Kundenentzug kann Diskriminierung darstellen
Möchte eine potenzielle Kundin nicht von einer weiblichen Person, sondern von einem männlichen Berater betreut werden, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Reaktionsmöglichkeiten grundsätzlich den Schutzpflichten nach § 12 Abs.4 AGG nachzukommen. Tut sie dies nicht, kann der Entzug der potenziellen Kundin aus der Betreuungszuständigkeit der Arbeitnehmerin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs.1 AGG darstellen und einen Entschädigungsanspruch auslösen.
Die Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten angestellt und arbeitet zuletzt im Vertrieb. Einer bei der Beklagten registrierten Bauinteressentin wurde über das unternehmensinterne zur Aufnahme und Verteilung von Interessenten angewandte System der Beklagten die Klägerin als Beraterin zugeordnet. Im Frühjahr 2023 fragte die Klägerin telefonisch bei der Bauinteressentin wegen der Entwicklung ihres Bauvorhabens nach. Die Bauinteressentin wandte sich daraufhin an den Regionalleiter der Beklagten und teilte diesem mit, dass sie keine Frau als Beraterin haben wolle. Die Bauinteressierte wurde dann intern auf den Regionalleiter "überschrieben“. Die Klägerin hätte eine Provision von 32.000,00 Euro erzielen können, wenn sie die Bauinteressentin weiterhin betreut hätte.
Die Klägerin verlangte daraufhin Schadenersatz in Höhe der entgangenen Provision und Entschädigung in Höhe von sechs Bruttomonatsgehältern (84.300,00 Euro). Sie war der Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach § 15 Abs.2 AGG wegen einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts habe. Die Beklagte hätte die diskriminierende Äußerung der Bauinteressentin nicht einfach akzeptieren, sondern hätte sich schützend vor die Klägerin stellen sollen. Im Laufe des Rechtsstreits erkannte die Beklagte den Schadenersatzanspruch in Höhe der entgangenen Provision an.
Nachdem das Arbeitsgericht in erster Instanz den Antrag auf Entschädigung noch zurückwies, hatte die Berufung der Klägerin zumindest teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat einen Entschädigungsanspruch grundsätzlich bejaht, jedoch nur in Höhe von 1.500,00 Euro. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte die Klägerin unmittelbar im Sinne von § 3 AGG wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Die primäre Benachteiligung erfolgte zwar durch die Bauinteressentin, die Beklagte hat ihren Schutzpflichten nach § 12 Abs.4 AGG jedoch trotzdem nicht genügt. Sie hätte die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Klägerin vor Diskriminierung durch Dritte ergreifen müssen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Kundenbeziehung ist zwar in angemessener Weise zu berücksichtigen, es muss aber in jedem Fall deutlich werden, dass der Arbeitgeber die Benachteiligung durch Dritte nicht als unabänderlich hinnimmt oder sie sich gar zu eigen macht (Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2024, 10 Sa 13/24).
Veröffentlicht am 18. März 2025.