Arbeitsrecht

Kündigung wegen diskriminierender Beleidigung

Eine diskriminierende Äußerung („Ich hasse die scheiß Ausländer“) in Gegenwart einer ausländischen Kollegin in Verbindung mit der Bezeichnung eines Kollegen als „Arschloch“, jeweils ohne nachvollziehbaren Anlass, können auch vor dem Hintergrund einer 23-jährigen beanstandungslosen Betriebszugehörigkeit, eines fortgeschrittenen Lebensalters, einer Schwerbehinderung und schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer und Kläger war am Empfang im Hauptverwaltungsgebäude eines Finanzinstituts tätig. Er war 56 Jahre alt, schwerbehindert und seit 23 Jahren bei der Beklagten tätig. Abgemahnt wurde er nie. An einem Arbeitstag war er gemeinsam mit einer ausländischen Kollegin am Empfang tätig. Ein weiterer ausländischer Kollege sollte jene Kollegin ablösen. Er rief kurz vor dem Schichtwechsel an, um mitzuteilen, dass er sich um wenige Minuten verspäte. Das hat den Kläger veranlasst, in Gegenwart seiner Kollegin in Bezug auf den verspäteten Kollegen laut „Ich hasse die scheiß Ausländer“ zu sagen. Als der Kollege ca. 10 bis 15 Minuten später erschien, hat der Kläger ihn mit den Worten „Du bist zu spät, Arschloch“ begrüßt. Dies geschah im Foyer des Verwaltungsgebäudes in einer Lautstärke, die jedenfalls ein Dritter mitbekommen hat. Der Arbeitnehmer hat sich nicht entschuldigt, sondern die Vorwürfe in der Anhörung bestritten. Die Arbeitgeberin hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos gekündigt.
Das ArbG Hamburg hat den von der Arbeitgeberin angenommenen Sachverhalt nach Einvernahme von drei Zeugen als bewiesen erachtet. Im Wesentlichen haben das ArbG und das LAG den Sachverhalt dann gleichermaßen gewürdigt, nämlich wie folgt: Zwar seien im Rahmen der Interessenabwägung hohe Maßstäbe an die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung anzulegen gewesen. Dies vor dem Hintergrund der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers, seines Lebensalters, seiner Schwerbehinderung, seiner sehr schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt und seiner Abmahnungsfreiheit bis dahin. Gleichwohl sei der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, nicht zumutbar gewesen. Die diskriminierende Äußerung („Ich hasse die scheiß Ausländer“) in Verbindung mit der Beleidigung („Du bist zu spät, Arschloch“) wögen zu schwer. Der Satz „Ich hasse die scheiß Ausländer“ sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ferner habe sich der Kläger nicht entschuldigt oder sein Verhalten reflektiert, sondern die Vorfälle bis zuletzt bestritten. Das erhöhe die Wiederholungsgefahr und damit die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Außerdem sei der Vorfall im Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes geschehen, wo Dritte davon Kenntnis nehmen konnten. Das beeinträchtige die Interessen der Beklagten ebenfalls, weil eine Wiederholungsgefahr bestehe. Schließlich habe es keinen nachvollziehbaren Anlass für den Vorfall gegeben. Eine Affekthandlung könne ausgeschlossen werden, da mindestens zehn Minuten zwischen beiden Vorfällen lagen (LAG Hamburg Urt. v. 17. November 2022 – 1 Sa 40/22).
Veröffentlicht am 20. Juni 2023