Energiepolitische Positionen Flensburg 2016

Energiepolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer zu Flensburg: 54 Aussagen zur Umsetzung der Energiewende

Vorwort: Die Energiewende weiterdenken

In Schleswig-Holstein ist die Energiewende keine Zukunftstheorie, sondern bereits selbstverständliche, gelebte Praxis. Fast 80 Prozent des landesweiten Bruttostromverbrauchs werden durch die Nutzung von erneuerbaren Energien gedeckt. Damit liegt der Anteil in Schleswig-Holstein rund dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Mit seinen geographischen und klimatischen Merkmalen bietet unser Land dafür die besten Voraussetzungen und hat diesen Vorteil schon früh genutzt: Im Kaiser-Wilhelm-Koog, einer der windreichsten Gemeinden an der Nordseeküste, deckten bereits 1919 einige landwirtschaftliche Betriebe ihren Eigenbedarf an Strom mit kleinen Windturbinen. 1987 ging hier der erste Windpark Deutschlands ans Netz. Dieser Technologievorsprung, verbunden mit einer hohen Akzeptanz in der Gesellschaft, hat vor allem den Norden und Westen Schleswig-Holsteins zu einer Modellregion für die Erprobung, den Einsatz und die Weiterentwicklung auch anderer regenerativer Energieformen werden lassen. Nicht umsonst sind hier Pionierprojekte angesiedelt, die dazu beitragen werden, die Energieversorgung der Zukunft zu sichern.
Anliegen der IHK Flensburg ist es, diesen Standortvorteil auszubauen. Wichtig ist, dass die Energie bezahlbar bleiben muss. Wir wissen: Die Energiewende wird nur dann im vollen Umfang gelingen, wenn sie nicht nur in ökologischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht erfolgreich ist. Für den Ausbau regenerativer und den Einsatz konventioneller Energien als notwendiges Element im Prozess der Energiewende sind deshalb realistische, konkrete Planungen gefragt.
Welche Maßnahmen ergriffen werden müssen und welche Weichenstellungen erforderlich sind, um die Energieversorgung auf lange Sicht und in verantwortungsvoller Weise sicherzustellen, fasst die vorliegende Broschüre in über 50 Aussagen zur Energiewende zusammen. Die hier vorliegende Version dient dabei der Aktualisierung bereits vorhandener Positionen und der Ergänzung um weitere Positionen. Eine regelmäßige Anpassung ist in dem dynamischen Umfeld der Energiewirtschaft und -politik notwendig. Erarbeitet hat die Positionen der Energieausschuss der IHK Flensburg, dem renommierte Energieexperten aus der Region angehören. Ein entscheidender Bestandteil des Strategiepapiers "Schleswig-Holstein 2030", das die IHK Schleswig-Holstein, Arbeitsgemeinschaft der Kammern Lübeck, Kiel und Flensburg, erarbeitet hat, wird damit konkretisiert.
Das Thema "Energie" wird dabei nicht isoliert betrachtet, sondern in den unbedingt notwendigen Kontext mit Aspekten wie Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, Fachkräftesicherung und rechtliche Rahmenbedingungen gesetzt. Die Energiemodelle der Zukunft werden sich im Gesamtzusammenhang nicht nur politischer und wirtschaftlicher, sondern auch gesellschaftlicher Interessen bewähren müssen. Es ist unser Beitrag dazu, den Status des schleswig-holsteinischen Nordwestens als technologisch führende, ökonomisch erfolgreiche und landschaftlich einzigartige – kurzum: lebenswerte – Region zu sichern und verantwortungsvoll auszubauen.

Standortbeschreibung

Der Norden und Westen Schleswig-Holsteins Modellregion der Energiewende

An der Schnittstelle zwischen Kontinentaleuropa und Skandinavien bilden die drei Landkreise Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und Dithmarschen sowie die kreisfreie Stadt Flensburg den Bezirk der Industrie- und Handelskammer zu Flensburg. Auf 5.639 km2 – entsprechend 36 Prozent der Gesamtfläche des Bundeslandes Schleswig-Holstein – leben knapp 580.000 Menschen, gut 20 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes. Mit 41.000 Betrieben ist rund ein Viertel der gewerblichen Wirtschaft Schleswig-Holsteins im nördlichen und westlichen Landesteil ansässig. Neben dem Oberzentrum Flensburg sowie den Kreisstädten Schleswig, Heide und Husum bildet vor allem die Stadt Brunsbüttel im äußersten Südwesten des IHK-Bezirkes einen Schwerpunkt des wirtschaftlichen Lebens. Neben der Hafenwirtschaft – Brunsbüttel ist der westliche Endpunkt des Nord-Ostsee-Kanals, der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt – sowie verschiedenen Lebensmittelproduzenten nutzen vor allem Betriebe der chemischen und Mineralöl verarbeitenden Industrie die hervorragenden Standortbedingungen. In Brunsbüttel befindet sich auch das größte Industriegebiet Schleswig-Holsteins. Rund 20 Betriebe der Chemie- und Energiewirtschaft sowie des Logistiksektors sind hier auf einer Gesamtfläche von 2.000 Hektar ansässig. Sie profitieren dabei von der zentralen Lage am Schnittpunkt von Elbe und Nord-Ostsee-Kanal sowie der strategisch vorteilhaften Nähe zur Metropole Hamburg. Insgesamt bietet das verarbeitende Gewerbe im Großraum Brunsbüttel mehr als 12.500 Arbeitsplätze, gut 4.000 davon direkt in Brunsbüttel.

Windenergie als Rückgrat der Energieversorgung

Eine wichtige Grundlage der industriellen Entwicklung Brunsbüttels bildete stets die Verfügbarkeit ausreichender, vor Ort erzeugter Energiemengen. Von 1970 bis 1976 entstand in Brunsbüttel ein Kernkraftwerk, das bis Sommer 2007 Strom lieferte. 2012 reichte der Betreiber den Antrag auf den Rückbau der Anlage ein. Seine Bedeutung als wichtiger Standort der Energiewirtschaft wird Brunsbüttel dennoch behalten – zukünftig allerdings nicht mehr als Zentrum der konventionellen, sondern der regenerativen Energieerzeugung: Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie dient Brunsbüttel sowohl als Großkomponentenhafen in der Bauphase wie auch als Versorgungshafen in der Betriebsphase. Windenergie – ob on- oder offshore erzeugt – wird in Zukunft das Rückgrat der Energieversorgung in ganz Norddeutschland bilden. Die Voraussetzungen zur Erzeugung von Windstrom sind gerade an der schleswig-holsteinischen Westküste ideal. An weit mehr als doppelt so vielen Tagen wie im deutschen Durchschnitt weht hier – vorwiegend aus westlichen und südwestlichen Richtungen – ein für die Stromerzeugung ausreichender Wind. Vor dem Hintergrund dieser optimalen Rahmenbedingungen begann in den Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen bereits vor mehr als drei Jahrzehnten die Windstromerzeugung. Der erste Windpark Deutschlands wurde am 24. August 1987 hier in der Region, im Dithmarscher Kaiser-Wilhelm-Koog, in Betrieb genommen. Bereits vier Jahre zuvor wurde ebendort "Growian" errichtet, die seinerzeit größte Windkraftanlage der Welt. Sie steht symbolisch für einen Pioniergeist, der sich bis in unsere Tage fortsetzt: Im Rahmen der Ausweisung von Windeignungsflächen bezüglich Windenergietestfeldern des Landes Schleswig-Holstein befinden sich sechs Standorte im Testfeld Südermarsch (Kreis Nordfriesland) derzeit im Verfahren der Bauleitplanung. Das Windenergietestfeld Janneby (Kreis Schleswig-Flensburg) ist bereits voll belegt, soll aber für zusätzliche Testanlagen erweitert werden. Sie sollen der praktischen Erprobung neuer Technologien und Anlagen und damit der Weiterentwicklung der Stromerzeugung aus Windkraft dienen. Damit entsteht nicht zuletzt für die Hochschulen des Landes eine neue Möglichkeit, ihre stetig erweiterte wissenschaftliche Kompetenz im Windenergiebereich praktisch umzusetzen. Die Fachhochschule in Heide, die Hochschule in Flensburg sowie die Universität Flensburg forschen und lehren in diesem Bereich sehr intensiv und erzeugen damit internationale Aufmerksamkeit. Dabei sind sie Teil eines schlagkräftigen Verbundes: Das Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EEK.SH) bündelt unter anderem das Know-how der Windenergie in Schleswig-Holstein und fördert den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
In Schleswig-Holstein werden in den nächsten Jahren alle Regionalpläne vollständig neu aufgestellt. Statt bislang fünf wird es entsprechend der neuen Planungsräume zukünftig nur noch drei geben. Bereits eingeleitet wurden Verfahren zu Teilaufstellungen. Anlass für diese vorgezogenen Verfahren sind im Januar 2015 ergangene Urteile des Oberverwaltungsgerichtes Schleswig zu Teilfortschreibungen der Regionalpläne zum Thema Wind aus dem Jahr 2012.

Hohe Akzeptanz in der Gesellschaft

Die gesellschaftliche Akzeptanz des Ausbaus erneuerbarer Energien ist gerade im Westen Schleswig-Holsteins so hoch, dass sowohl für die technologische Weiterentwicklung als auch für die Erprobung neuer Betreibermodelle optimale Rahmenbedingungen herrschen. Vielerorts haben sich Bürger zusammengetan, um die Erzeugung regenerativer Energie selbst in die Hand zu nehmen und damit die daraus resultierende Wertschöpfung in der Region zu bündeln. Auch der notwendige Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze wird im engen Austausch mit den ansässigen Bürgern abgestimmt. Im Rahmen von Bürgerdialogen – federführend organisiert vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (MELUR) – hat jeder Anwohner die Möglichkeit Hindernisse aufzuzeigen und Vorschläge im Zuge des Planungsprozesses einzubringen. Die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland wurden zur Pilotregion für frühzeitige Bürgerbeteiligung bei der Planung der 380-kVWestküstenleitung. Insgesamt bestätigte sich die beschleunigte Wirkung der Kommunikation schon zu Beginn der ersten Planungsschritte der Westküstentrasse. Im Anschluss an das informelle Dialogverfahren begann das formelle Planfeststellungsverfahren unter Einbezug der konstruktiven Anregungen aus dem Bürgerbeteiligungsprozess.

Pionier-Region für innovative Technologien

Vielerorts machen sich Bürgerinnen und Bürger mittlerweile intensiv darüber Gedanken, wie der in ihrer Region regenerativ erzeugte Strom optimal genutzt und in schwachen Zeiten auch gespeichert werden kann. Aus Bürgerinitiativen und Unternehmen heraus haben sich innovative Projekte entwickelt, die Akzente in der praktischen Erprobung verschiedener Speichertechnologien setzen – so wie etwa der "RedoxFlow-Speicher" in Braderup oder der "Stromlückenfüller" in Reußenköge. Die Bereitschaft der Menschen, sich als Frühadaptoren regenerativer Energietechnologie zu öffnen, überzeugt immer wieder auch große Konzerne davon, Neuentwicklungen gerade im Norden und Westen Schleswig-Holsteins zu erproben. Ein Beispiel dafür ist die "SmartRegion Pellworm": Auf der beliebten Urlaubsinsel, die von etwa eintausend Menschen bewohnt wird, hat der Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz AG in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Westküste und weiteren Partnern nach einer umfassenden Analyse aller energietechnischen Einrichtungen jetzt das Musterprojekt einer Smart Grid-Region umgesetzt. Die Nordseeinsel ist damit zur Modellregion für intelligente Stromnetze und die lokale Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom geworden und hat neue Wege für eine stabile, kosteneffiziente und marktorientierte Elektrizitätsversorgung aufgezeigt.
Viele der zehn Stadt- und Gemeindewerke im IHK-Bezirk Flensburg sondieren inzwischen Möglichkeiten der Energiespeicherung, wie zum Beispiel in Nahwärmenetzen. Schließlich treten sie längst nicht mehr nur als Verkäufer von Ökostrom in Erscheinung, sondern produzieren teilweise selbst Wind und Solarstrom, wie die Stadtwerke Schleswig mit mehreren Windkraftanlagen, Nutzung von Klärgas und Biomasse sowie 85 Photovoltaikanlagen. Die Flensburger Stadtwerke haben zudem einen Elektrodenheizkessel für ihr Fernwärmenetz in Betrieb genommen, mit dem sie bei Produktionsspitzen von erneuerbar erzeugtem Strom den Strom "verheizen" und durch den negativen Strombörsenpreis sogar Geld verdienen.
In Brunsbüttel ist die Errichtung eines LNG1 -Terminals zur Deckung der hohen Nachfrage nach Gas geplant. Durch seine strategisch günstige Lage an der Elbe und am Nord-Ostsee-Kanal sowie mit der Anbindung an das überregionale Straßen- und Schienennetz als auch an das europäische Pipelinenetz empfiehlt sich der Standort als LNG-Drehscheibe zur Bedienung der Sektoren Transport und Industrie sowie zur Diversifizierung der Gasversorgung. Durch diesen Standortvorteil, in Verbindung mit regional ansässigen Industrieunternehmen, können neue zukunftsweisende Geschäftsmodelle generiert werden. Hierzu bedarf es der Unterstützung seitens der Bundesregierung.
Die ARGE Netz betreibt ein Erneuerbares Kraftwerk, auf dem bereits mehr als 1.000 MW erneuerbare Energien aufgeschaltet sind. Damit wird gezeigt, wie konventionelle durch erneuerbare Kraftwerke Schritt für Schritt ersetzt werden können. Dem Energiesystem werden Echtzeitdaten zur Optimierung zur Verfügung gestellt.
Das Amt Eggebek, gelegen zwischen Nord- und Ostsee im Norden Schleswig-Holsteins, geht ebenfalls einen Schritt weiter in der Energiewende. Das Amt lässt im Rahmen einer Machbarkeitsstudie unter der Federführung von der Treurat und Partner Unternehmensberatungsgesellschaft mbH die technische, wirtschaftliche und rechtliche Umsetzung von intelligenten Verknüpfungen von erneuerbarer Energieproduktion und Verbrauch untersuchen. Dabei wird dänisches Know-how mit der Ramboll IMS Ingenieurgesellschaft mbH eingebunden; die Erfahrung der Nordgröön GmbH & Co KG fließt in die Ergebnisse ein. Eine Energierechtsanwaltskanzlei liefert die Expertise für die Untersuchung. Ziel ist es, den dezentralen Verbrauch von Strom und Wärme durch eine lokale engere Vernetzung zu stärken. Mit diesem Projekt übernimmt das Amt Eggebek eine Vorreiterrolle der Regionen, da die anwendungsorientierte Umsetzbarkeit eines Smart-Grid vor Ort in einer ländlichen Struktur ganzheitlich untersucht wird und konkrete Projektvorschläge entwickelt werden.

Stärkende Impulse

Die hohe Akzeptanz regenerativer Energieträger rührt im Norden und Westen Schleswig-Holsteins nicht zuletzt auch daher, dass immer mehr Menschen in diesem Bereich sichere Arbeitsplätze mit attraktiven Weiterentwicklungsmöglichkeiten finden. Der weitere Ausbau der On- und Offshore-Windenergie wird diese Entwicklung einmal mehr verstärken und damit die Attraktivität des traditionell strukturschwachen Landesteils als Lebens- und Arbeitsregion stärken. Das privatwirtschaftlich initiierte Ausbildungszentrum OffTEC auf dem Greentec-Campus Enge-Sande ist eine international renommierte Trainingseinrichtung, vor allem im Bereich Sicherheit und Rettung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Unternehmen sowohl in der Region als auch darüber hinaus können somit auf hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgreifen. Außerdem trägt es weiter dazu bei, einen möglichst hohen Anteil der Wertschöpfung aus der regenerativen Stromerzeugung in Schleswig-Holstein zu konzentrieren.
Ein anderes Beispiel dafür, wie stark die Windenergie in andere Branchen abstrahlt, ist die "HUSUM Wind". Was im Oktober 1989 mit seinerzeit 20 Ausstellern begann, hat längst globale Dimensionen erreicht: Zuletzt zeigten im September 2015 651 Aussteller aus 25 Ländern den rund 22.000 Fachbesuchern sowie rund 200 Journalisten auf 25.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ihre Produkte. Der Bau des 2010 in Husum eingeweihten NordseeCongressCentrums wäre ohne die alle zwei Jahre stattfindende Windenergiemesse nicht möglich gewesen. Dank dieser wegweisenden Investition präsentiert sich die Nordseestadt heute als leistungsfähiger, international ausgerichteter Messe- und Kongressstandort. Von dieser Entwicklung profitieren neben anderen Branchen vor allem Hotellerie und Gastronomie an der Westküste. Aussteller und Besucher der "HUSUM Wind" schätzen die kurzen Wege vor Ort und das intensive Gesprächsklima, das den Messestandort Husum traditionell auszeichnet und von seinen Wettbewerbern differenziert. Außerdem liegt Husum mitten in einer Modellregion regenerativer Energieerzeugung – ein Großteil der auf der "HUSUM Wind" beworbenen Anlagen kann von Messebesuchern im direkten Umfeld Husums besichtigt und im Alltagsbetrieb begutachtet werden. Nicht zuletzt dieses Alleinstellungsmerkmal trägt zur Bindung von Ausstellern und Besuchern bei. Seit 2015 findet die Messe in den "ungeraden Jahren" in Husum statt; ab 2014 wurde bzw. wird Hamburg in den Jahren dazwischen Standort der Leitmesse WindEnergy.
Neben der Wind- ist eine weitere bedeutende Messe in Husum beheimatet: Die jährlich stattfindende "New Energy". Im Rahmen der 13. Messe präsentierten auf 12.000 Quadratmetern 150 Unternehmen im März 2016 die neuesten Technologien. Den rund 10.000 Besuchern wurde ein breites Spektrum an Ausstellungen zu erneuerbaren Energien, Energiespeicherung, Elektromobilität, Bauen/Sanieren sowie Klimatechnik geboten. Daneben gab es ein umfangreiches Kongress- und Rahmenprogramm. Dazu zählten nicht nur das internationale Gipfeltreffen der Kleinwindindustrie und der FURGY CLEAN Innovation-Kongress, der Unternehmer und Wissenschaftler aus der Branche vernetzt, sondern auch zahlreiche Besucherforen und Fachveranstaltungen.

Grenzübergreifende Netzwerke

Netzwerkbildung findet in Schleswig-Holstein jedoch auch abseits des Messegeschäftes statt. Unternehmensverbünde wie der Landesverband BWE, watt_2.0, das grenzüberschreitende Cluster FURGY CLEAN Innovation und die Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein sowie forschungs- und entwicklungsorientierte Projekte wie das Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien & Klimaschutz Schleswig-Holstein tragen zum Austausch zwischen den Akteuren im Bereich der regenerativen Energieerzeugung bei. Als Energieträger spielen dabei nicht nur Wind, sondern auch Sonne und Biomasse eine zentrale Rolle. Verbrauchsseitig beschäftigen vor allem die Themenkomplexe E-Mobilität sowie weitere flexible Lasten die Akteure, wobei der Blick stets über Schleswig-Holstein hinaus gerichtet wird. Insbesondere das benachbarte Königreich Dänemark ist in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Partner: Vor allem auf der jütländischen Halbinsel spielen regenerative Energieträger eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung, die gesellschaftliche Akzeptanz ist ähnlich hoch wie in Schleswig-Holstein. Verbünde und Hochschulen bilden wichtige Schnittstellen bei der Zusammenarbeit mit dänischen Partnern und tragen dazu bei, die regenerative Energieversorgung nördlich und südlich der Grenze konsequent weiterzuentwickeln. Dass eine Netzwerkbildung auch privatwirtschaftlich erfolgreich gestaltet werden kann, zeigt das Beispiel der ARGE Netz GmbH & Co. KG mit ihren mehr als 300 Gesellschaftern, die rund 3.500 MW regenerative Einspeiseleistung aus dem Norden repräsentieren.
Als Region, in der regenerative Energieerzeugung entwickelt, erprobt und angewandt wird, hat Schleswig-Holstein europaweit Modellcharakter. "Energiewende" ist hier kein oktroyiertes Politikprogramm, sondern eine von den Menschen selbst gestaltete und getragene Entwicklung. Die Bürgerinnen und Bürger sind offen für die Möglichkeiten und Chancen regenerativer Energieerzeugung, sie wollen daran partizipieren und davon profitieren. In Schleswig-Holstein haben Menschen die Möglichkeit, den Ausbau erneuerbarer Energien als Kapitalgeber auch mit kleinen Einlagen selbst zu gestalten und als Arbeitnehmer unmittelbar davon zu profitieren. Dies hat dazu geführt, dass die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie bereits heute ein elementarer Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens und darüber hinaus ein Element des individuellen "Lifestyles" vieler Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ist.

1. Energieerzeugung

1.1 Erzeugung aus regenerativen Energien

Im Jahr 2014 belief sich der Anteil regenerativer Energien am gesamten Stromverbrauch in der Bundesrepublik auf 27,4 Prozent. Zielsetzung bis zum Jahre 2050 ist es, diesen auf mehr als 80 Prozent zu erhöhen, was dann weit mehr als zwei Dritteln des Gesamtstromverbrauchs der Bundesrepublik entsprechen würde. Dies hat dazu beigetragen, dass Strom aus regenerativen Energien nunmehr an erster Stelle vor den fossilen Energieträgern Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie steht. Diese Ausgangslage deckt sich in vielen Punkten mit der Situation in unserem Bundesland. Regenerative Energien sind untrennbar mit der Stärke des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein und der Vorbildfunktion unserer Region im Rahmen der Energiewende verbunden. Dass ein Großteil der produzierten Strommengen auf Windkraftanlagen zurückzuführen ist, verwundert wenig. Die Region kann auf eine lange Tradition im Bereich Windenergie zurückblicken. Mit dem Kaiser-Wilhelm-Koog nahm 1987 der erste Windpark Deutschlands seinen Betrieb auf. Windenergie Onshore deckte bereits 2014 einen Anteil von fast 60 Prozent – nach Aussage einiger Akteure sind es heute bereits 100 Prozent – des schleswig-holsteinischen Bruttostromverbrauchs. So ist Schleswig-Holstein nicht nur Geburts- sondern auch Heimatstätte der Windenergie in Deutschland.

Unsere Forderungen

  • Im Sinne einer übergeordneten Klimaschutzstrategie in Verbindung mit einer kostenoptimalen Ausgestaltung eines zukünftigen Energieversorgungssystems bedarf es eines intelligenten Zusammenspiels der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr auf Erzeuger- und Verbraucherseite. In den kommenden Jahrzehnten werden große erneuerbare Strommengen – trotz Speicher – nicht mehr im Stromsystem aufgenommen werden können. Um die damit verbundenen Chancen zu nutzen, erfordert es der Entwicklung sektorübergreifender, wirtschaftlicher Nutzungskonzepte für Strom aus erneuerbaren Energien (Power-to-X).
  • Die reelle Wirtschaftlichkeit der regenerativen Energien abseits der EEG-Umlage sollte als Vergütungskriterium aufgenommen werden, so dass Windenergie und Solarenergie vorrangig in optimal geeigneten Gebieten ausgebaut werden.
  • Beim Ausbau der regenerativen Energien soll unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte eine Ausgewogenheit der Erzeugungsstruktur angestrebt werden, um negative Effekte wie die Verteuerung landwirtschaftlicher Erzeugungspreise zu minimieren.
  • Beim weiteren Ausbau der regenerativen Energien sollen bei Lokalisierung und Dimensionierung neuer Anlagen Windpotenziale optimal genutzt werden. Hierbei gilt es, neben betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekten auch Fragen der Netzstabilität und -kapazität zu berücksichtigen.
  • Der Bioenergie kommt im Energiemix der Zukunft aufgrund der Flexibilität eine besondere Bedeutung zu. Neben dem Strom liefert dieser erneuerbare Energieträger auch Wärme. Der regulatorische Rahmen sollte dahingehend gewählt werden, dass klare Regelungen für eine Perspektive über die bisherige 20-jährige Vergütungsperiode bestehender Biomasseanlagen hinaus aufgenommen werden. Dieser Regulierungsrahmen ist für Zukunftsinvestitionen unabdingbar.
  • Die Bürgerbeteiligung bei Windparks soll auch für regionale, nicht direkt ortsansässige Interessenten möglich sein, denen entsprechende Aktivitäten im eigenen Wohnumfeld auf den Halligen, Eiderstedt etc. rechtlich verwehrt sind.

1.2 Konventionelle Energieerzeugung

Die Energiestrategien auf Bundes- und Landesebene weisen konventionellen Kraftwerken auch in den kommenden Jahren eine tragende Rolle zu. Denn: Die Sicherung der Energieversorgung steht und fällt nicht allein mit funktionsfähigen Netzen und Speichertechnologien. Die Frage ist nicht ob, sondern vielmehr wie Energieversorger den Spagat zwischen konventioneller Energieerzeugung und Einhaltung von Klimazielen zukünftig bewältigen werden. Die Antwort lautet: Effizientere Kraftwerke, die geringere CO2 - Mengen in die Umwelt emittieren. Kohle- und moderne Gaskraftwerke werden uns demnach längerfristig begleiten. Bezogen auf die nuklearen Kraftwerke des Landes ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den in Frage kommenden Stilllegungs-Alternativen dringend erforderlich. Investitionen in flexible fossile Kraftwerke sichern auch mittelfristig die Energieversorgung des Landes. Den Kraftwerken kommt hierbei eine wichtige Ausgleichsfunktion zu. Auf der einen Seite sollen sie die wegfallenden Kapazitäten der vom Netz gehenden Kernkraftwerke abfedern und auf der anderen Seite schwankenden Strommengen aus regenerativen Energien entgegenwirken.
Abschaltung und Rückbau von Kernkraftwerken sind ebenfalls unmittelbar mit der Energiewende verbunden. Bundesregierung und Landesbehörden haben dafür Sorge zu tragen, dass die existenten, noch laufenden Anlagen den höchsten Sicherheitsansprüchen genügen und eventuell notwendige Nachrüstungen erfolgen. Gemäß dem Verursacherprinzip sind die Betreiber von Kernkraftwerken und diejenigen, die radioaktive Abfälle erzeugen oder abliefern, per Gesetz dazu verpflichtet, die gegenwärtig und zukünftig entstehenden Kosten der Stilllegung zu tragen. Hier gilt es, schnellstmöglich die erforderlichen Entscheidungen zu treffen, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Unsere Forderungen

  • Der schnelle Atomausstieg und die Abschaltung der Kernkraftwerke hierzulande bedingen, dass dringend ein rechtlicher Rahmen für den Rückbau festgelegt und die Endlagerfrage geklärt wird.
  • Mit Blick auf die Zielsetzungen für die Jahre 2020/2030/2050 ist die Erzeugung aus konventionellen Energien als ein notwendiges Element innerhalb des Prozesses der Energiewende nicht außer Acht zu lassen.
  • Die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) sowie das Fracking (Hydraulic Fracturing) werden für Schleswig-Holstein uneingeschränkt abgelehnt.
  • Die technischen Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung und deren Umsetzung sollen als Brückentechnologie umweltschonender Energieerzeugung stärker gefördert werden.
  • Um eine optimale Ressourcenschonung zu erreichen, muss bei der konventionellen Energieerzeugung der höchste Wirkungsgrad die zentrale Referenz für die Technologienutzung darstellen.
  • Die fossilen Energieträger sind vor dem Hintergrund der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit differenziert zu betrachten und jeweils einer strategischen Bewertung für ihre weitere Nutzung zur Energieversorgung zu unterziehen.
  • Aufgrund der schwankenden Produktion der regenerativen Energien müssen zum Ausgleichen erhebliche Netzkapazitäten vorgehalten werden. Dies sollte über wirtschaftliche Anreize attraktiver gestaltet werden, um entsprechende Dimensionen zu sichern.

2. Infrastruktur

Im Zuge der Energiewende werden in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren erhebliche zusätzliche Windenergiekapazitäten ans Netz gehen. Diese und die erzeugten Strommengen erfordern den zügigen Um- und Ausbau der bisherigen Netzinfrastruktur. Dafür sind eine wirksame Straffung und eine Beschleunigung des deutschen Planungsrechts zwingend erforderlich. Eine gute und zukunftsfähige Netzinfrastruktur ist für das Gelingen der Energiewende auf Bundes- und Landesebene unabdingbar. Neben dem Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze müssen Lösungsansätze für intelligente Stromnetze (Smart Grids) und Speichertechnologien weiter vorangetrieben werden, um so die Netzstabilität auch in Zukunft gewährleisten zu können.

Unsere Forderungen

  • Die bestehenden Stromnetze sind heute bereits zeitweise so ausgelastet, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeschaltet werden müssen, obwohl sie ohne zusätzliche Kosten Strom produzieren könnten. Der Ausbau der Stromnetze und die Einsetzbarkeit zuschaltbarer Lasten im System müssen soweit erfolgen, dass das Einspeisemanagement auf ein Minimum reduziert werden kann.
  • Neben dem notwendigen Ausbau des Hafens Brunsbüttel müssen weitere Nordseehäfen des Landes mit der benötigten Infrastruktur für Service- und Logistikleistungen der Windindustrie zur Wartung der Offshore-Windparks ausgestattet werden.
  • Die politischen Rahmenbedingungen in Schleswig-Holstein im Offshore-Bereich müssen angepasst werden, um den Anschluss zu unseren Nachbarländern nicht zu verlieren. Dabei bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung (Einrichtung von Servicestandorten, Entwicklung Offshore-Häfen, Investitionssicherheit, Infrastruktur, Wartungskonzepte, Schulungskonzepte, Forschung & Entwicklung), um die schleswig-holsteinische Offshore-Branche nachhaltig zu stärken.
  • Die regional unterschiedlich anfallenden Kosten für den Betrieb und Ausbau der Netzinfrastruktur, insbesondere in EEG-Regionen, dürfen nicht zu regionalen Standortnachteilen führen. Daher ist ein bundesweiter Ausgleich der Kosten für den Ausbau der Netze auf allen Spannungsebenen erforderlich.
  • Für die Windenergieregion der Nordseeküste, wo regenerativ erzeugter Strom oft im Überfluss vorhanden ist, muss die Ansiedlung energieintensiver Industrie bzw. Unternehmen sowie Zulieferer mit kurzen Wegen zum Markt vorrangiges Ziel sein.
  • Angesichts der für 2025 anvisierten Versorgungsquote mit 300 Prozent regenerativen Energien ist für Schleswig-Holstein ein integriertes Konzept erforderlich, das neben der Energieerzeugung auch die Energiespeicherung sowie Elemente eines intelligenten Netzes (Smart Grid) einbezieht.
  • Als flexibel einsetzbare Kraftwerksleistung für das Ausgleichen vorübergehender Schwankungen im Stromnetz ist ein Zusammenschalten dezentraler Anlagen zu einem Virtuellen Kraftwerk als Schlüsseltechnologie zu fokussieren.
  • Im Vorgriff auf die Etablierung eines intelligenten Netzes (Smart Grid) ist ein landesweiter Ausbau des Glasfasernetzes von grundlegender Bedeutung.
  • In der Energiewirtschaft sollte die kommunale Zusammenarbeit gefördert werden, um die lokalen und regionalen Energieversorger zu einem gemeinsamen starken Player zu machen.
  • Es ist ein verlässlicher politischer Handlungs- und Planungsrahmen für den Netzausbau zwingend erforderlich, will man die für das Gelingen der Energiewende notwendigen Netzdimensionen rechtzeitig erreichen.
  • Ein intelligenter und effektiver Netzausbau muss für alle Netzbetreiber-Ebenen mit Innovationsanreizen versehen und über eine förderliche Regulierung profitabel gestaltet werden, will man die angestrebten Dimensionen zügig erreichen. Die Kosten des Ausbaus dürfen jedoch nicht die Industrie bzw. die Kunden im Lande belasten.
  • Schleswig-Holstein sollte sein Image als Land der Energiewende mit touristischen Produkten insbesondere rund um die Elektromobilität als Erlebnis für Anwohner und Gäste entwickeln, um die Akzeptanz nach innen und außen zu steigern.
  • Für einen nachhaltigen Zubau von Energiespeichern und weiterer Flexibilitätsoptionen ist es notwendig, transparente regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Investitionssicherheit erhöhen. Es bedarf der stetigen, intensiven Forschung und Entwicklung, da gerade im Bereich der Speichertechnologien noch enorme Potentiale vorhanden sind. Die Funktion von Speichern muss zukünftig anders gedeutet werden: Da sie zur Stabilisierung und Optimierung des Netzes beitragen, sind sie als Flexibilitätsoption und nicht als Endverbraucher zu bewerten, sodass die Abgaben erst beim tatsächlichen Endverbrauch anfallen

3. Energieeffizienz

Ein nachhaltiges Energiesystem setzt eine effizientere Energienutzung aller Akteure voraus. Umsicht im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen spielt eine tragende Rolle bei der Erreichung definierter Klimaziele. Der Weg dahin ist vielfältig und kann unter anderem durch die optimierte Nutzung der Transportwege, durch das Ausreizen der Einsparpotenziale im produzierenden Gewerbe, aber auch durch die Minimierung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor erreicht werden. Allein rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in der Bundesrepublik gehen auf das Konto der Bestandsgebäude. Investitionen in die Energieeffizienz zahlen sich nicht nur umwelt- und klimatechnisch, sondern insbesondere auch wirtschaftlich aus. Man geht derzeit davon aus, dass in Deutschland die Energiekosten um bis zu 33 Milliarden Euro gesenkt werden könnten, wenn der heutige Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 13 Prozent minimiert würde. Hierbei sind neben dem Dienstleistungs- und dem Verkehrssektor insbesondere die erheblichen Einsparpotenziale im industriellen Bereich und bei den Privathaushalten zu nennen. Diese Potenziale muss auch Schleswig-Holstein nutzen. Mit dem im Dezember 2014 vorgelegten Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wurde eine umfassende Strategie auf den Weg gebracht, um den Primärenergieverbrauch 2050 gegenüber 2008 zu halbieren. Unter dem Motto "Mehr aus Energie machen" informiert die Bundesregierung über Maßnahmen, die nicht nur der Umwelt helfen, sondern sich auch wirtschaftlich lohnen.

Unsere Forderungen

  • Energieberatung muss attraktiv und zielgerichtet gestaltet sein. Hierzu gilt es, Fördermöglichkeiten wie beispielsweise die BAFA Energieeffizienzberatung langfristig zu erhalten. Die darauf aufbauende Umsetzung empfohlener Maßnahmen muss über Investitionsanreize gefördert werden.
  • Mit freiwilligem Engagement und Anreizen für Energieeffizienzmaßnahmen kann mehr erreicht werden als mit gesetzlichem Zwang. Daher sollte es für Unternehmen keine Verschärfung von Effizienzvorgaben geben.
  • Langfristiges Ziel bei Neubauten und Gebäudesanierungen im privaten und gewerblichen Bereich sollte eine CO2 -neutrale Energieversorgung sein. Dabei ist – unter Berücksichtigung von effizienten Heiztechniken, Wärmedämmung, Stromerzeugung, Speichertechnologien sowie sonstigen Baumaßnahmen und Techniken aus dem Gebäudemanagement – eine ganzheitliche energetische Betrachtung des Objektes und möglicher Maßnahmen anzustreben. Entsprechende Maßnahmen sind dabei zu fördern. Beim Ersatz von Anlagen, Einrichtungen und Bauweisen mit schlechter CO2 -Bilanz muss konsequenterweise über neue nachhaltige Technologien nachgedacht werden.
  • Öffentliche Einrichtungen müssen eine Vorbildfunktion übernehmen und könnten gleichzeitig ein Schaufenster der Energieeffizienztechnologien für private oder gewerbliche Interessenten sein. • Information und Aufklärung sind von zentraler Bedeutung. Darum sollten Beratungsangebote wie beispielsweise das Energiecoaching der IHK im Rahmen der Energiewende fortgesetzt und ausgebaut werden.
  • Bestehende Förderprogramme im Bereich Energieeffizienz sollten weiter entbürokratisiert und für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern geöffnet werden.
  • Marktbasierte Instrumente wie das Europäische Emissionshandelssystem erfordern für Unternehmen mit regionalen Zusatzbelastungen adäquate Kompensationen, um im weltweiten Wettbewerb Abwanderungseffekten entgegenzuwirken. Zudem sind willkürliche Eingriffe in den Emissionshandel abzulehnen.

4. Forschung und Entwicklung

Innovationsleistungen zeichnen eine wettbewerbsfähige und international führende Volkswirtschaft aus. In kaum einem Land wird diese Tatsache schon seit Jahrzehnten deutlicher als in Deutschland. Die wichtigsten Ressourcen sind unsere klugen Köpfe. Den Themen Forschung und Entwicklung wird aus diesem Grund ein hoher Stellenwert in der Zukunftsstrategie des Bundes, des Landes und unserer Region beigemessen. Die Gleichung ist denkbar einfach: Ohne Forschung und Entwicklung keine Innovationsleistungen und ohne Innovationsleistungen kein Gelingen der Energiewende. Für Schleswig-Holstein als einziges Bundesland ohne Technische Hochschule hat mithin die Stärkung der Innovationskraft höchste Priorität
Stichworte wie Energiespeicher, Smart Grid, Elektromobilität und effiziente Kraftwerke zeigen eines ganz deutlich: Ohne dringend benötigte Innovationen kann eine verlässliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung nicht gewährleistet werden. Damit verknüpft ist die Sicherung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit in unserer Region. Mit einem einzigartigen Innovationsbündnis, quer durch Branchen und Betriebsgrößen, beteiligen sich zahlreiche Unternehmen aus Schleswig-Holstein und Hamburg am Schaufenster Intelligente Energie "Norddeutsche Energiewende 4.0". Auch aus dem IHK-Bezirk Flensburg sind namhafte Unternehmen aus Industrie und dem Energiesektor vertreten.

Unsere Forderungen

  • Es ist eine strategische Ausrichtung für Forschung und Entwicklung zu erarbeiten und anschließend mit Anreizen auszugestalten. Forschungseinrichtungen, Hochschulen und weitere Partner können in der Folge im Rahmen einer abgestimmten Hightech-Strategie des Landes benannte Themenfelder einer ebensolchen Forschungsagenda besetzen.
  • Um den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stetig zu verbessern, sollten Transfereinrichtungen wie das Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien und Klimaschutz Schleswig-Holstein EEK.SH weiterhin unterstützt, die Forschungsförderung durch Bund und Länder ausgeweitet sowie die Koordination der norddeutschen Forschungseinrichtungen optimiert werden.
  • Mit Blick auf die zentralen Herausforderungen in Schleswig-Holstein muss die Forschung und Entwicklung in den innovativen Technologiebereichen Leistungselektronik, Virtuelle Kraftwerke, Batterietechnik und Wasserstoff intensiviert werden.
  • Die Ergebnisse des Projektes "SmartRegion Pellworm" sollten im Zuge weiterer Bestrebungen bezüglich energieautarker "erneuerbarer" Modellregionen berücksichtigt werden, um Selbstversorgungskonzepte unter Einbindung der kommunalen Versorger zu simulieren und die Akzeptanz neuer Technologien insgesamt zu stimulieren

5. Fachkräftesicherung und Qualifizierung

Das Thema Bildung ist ein Garant für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg und die daraus resultierenden Synergieeffekte. Der Fokus im Energiesektor liegt daher auf einer praxisnahen und an die gestiegenen Anforderungen angepassten Aus- und Weiterbildung zukünftiger Fach- und Führungskräfte. Zahlreiche Akteure bemühen sich landesweit um eine Steigerung der Attraktivität unseres Ausbildungsstandortes und die Anpassung an die gestiegenen Anforderungen der (Energie-)Wirtschaft sowie um eine bessere Vernetzung der Kompetenzen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Hochschulen des Landes zu, die sich für die hohe Qualität der Ausbildung wissenschaftlich geschulter Fachkräfte verantwortlich zeigen und einen zentralen Part bei der Weiterentwicklung bestehender sowie neuer Cluster in unserem Bundesland einnehmen. Gleiches gilt für ambitionierte privatwirtschaftliche Akteure wie das BZEE in Husum, OffTEC in Enge-Sande sowie die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, die erfolgreiche Qualifizierungsangebote entwickelt haben. Die so genannten Green Jobs sind begehrt, da sie mit guten Perspektiven und einem spannenden Arbeitsumfeld in einer expandierenden Zukunftsbranche aufwarten können. In Deutschland gingen 2013 mehr als 360.000 Menschen einem Beschäftigungsverhältnis im Regenerative-Energien-Sektor nach. Eine exzellente Aus- und Weiterbildung ist daher auch immer eine Investition in die Zukunft, die gerade auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren mit größtem Engagement weiterverfolgt werden sollte.

Unsere Forderungen

  • Die benötigten hochqualifizierten Arbeitskräfte können nur mit einer gezielten Standortbewerbung und einer umfassenden Attraktivitätssteigerung des Lebensumfeldes nach Schleswig-Holstein gelockt und hier gehalten werden.
  • Es müssen berufsbegleitende Studiengänge zur weiteren Professionalisierung qualifizierter Mitarbeiter sowie zusätzliche Aus- und Fortbildungslehrgänge in der beruflichen und der allgemeinen Bildung entwickelt und angeboten werden.
  • Für die Bereiche Planung, Installation und Wartung dieser Branche müssen Ingenieurstudiengänge ausgebaut und stärker vernetzt werden.
  • Um den steigenden Schulungsbedarf sowie das komplexe Thema der Arbeitssicherheit im Wind On-/ und Offshore-Bereich sowie im Bereich der Solarenergie und Biomasse abzudecken, müssen Institutionen und Schulungseinrichtungen etabliert werden. Gerade Schleswig-Holstein bietet sich aufgrund der geographischen Lage und vorhandener Trägereinrichtungen als Standort an.
  • Will man in Schleswig-Holstein ernsthaft effektive Forschung und betriebliche Entwicklung betreiben, so ist eine Bündelung der Kräfte nötig. Ziel muss ein Kompetenz- und Innovationszentrum für regenerative Energien sein, das neben den Themen Forschung, Aus- und Weiterbildung, berufsbegleitende Studiengänge sowie Weiterbildungsstudiengänge auch komplementäre Themen der Standortvermarktung und querschnittliche Beratung kombiniert.

6. Rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmen

Mit dem 2011 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie hat sich die Bundesrepublik als weltweit erste Industrienation für ein neues Energiezeitalter ausgesprochen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz liefert die rechtliche Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. Die Tatsache, dass sich viele andere Staaten an der deutschen Gesetzgebung orientieren, spricht für den Erfolg des Instrumentariums. Das übergeordnete Ziel, die regenerativen Energien markt- und wettbewerbsfähig zu machen, wird in den nächsten Jahren das politische und wirtschaftliche Tagesgeschäft bestimmen.
Die Politik ist auch in Zukunft gefordert, ein System der Verlässlichkeit und Planungssicherheit zu gewährleisten. Nur so werden sich Konsumenten und Produzenten auf die geänderte Ausgangslage einlassen, nötige Investitionen tätigen und steigende Energiekosten zu tragen bereit sein. Bedeutend ist hierbei, dass Fehllenkungen, wie zum Beispiel unerwünschte Beschäftigungseffekte im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung, vermieden werden müssen.
Deutschland hatte den Mut, sich für eine Neuausrichtung des Energiemixes zu entscheiden. Dieser Mut wird entlohnt werden, wenn die Wende zu einem hocheffizienten, auf regenerativen Ressourcen fußenden Energiesystem erfolgreich vollzogen werden kann. Neben Planungssicherheiten und intelligenten Netzen werden Bund und Länder auch auf intelligente Netzwerke angewiesen sein. Unabdingbar ist eine enge Verzahnung aller beteiligter Akteure, die sich als koordinierendes und lernendes System begreifen.
Ein wesentlicher Bestandteil ist in diesem Zuge die Beteiligung sämtlicher Stakeholder, insbesondere der betroffenen Bevölkerung. Eine FORSAStudie aus dem Jahre 2015 belegt, dass ein enormer Rückhalt in der Bevölkerung, insbesondere bei Onshore-Vorhaben, durch Beteiligungsmodelle erreicht werden kann. Werden Bürger in die Planung und Umsetzung der Projekte eingebunden, kann die Zahl der planungsrechtlichen Einwände deutlich reduziert werden. Von einer Kostenreduktion und verkürzten Verwirklichungszeiträumen profitieren schlussendlich alle Akteure. Es wird also darauf ankommen, den Energienetzausbau weiter voran zu treiben und zu beschleunigen, um die hier produzierte Energie zu transportieren oder aber vor Ort zu nutzen.

Unsere Forderungen

  • Für das Gelingen der Energiewende muss der Bürger strategisch in das Gesamtvorhaben eingebunden werden, wie die erfolgreiche Bürgerbeteiligung im Zuge von Einzelvorhaben beim Ausbau der regenerativen Energien deutlich vor Augen führt.
  • Für das Ausschreibungsdesign müssen die Erhaltung der Akteursvielfalt und Erreichung der Klimaschutzziele gewährleistet werden. Die starke internationale Position der deutschen Energiebranche darf dabei ebenso wenig gefährdet werden wie Bürgerenergieprojekte. Eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der nördlichen Bundesländer gilt es zu verhindern: Windenergie (Onshore) als kosteneffizienteste Erzeugungsform und auch die besten Windstandorte dürfen nicht künstlich benachteiligt werden.
  • Das Förderinstrumentarium für die regenerativen Energien muss in allen Bereichen überprüft und an die aktuellen Verhältnisse angepasst werden. Ein erheblich vereinfachtes, transparentes EEG als beständige und verlässliche Planungsbasis sollte das Resultat sein.
  • Eine dezentrale Energieversorgung erfordert flexiblere Märkte und Regularien. Schleswig-Holstein als Energiewendeland Nr. 1 ist gefordert, hier entscheidende Impulse zu setzen, damit die erzeugte erneuerbare Energie wirtschaftlich genutzt und Flexibilitätstechnologien wirtschaftlich betrieben werden können. Im Zuge der Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen muss es das Ziel sein, jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien durch sektorübergreifende Nutzungspfade und durch industriepolitische Maßnahmen in der Energiepolitik sinnvoll nutzbar zu machen. Beispiele hierfür sind Elektromobilität, zuschaltbare Lasten, Stromspeicher und Power to X-Anlagen. Hierzu sollte die Verknüpfung der Märkte von Strom, Wärme und Mobilität und der entsprechenden Infrastruktur beschleunigt werden.
  • Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des Strompreises und bei Betrachtung der Komponenten der EEG-Umlage bedarf es einer fairen Berechnung der EEG-Umlage, um mehr Transparenz in die Strompreisdebatte zu bringen. Nicht einmal 50 Prozent der Kosten aus der EEG-Umlage resultieren aus der direkten Förderung der regenerativen Energien. Der andere Anteil entsteht aus den stark fallenden Strombörsenpreisen und den verschiedenen Befreiungstatbeständen. Es ist notwendig, die EEG-Umlage von den Börsenpreisen abzukoppeln.
  • Eine zentrale, bundesweit einheitliche Steuerung der Energiewende, die die jeweiligen Stärken der einzelnen Regionen nutzt, ist unverzichtbar. Zudem sollten die Clusteraktivitäten sowie die Vermarktungs- und Ansiedlungspolitik der norddeutschen Länder enger abgestimmt werden.
  • On- wie Offshore müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren von Windparks deutlich beschleunigt und die Netzanbindung zeitlich besser koordiniert werden.
  • Die Eigenversorgung von Strom und Wärme bei Neubauten und Bestandsgebäuden muss gefördert werden. Dabei bedarf es – neben der effizienten Quartiersentwicklung – eines effizienten Energiekonzeptes mit einer dezentralen Energieversorgung sowie der Nutzung von Strom- und Wärmespeichern. Dies führt letztendlich zu einer Entlastung der Netze sowie der Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch.
  • Zur Gesamtsystemoptimierung sollte die Bildung eines europäischen Binnenmarktes beschleunigt werden, bspw. durch die Agentur für die Zusammenarbeit der Energie-Regulierungsbehörden (ACER) oder durch den Verband der europäischen Energieregulierungsbehörden (CEER).
  • Zur Steigerung der Akzeptanz der regenerativen Energien schreibt das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) Projektplanern die "Beteiligung der Öffentlichkeit" vor. Grundtenor sollte ein ehrlicher Dialog zu den Herausforderungen der Energiewende sein.
  • Ein Leitfaden für die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Energiewende (wie es bei der Windenergie bereits der Fall ist) sollte entwickelt werden, um bei Regionalkonferenzen oder Bürgerdialogen konsequent das Vertrauen der Bevölkerung zu erarbeiten und Kritik konstruktiv zu nutzen. Gleichwohl kann Bürgerbeteiligung gelegentliche "Fundamentalopposition" nicht immer vermeiden. Bei allem Bemühen um Akzeptanz sind schlussendlich klare Entscheidungen erforderlich, zu denen administrativer Mut und politische Weitsicht gehören.
  • Sonder- und Ausnahmeregeln bei der EEG-Umlage sollten vereinfacht werden, um Bürokratie bei Energieversorgern und Begünstigten abzubauen und die Strompreise zu senken.
Die inhaltliche Grundlage des vorliegenden energiepolitischen Papiers hat der Energieausschuss der IHK Flensburg im Rahmen mehrerer Sitzungen im Winter 2015/16 sowie im Frühjahr 2016 gelegt. In einem weiteren Schritt hat dann die Vollversammlung der IHK Flensburg in ihrer Sitzung am 3. Juni 2016 das Papier beraten und beschlossen. Es trägt damit die Legitimation des gewählten "Parlaments" der gewerblichen Wirtschaft im Norden und Westen Schleswig-Holsteins.
Veröffentlicht im Juni 2016