Arbeitsrecht

Umkleide- und Reinigungszeiten sind zu vergüten

Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits entschieden, dass Umkleide- und innerbetriebliche Wegzeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind. Gilt dies auch für Körperreinigungszeiten?
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten. Ihm wird für seine Tätigkeit als Containermechaniker, bei der er Container abschleift, reinigt und neu lackiert, von der Beklagten spezielle Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Schutzkleidung, welche bei der Arbeit verschmutzt wird und im Betrieb verbleibt. Sie besteht aus Arbeitsschuhen, Handschuhen, T-Shirt und ggf. langärmeliger Bekleidung, sowie Atemmaske und Schutzbrille.
Mit seiner Klage vom 30. September 2020, beim Arbeitsgericht eingegangen am 30. September 2020, verlangt der Kläger Vergütung für vor Schichtbeginn und nach Schichtende anfallende Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten. Er trägt vor, er müsse sich vor Schichtbeginn und nach Schichtende umkleiden. Außerdem müsse er sich nach Schichtende im Betrieb reinigen, da er durch Schleif- und Lackierarbeiten stark verschmutzt werde. Dazu stünden ihm Reinigungsmöglichkeiten und Duschen bei der Beklagten zur Verfügung. Die spezielle Reinigung sei ihm zu Hause nicht möglich. Dazu benötige er spezielle Körperreinigungsmittel. Er benötige zudem Zeit für den Weg von der Pforte zur Garderobe und zurück sowie von der Garderobe zum Arbeitsplatz und zurück. Die für das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden und für die Reinigung im Betrieb benötigte Zeit sowie die Wegezeit sei vergütungspflichtige Arbeitszeit. Mit seiner Weisung mache der Arbeitgeber das Umkleiden, das Reinigen und das Zurücklegen der Wege zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Diese gehören auch zu den „versprochenen Diensten“ nach § 611a BGB. Die Beklagte beantragte die Klageabweisung.
Das Arbeitsgericht Nürnberg stellte fest: Die für das Umkleiden vor und nach der Schicht sowie für die Reinigung nach der Schicht erforderlichen Zeiten sind gemäß § 611a Abs. 2 BGB gesondert zu vergüten, nicht aber die vom Kläger zu Grunde gelegten Wegezeiten. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit. Der Einwand der Beklagten, die Nutzung der im Betrieb vorhandenen Duschen sei freiwillig, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Auf Grund der unstreitigen Verschmutzung ist es dem Kläger nicht möglich und nicht zumutbar, ohne vorhergehende Körperreinigung eigene Kleidung anzulegen oder die verschmutzte Arbeitskleidung nicht abzulegen und sich nach Hause zu begeben. Nicht zur zusätzlich vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören allerdings die vom Kläger geltend gemachten Wegezeiten. Der Weg von der Pforte zur Garderobe, an der sich die Stempeluhr befindet, und zurück ist unabhängig vom Umkleide- und Reinigungsvorgang und stellt einen Teil des allen Arbeitnehmern obliegenden Wegs von der Wohnung zur Arbeitsstelle dar. Er ist deshalb nicht gesondert zu vergüten. Der Weg von der Garderobe zum Arbeitsplatz und zurück wird nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beklagten bereits vergütet, da sich die Stempeluhr direkt an der Garderobe befindet (ArbG Nürnberg Endurteil v. 21. Juni 2022 – 9 Ca 5217/20).
Ob Körperreinigungszeiten auch als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen sind, ist höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Diese ist allerdings in kommender Zeit zu erwarten. Nach dem Berufungsverfahren gegen dieses Urteil ist nunmehr die Revision zum BAG zugelassen und anhängig (5 AZR 212/23).
Veröffentlicht am 24. Oktober 2023