Arbeitsrecht

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit aller Beschäftigten aufzeichnen müssen.
Klarheit besteht nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Beschluss vom 13. September 2022) nur über das „Ob“, aber nicht über das „wie“ der Arbeitszeiterfassung. Das BAG hat festgestellt, eine generelle Pflicht für den Arbeitgeber besteht, die Arbeitszeit zu erfassen, der Arbeitgeber also nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ist, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Das BAG bezieht sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. (Bisher gibt es in Deutschland die Verpflichtung nur bestimmte Berufsgruppen oder Branchen sowie für Sonn- und Feiertagsarbeit und für  Überstunden)
Nach der seit 7 Dezember 2022 vorliegenden Begründung des Bundesarbeitsgerichts besteht für den Arbeitgeber besteht ab sofort die Pflicht, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, mit dem Beginn und Ende und damit die gesamte Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden. Es ist ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne.
Es besteht aber ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum für Arbeitgeber, solange vom Gesetzgeber (noch) keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden. Insbesondere muss die Arbeitszeiterfassung nicht zwingend elektronisch erfolgen. Im Hinblick auf die Art und Weise der Erfassung haben Unternehmen einen erheblichen Gestaltungsspielraum – gleich, ob Stechuhr, Zeiterfassungs-App, Excel-Liste oder – je nach Unternehmen und Tätigkeit –  „Stift und Zettel“.
Zu beachten ist „lediglich“, dass der Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz nicht rein wirtschaftliche Erwägungen untergeordnet werden dürfen. Weiter ist es nach den ausdrücklichen Feststellungen des BAG auch möglich, die Aufzeichnung der Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer zu delegieren. Anders als vielfach vertreten, ist die Vertrauensarbeitszeit somit auch weiterhin möglich.
Zu beachten ist ferner, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren.
Nach der Entscheidung des BAG besteht die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen und zu verwenden, für alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen sind damit leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, also insbesondere Führungskräfte, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung berechtigt sind oder eine auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutende Prokura haben.
Das Bundesarbeitsministerium hat für 2023 eine Änderung der gesetzlichen Regelungen im Arbeitsschutz- sowie Arbeitszeitgesetz angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber den sowohl vom EuGH als auch vom BAG aufgezeigten Gestaltungsspielraum belässt und nicht weitere administrative Hürden für Unternehmen aufstellt.
Veröffentlicht am 25. Januar 2023