Standortpolitik

Alles, was Schiffe brauchen

Schon von weitem springt die 25 Meter hohe, schneeweiße Schiffbauhalle am Friedrichsorter Förde-Ufer ins Auge: Im Herzen der Gebr. Friedrich Schiffswerft bekommen Schiffe eine Art Wellness-Kur technischer Art. Schiffe der Bundesmarine, große Yachten, Traditionssegler, Fahrgastschiffe, Rettungskreuzer, Lotsenboote, Forschungsschiffe, Zoll- und Polizeiboote nehmen den Service der Werft in Anspruch – und das schon seit 1921. Dabei kümmern sich die Spezialisten unter anderem um komplizierte Reparaturen etwa von Antriebssystemen sowie elektrischen und elektronischen Ausrüstungen. Und sie setzen die Träume der Schiffseigner um – bei individuellen Umbauten auf und unter Deck.
"Wir verstehen uns als mittelständischer Familienbetrieb, der sich um seine Mitarbeiter kümmert, Berufsnachwuchs ausbildet und ein gutes Netzwerk mit anderen maritimen Unternehmen pflegt",  erzählt Chefin Katrin Birr (48). Dass die kerngesunde Werft bald 100-jähriges Jubiläum feiern wird, hat sie einer besonderen Firmenphilosophie zu verdanken: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!" Und für kaum eine andere Branche in Deutschland trifft das auf die maritime zu, die nach langer Flautenzeit wieder Wasser unter den Kiel bekommt. "Wir sehen unsere Aufgabe darin, uns ständig an neue Anforderungen des Marktes anzupassen, uns stetig zu wandeln. Dafür haben unsere Mitarbeiter immer ein Ohr am Markt, sie sind hellwach für neue Trends", berichtet Senior-Chef Klaus Birr (78).
Der Erfolg lässt sich auch daran messen, dass die Zahl der Mitarbeiter langsam, aber stetig wächst: binnen fünf Jahren um 26 auf aktuell 156 Kolleginnen und Kollegen im Werft- und E-Technikbereich zusammen. Um auch zukünftig expandieren zu können, hat Gebr. Friedrich eine große Halle auf dem Gelände von Vossloh in Friedrichsort gemietet. "Angesichts des beengten Platzes auf unserem Betriebsgelände sehen wir dort die einzige Expansionsmöglichkeit für die Werft", erklärt Katrin Birr. Dort entstehen im Metallbau maritime Lösungen wie Antennenmasten, Lüfterjalousien für Maschinenräume, Kleinserien aus dem Blechschlosser- oder Stahlbaubereich. Dafür hat das Unternehmen vor zwei Jahren die kleine Firma Northern Ship Technologies mit zehn Mitarbeitern übernommen.
Eine Erfolgsstory der besonderen Art ist die Gebr. Friedrich Industrie- und Elektroniktechnik: "Nach unserem Umzug nach Wellsee haben wir die Grundstücksfläche von 3.000 auf heute 16.000 Quadratmeter ausgebaut", berichtet Klaus Birr nicht ohne Stolz. Die Aufgaben sind vielfältig: "Unsere Auftraggeber kommen zum großen Teil aus dem maritimen Bereich. Die Bundesmarine gehört ebenso dazu wie Heer und Luftwaffe." Aber auch Firmen wie Condok, Hensold, TKMS, die Müllverbrennung und GKK Kraftwerke suchen die Expertise von Gebr. Friedrich. Mit den AIDA-Traumschiffen verbindet das Unternehmen eine enge Partnerschaft. "Die Servicetechniker beider Unternehmen fahren weltweit auf den Kreuzfahrern mit, um sie unterwegs warten und reparieren zu können. So spart die Reederei langwierige Werft-Liegezeiten", berichtet Katrin Birr.
Auch im Hafen zu Hause und in Hamburg sorgen die Wellseer dafür, dass es rund läuft: Damit etwa die Passagierbrücken für die Kreuzfahrtgäste stets funktionsfähig bleiben, sind die Techniker in Rufbereitschaft. Und wenn eine Reederei für Containerschiffe technische Hilfe braucht? Dann fliegen die Kollegen schon mal los nach Australien, Afrika oder China. Mit einem Geschäftspartner entwickelt Gebr. Friedrich Systemlösungen, die als Einbausatz in Container oder Fahrzeugen der Bundeswehr eingebaut werden. Angesichts der enormen Flexibilität erkennt man die Philosophie des Familienunternehmens: immer hellwach zu bleiben und auf die sich wandelnden Anforderungen der Märkte schnell zu reagieren.
Ganzheitlich denkt Katrin Birr, wenn es um den Standort Kiel geht. "In einem Hafen müssen ganz viele Player zusammenarbeiten, damit es rund läuft. Dabei bin ich ein Verfechter des Biotop-Gedankens: Für ein Gedeihen müssen alle Elemente zusammenwirken. Fehlt eins, ist das ganze Biotop bedroht." So verhalte es sich auch mit dem Kieler Flughafen. Ihn müsse man als untrennbaren Teil einer großen Hafenstadt wie Kiel sehen. "Die für Kiel so wichtige Kreuzfahrtbranche profitiert enorm vom Airport: Hier landen die Traumschiff-Passagiere, aber auch Besucher von Unternehmen kommen mit Chartermaschinen", betont Birr. Nicht zu vergessen sei, dass sich eine Reihe von Unternehmen am Flughafen angesiedelt haben und im neuen Gewerbegebiet in Holtenau niederlassen wollen. Eine Großstadt wie Kiel ohne Flughafen – das würde nicht nur auf Unternehmen nun mal sehr provinziell wirken.