelrecht. Diese haben ihren Ursprung oft in EU-Vorschriften. Der hohe 
    bürokratische Aufwand im Lebensmittelrecht führt zu einer signifikant geringeren Innovationsbereitschaft in der Branche. Ziel muss es daher sein, dass die EU bestehende und künftige Regeln des Lebensmittelrechts hinsichtlich ihrer Bürokratielastigkeit überprüft und vereinfacht. Ferner müssen Kontrollen des Tier-, Verbraucher-, Umwelt- und Rechtsschutzes auf EU-Ebene überprüft, vereinfacht und aufeinander abgestimmt 
    werden. Die EU sollte die Kontrollmechanismen standardisieren und vereinfachen. Unternehmen ist mehr Freiraum für Produkt- und Prozessinnovationen einzuräumen. Ein fairer EU-Binnenhandel ist nur durch gemeinsame Grundsätze der Kontrolle in Urproduktion, Weiterverarbeitung und Handel möglich. Diese gemeinsam vereinbarten Grundsätze sollten in den Mitgliedsstaaten vergleichbar umgesetzt und von der EU  kontrolliert werden.
  • Nutztierstrategie – level playing field im EU-Binnenmarkt:
    Die IHK Nord begrüßt die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgestellte Nationale  Nutztierstrategie für eine zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland. Auch auf EU-Ebene sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die ökonomische Tragfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe sowie der nachgelagerten Verarbeitung und Veredlung sicherstellen und die Nutztierhaltung nicht gefährden. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Vertiefung des EU-Binnenmarktes und dem internationalen Wettbewerb bei Rohstoffen und Fertigprodukten setzt sich die IHK Nord für eine einheitliche EU-Strategie ein. Landwirte, Produzenten, Händler und Verbraucher haben erst mit vergleichbaren Rahmenbedingungen auf allen Ebenen faire innereuropäische Wettbewerbsbedingungen.

Tourismus

Der Tourismus ist in Norddeutschland ebenfalls ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. In vielen Räumen an der Nord- und Ostsee sowie im Binnenland prägt er maßgeblich das Wirtschaftsleben und trägt in einzelnen Regionen teilweise mit einem Anteil von über 20 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Er veranlasst in erheblichem Umfang Investitionen und sichert Arbeitsplätze und Einkommen. Zudem bietet die Wachstumsbranche Tourismus mit rund drei Millionen Beschäftigten Chancen für fast alle Qualifikations- und Bildungsniveaus.
  • Tourismusförderung sicherstellen und ausbauen:
    Der Tourismus hat für die wirtschaftliche Entwicklung Norddeutschlands eine große Bedeutung, insbesondere mit Blick auf Arbeits- und Ausbildungsplätze, aber auch für die Attraktivität der Innenstädte und des ländlichen Raums. Vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen muss die Finanzierung der für die touristische Entwicklung notwendigen Infrastruktur mittel- und langfristig sichergestellt werden. Die Förderung von Infrastruktur ist für den Tourismus elementar, da er Anreize für private Folgeinvestitionen wie Hotelansiedlungen, Ansiedlung von gastgewerblichen Betrieben und Freizeitwirtschaft bietet. Deshalb fordern die norddeutschen Kammern im nächsten Finanzrahmen der EU einen erkennbaren Korridor für die finanzielle Begleitung touristisch nutzbarer Infrastrukturmaßnahmen und größtmögliche Spielräume für eine ganzheitliche und nachhaltige Tourismusförderung.
Das Jahr 2019 bringt große Weichenstellungen für Europa. Zentrales Gesamtinteresse auch der norddeutschen Wirtschaft ist ein stabiler regulatorischer Rahmen, insbesondere auf der europäischen Ebene. Daher muss es Ziel auch der künftig neu besetzten Unionsorgane sein, die EU und den europäischen Wirtschaftsraum gemeinsam zu gestalten – und sie somit zukunftsfähig zu machen. Die IHK Nord unterstützt die EU-Institutionen hierbei uneingeschränkt.
Veröffentlicht im April 2019