Arbeitsrecht

Verdachtskündigung wegen fehlerhafter Zeiterfassung

Manipuliert der Arbeitnehmer die Zeiterfassung, kann bereits der dringende Verdacht eine Kündigung rechtfertigen, da das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem erheblich zerstört ist.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Verdachtskündigung. Der klägerische Arbeitnehmer arbeitete seit 2005 grundsätzlich in Gleitzeit im Dienstgebäude der Beklagten. Die Zeiterfassung erfolgt für alle Beschäftigten mittels digitaler Dienstkarte am Zeiterfassungsgerät oder online am PC.
Der Vorgesetzten des Klägers fielen an drei aufeinanderfolgenden Tagen Diskrepanzen zwischen den Arbeitszeitbuchungen und der tatsächlichen Anwesenheit des Klägers auf. Der Kläger hatte sich morgens an Tagen ohne mobilem Arbeiten online eingebucht, war aber tatsächlich nicht in seinem Büro anzutreffen. Zudem wurde festgestellt, dass er seit Beginn des Jahres seine Ankunftszeiten online gebucht hatte, auch ohne mobil zu arbeiten. Diese Diskrepanzen konnte der Arbeitnehmer nicht widerspruchsfrei erklären. Daraufhin sprach die Beklagte im Februar 2022 nach vorheriger Anhörung des Personalrates die ordentliche Kündigung aus.
Der Arbeitnehmer erhob hiergegen Klage beim Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Nach erhobener Berufung des Klägers bestätigte das zuständige Landesarbeitsgericht das Urteil mit folgender Begründung.
Eine Verdachtskündigung ist als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Der Verdacht muss dringend sein und auf konkreten, vom Kündigenden darzulegenden und ggf. zu beweisenden Tatsachen beruhen. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Eine Interessensabwägung zwischen den Interessen der Arbeitgeberin und des Arbeitnehmers muss dazu führen, dass der Arbeitgeberin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Der vorsätzliche Missbrauch der Stempeluhr oder der elektronischen Zeiterfassung ist dazu geeignet einen schweren Vertrauensbruch auszulösen. Die Arbeitgeberin muss darauf vertrauen können, dass der Arbeitnehmer die geleistete Arbeitszeit ordnungsgemäß erfasst, da er gerade bei vereinbarter Gleitzeit – anders als bei festen Arbeitszeiten – die individuell unterschiedlichen Arbeitszeiten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand kontrollieren kann.
Der Arbeitgeberin war es im vorliegenden Fall nicht zu zumuten, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Sie müsste die Arbeitszeiten engmaschig und regelmäßig kontrollierten. Dies sei mit dem damit verbundenen Personal- und Kostenaufwand nicht zu rechtfertigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern (28. März 2023) Aktenzeichen 5 Sa 128/22).
Veröffentlicht am 23. August 2023