Arbeitsrecht

Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen

Im Rahmen eines langjährigen Arbeitsverhältnisses kann eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen auch dann sozial ungerechtfertigt sein, wenn zukünftig mit mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung der Beklagten.
Der Kläger ist als Gießereihilfskraft seit 1989 bei der Beklagten angestellt. Mitte 2019 reagierte die Beklagte auf die zunehmenden Fehlzeiten des Klägers. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 ordentlich zum 31. Juli 2023 gekündigt. Dagegen erhob der Kläger Klage beim Arbeitsgericht.
Die Beklagte trägt vor, dass von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen sei. Die Kündigung sei nach den Grundsätzen der personenbedingten Kündigung aufgrund häufiger Kurzerkrankungen gerechtfertigt. Der Kläger weise in der Tendenz zunehmende Fehlzeiten auf, wodurch es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen komme. Zum einen seien die wirtschaftlichen Belastungen relevant, da die Beklagte allein in den letzten vier Kalenderjahren mehr als 30.000 Euro brutto an Entgeltfortzahlung habe aufwenden müssen.
Der Kläger behauptet, die Erkrankungen in der Vergangenheit seien durch die Einnahme von Medikamenten, aufgrund physiotherapeutischer Maßnahmen und weiterer therapeutischer Maßnahmen im Wesentlichen ausgeheilt.
Die Klage ist begründet, da die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Zwar besteht hinsichtlich einer Reihe von Erkrankungen eine negative Zukunftsprognose, jedoch ergibt die Interessenabwägung, dass das Interesse des Klägers am Erhalt des Arbeitsplatzes gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt. Es ist zu berücksichtigen, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist. Je länger ein Arbeitsverhältnis ohne krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit verlaufen ist, desto mehr sind künftige Fehlzeiten hinzunehmen. Zudem sind das Alter, der Familienstand (Unterhaltspflichten) und gegebenenfalls eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers sowie Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.
Der Kläger ist verheiratet und somit seiner Ehefrau jedenfalls potentiell unterhaltsverpflichtet. Der Kläger weist eine enorme Betriebszugehörigkeit auf. Er war zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 33 Jahre im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Zudem stellen die beim Kläger vorrangig bestehenden Krankheitsbilder ganz überwiegend Verschleißerscheinungen dar, die typischerweise bei älteren Arbeitnehmern auftreten, welche körperlich anspruchsvolle Arbeiten ausüben. Die Verschleißerscheinungen sind damit auch Folge der jahrzehntelangen Arbeit. Die Vermittlungschancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt dürften aufgrund des Lebensalters von mittlerweile 60 Jahren und der Tatsache, dass er keine fachliche Qualifizierung aufweist, als sehr gering einzuschätzen sein. Eine weitere Verschlechterung der Chancen ergibt sich auch daraus, dass der Kläger körperliche Einschränkungen aufweist, weshalb er nicht für jede gewerbliche Arbeit in Betracht kommen dürfte. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger zu den rentennahen Jahrgängen zählt. Zugunsten der Beklagten war zu sehen, dass sie zukünftig weiterhin mit deutlich mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Jahr rechnen muss, was für einen Betrieb mit 100 Mitarbeitern eine erhebliche Belastung finanzieller Art darstellt. Gleichwohl überwiegen aus Sicht der Kammer die zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Gesichtspunkte. Somit überwiegt dessen Bestandsinteresse (Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses) das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (ArbG Heilbronn Urt. v. 21. März 2023 – 8 Ca 328/22).
Veröffentlicht am 26. September 2023