Stellungnahme der IHK Nord

Angemessene Berücksichtigung des globalen Datenerhebungssystem für den Kraftstoffverbrauch von Schiffen

Zur Verordnung der Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung EU 2015/757 zwecks angemessener Berücksichtigung des globalen Datenerhebungssystems für den Kraftstoffverbrauch von Schiffen bezieht die IHK Nord Stellung.

Hintergrund

Die europäische Verordnung über die Überwachung, Berichterstattung und Prüfung von CO₂- Emissionen aus dem Seeverkehr (im Folgenden MRV-Verordnung) ist am 1. Juli 2015 in Kraft getreten und gilt für Schiffe, die eine Größe von 5.000 Bruttoraumzahl (BRZ) überschreiten und zum 1. Januar 2018 einen EU-Hafen anlaufen. Im Jahr 2017 hatten die Schifffahrtsunternehmen Monitoringkonzepte zu erstellen, im Jahr 2018 wurde die Überwachung des Kraftstoffverbrauchs, der CO₂ Emissionen und der Energieeffizienz eingeführt, die ersten Emissionsberichte nach Artikel 11 sind bis April 2019 vorzulegen. 
Im Jahr 2016 wurde parallel dazu durch den Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt (MPEC) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) Änderungen des MARPOL-Übereinkommens beschlossen und so ein Rahmen für ein globales Datenerhebungssystem (im Folgenden IMO-Datenerhebungssystem) geschaffen. Die Überwachungspflichten des IMO-Datenerhebungssystems beginnen 2019, die Berichterstattungspflichten im Jahr 2020. 
Daher müssen Schiffe, die im europäischen Wirtschaftsraum Seeverkehrstätigkeiten durchführen, ab Januar 2019 Überwachungs- und Berichterstattungspflichten sowohl der MRV-Verordnung als auch des IMO Datenerhebungssystems erfüllen. 
Durch die Änderung der MRV-Verordnung sollen beide Systeme harmonisiert werden. Hierzu hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung 2015/757 vorgelegt. 
Als gesamtwirtschaftliche Interessenvertretung Norddeutschlands nimmt die IHK Nord im Rahmen der Befragung der Interessenvertreter der EU-Kommission zur Änderung der Verordnung 2015/757 Stellung. 
Die IHK Nord begrüßt grundsätzlich die von der EU-Kommission angestrebte Harmonisierung der MRV-Verordnung mit dem IMO-Datenerhebungssystem. Zur effizienten Betreibung der Schifffahrt ist eine Verfahrensangleichung sowie die Verringerung des Verwaltungsaufwandes für Schifffahrtsunternehmen zwingend notwendig. 
Allerdings bewertet es die IHK Nord kritisch, dass nur eine teilweise und keine vollständige Harmonisierung der MRV Verordnung mit dem IMO-Datenerhebungssystem angestrebt ist. Die IHK Nord kann der Begründung der EU Kommission hierzu nicht folgen, da diese die aktuellen Bestrebungen der Schifffahrtsunternehmen zur Reduzierung ihrer CO₂-Emissionen, insbesondere im Rahmen verschiedener IMO Maßnahmen, nicht genügend berücksichtigt. Darüber hinaus befürchtet die IHK Nord, dass durch die nach Artikel 21 vorgeschriebene Veröffentlichung der Emissionsberichte unverhältnismäßig in die Betriebsgeheimnisse der Schifffahrtsunternehmen eingegriffen wird. 

Maßnahmen zur Reduktion der CO₂ Emission

Gemeinsam mit ihrem Vorschlag hat die EU-Kommission eine Begründung zur Änderung der MRV-Verordnung vorgelegt. Demnach soll nur eine teilweise Harmonisierung der MRV-Verordnung mit dem IMO-Datenerhebungssystem durchgeführt werden. 
Dies wird damit begründet, dass hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs von Schiffen keine umfänglichen, vergleichbaren und standardisierten Informationen vorlägen. Darüber hinaus seien bereits bestehende technische Maßnahmen zur CO₂-Emission – so beispielsweise Langsamfahrten (slow steaming) oder wetterangepasste Fahrtrouten (weather routing) – durch bestehende Marktbarrieren gehemmt, insbesondere durch den Mangel an Informationen sowie das mangelnde Bewusstsein für die Energieeffizienz von Schiffen durch die Schifffahrtsunternehmen.
HK Nord begrüßt grundsätzlich die Initiative der EU-Kommission, die Systeme der MRV-Verordnung und des IMO Datenerhebungssystems zu harmonisieren, spricht sich jedoch für eine vollständige und nicht nur für eine teilweise Harmonisierung aus. Nur so kann das Ziel der Harmonisierung – Verringerung des Verwaltungsaufwandes für Schifffahrtsunternehmen – erreicht werden. Der Begründung der EU-Kommission zur nur teilweisen Harmonisierung kann die IHK Nord nicht folgen.
Dem Argument, es bestünde ein zu geringes Bewusstsein der Schifffahrtsunternehmen zur Notwendigkeit der Reduktion der CO₂ Emissionen, tritt die IHK Nord entschieden entgegen. So hat der Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt (MPEC) der IMO zahlreiche konkrete kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur Reduktion der CO₂ Emissionen geschaffen. Im April 2018 hat die IMO darüber hinaus eine vollumfängliche Strategie zur Reduktion von CO₂-Emissionen der internationalen Seeschifffahrt beschlossen. Demnach sollen die CO₂-Emissionen um 50 Prozent bis 2050 gegenüber 2008 verringert werden. Flankierend zu dieser Strategie wurden eine weitere Steigerung der Energieeffizienz von Schiffen und ein Programm zur Förderung kohlenstoffarmer Kraftstoffe avisiert. Darüber hinaus sollen bestehende Maßnahmen zur Erhöhung der technischen und betrieblichen Effizienz von Schiffen fortentwickelt werden.
Die Umsetzung der IMO Strategie zur Reduktion der CO₂-Emission der internationalen Seeschifffahrt stellt die Schifffahrtsunternehmen jedoch auch schon heute vor große Herausforderungen. Zur Umsetzung der Ziele werden erhebliche Investitionen erforderlich, die den effizienten und betriebswirtschaftlich ausgerichteten Betrieb erschweren.
Auch dem Argument, es stünden keine umfänglichen, vergleichbaren und standardisierten Informationen zur Verfügung, tritt die IHK Nord entgegen. Die IMO hat bereits mehrfach im Rahmen der Greenhouse Gas Studie (GHG Studie) Daten zusammengetragen, zuletzt durch die GHG Studie im Jahr 2014. Für die Zukunft plant die IMO eine vierte Auflage der GHG Studie.

Detaillierte Analyse des Vorschlags

Neben den strategischen Gründen der EU-Kommission zur nur teilweisen Harmonisierung der MRV-Verordnung sowie des IMO – Datenerhebungssystems bewertet die IHK Nord auch einige konkrete Artikel des Vorschlags kritisch. Im Einzelnen:
  • Artikel 9: Überwachungssystem:
    Die Änderung des Artikels 9 hat das Ziel, bei Schiffen, die unter beide Systeme fallen, eine straffere Datenerhebung zu gewährleisten. Allerdings liegt durch die Änderung des Artikels 9 nur eine scheinbare Erleichterung der Datenerhebung vor. Der Parameter „Tragfähigkeit“ (in Tonnen) muss weiterhin als Parameter übermittelt werden, die Übermittlung des Parameters „beförderte Ladung“ soll jedoch freiwillig sein. Allerdings ergibt sich aus Part A des Annex II, dass sich der Parameter „Tragfähigkeit“ aus der Multiplikation der Fahrtstrecke mit der beförderten Ladung ergibt. Es ist daher nicht möglich, den Parameter „Tragfähigkeit“ zu übermitteln, ohne dabei auch den Parameter „beförderte Ladung“ zu überwachen. Daher liegt hier keine echte Erleichterung der Überwachung der Daten für die Schifffahrtsunternehmen vor.
  • Artikel 11: Inhalt des Emissionsberichts:
    Die IHK Nord begrüßt grundsätzlich die Modifikation des Artikels 11, da nun der Fall eines Wechsels des Unternehmens während einer Berichtsperiode geregelt ist. Die Begriffsbestimmungen „Schifffahrtsunternehmen“ und „Berichtszeitraum“ sowie die Zuweisung von Überwachungs- und Berichterstattungspflichten im Falle eines Wechsels des Unternehmens entsprechen nun mehr den parallelen Bestimmungen des IMO-Datenerhebungssystems. Allerdings sind die Regelungen nicht präzise genug, um 
    die Beziehungen zwischen dem alten und dem neuen Schifffahrtsunternehmen abschließend zu regeln. Um Rechtssicherheit zu schaffen, müssen auch die Verpflichtungen des neuen Besitzers aufgenommen werden.
  • Artikel 21: Veröffentlichung der Emissionsberichte:
    Im Hinblick auf Artikel 21 ergeben sich aus dem Vorschlag kaum signifikante Änderungen. Lediglich der von der MRV-Verordnung genutzte Parameter „auf See verbrachte Zeit“ soll durch den Parameter „Fahrtdauer in Stunden“ ersetzt werden.
    Die umfangreichen im Rahmen des Emissionsberichts durch die Schifffahrtsunternehmen offenzulegenden Daten – darunter neben den Daten zur CO₂-Emission auch der durchschnittliche Treibstoffverbrauch pro Transportleistung eines Schiffs sowie zur technischen Effizienz und zur gesamten Transportleistung sind nach Ansicht der IHK Nord aus zwei Gründen problematisch.
    Zum einen steht die Pflicht nach Artikel 21 zur Offenlegung dieser Daten konträr zu der Tatsache, dass die Übermittlung des Parameters „beförderte Ladung“ eigentlich freiwillig sein soll (s.o.).
    Zum anderen bewertet die IHK Nord die Veröffentlichung der Emissionsberichte aus folgenden Gründen als besonders kritisch und rät daher auch in diesem Punkt zu einer Harmonisierung:
     
    • Die zu übermittelnden Daten sind von Faktoren abhängig, die der stetigen Variation sowie äußeren Einflüssen unterliegen, und damit nicht im Einflussbereich der Schiffseigentümer liegen.
    • Die Daten unterliegen dem Betriebsgeheimnis der Schifffahrtsunternehmen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die Offenlegung der Daten, beispielsweise zur technischen Effizienz, in direktem Zusammenhang stehen mit dem legitimen Zweck der Reduktion von CO₂ Emissionen. Vielmehr können durch diese Daten Rückschlüsse gezogen werden auf die Effizienz einzelner Schiffe und Transportrouten. Damit werden die Schifffahrtsunternehmen direkt gezwungen, sensible Daten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die EU-Kommission argumentiert, dass der Sinn und Zweck der Veröffentlichung der Emissionsberichte die gesteigerte Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist. Welchen Mehrwert es jedoch für die Öffentlichkeit haben soll, diese Daten zur Verfügung zu haben, ist fraglich, da weder das Chartern und Betreiben von Schiffen in der EU noch die Effizienz oder Nichteffizienz von Schiffen durch die Öffentlichkeit beeinflusst werden können. Nach Ansicht der IHK Nord ist eine Sammlung dieser Daten auf EU Ebene nur vor dem Hintergrund erklärbar, dass die EU diese verwenden könnte, um wenn notwendig regulatorisch in den Schiffsverkehr einzugreifen.
    • Die Veröffentlichung der Emissionsberichte fördert regionale Systeme, nach welchen weniger Transparenz erforderlich ist und die Daten nicht öffentlich zugänglich sind.
Die IHK Nord fordert die EU-Kommission auf, die MRV-Verordnung vollständig mit dem IMO-Datenerhebungssystem zu harmonisieren und die Veröffentlichung der Emissionsberichte nach Artikel 21 der MRV-Verordnung unter dem Gesichtspunkt der Sensibilität dieser Daten der Schifffahrtsunternehmen kritisch zu prüfen.
Veröffentlicht im März 2019