Keine Arbeitsaufnahme während der Freistellung
Wird ein Arbeitnehmer ordentlich gekündigt und vom Arbeitgeber freigestellt, unterlässt er in der Regel nicht böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vor Ablauf der Kündigungsfrist kein anderes Beschäftigungsverhältnis eingeht.
Der Kläger arbeitete seit 2019 bei der Beklagten, bis diese ihn Ende März 2023 ordentlich kündigte und freistellte. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage, welche Erfolg hatte. Anfang April, also direkt nach Zugang der Kündigung, meldete sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend, Stellenangebote schickte die Agentur für Arbeit ihm jedoch erst im Juni. Der Arbeitgeber war schneller und sendetet dem Kläger bereits ab Mitte Mai, insgesamt 43 Stellenangebote. Der Kläger bewarb sich erst Ende Juni auf verschiedene Stellenangebote. Die Beklagte zahlte dem Kläger keine Vergütung mehr für den Juni, diese Vergütung hat der Kläger vor Gericht geltend gemacht.
Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Juni Vergütung gehabt hat, da er verpflichtet gewesen sei, sich während der Freistellung zeitnah auf die Stellenangebote zu bewerben. Weil der Kläger dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei dem Arbeitgeber bezogenen Gehalts anrechnen lassen nach § 615 Satz 2 BGB. Diese Auffassung teilte auch das Arbeitsgericht in erster Instanz.
Das Bundesarbeitsgericht vertritt jedoch eine andere Meinung und sprach dem Kläger den Anspruch auf den Lohn im Juni zu. Die Beklagte hat sich aufgrund der einseitig erklärten Freistellung im Annahmeverzug befunden und schuldet daher dem Kläger die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Eine fiktive Anrechnung des nicht erworbenen Verdienstes wäre nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer wider Treu und Glauben untätig geblieben ist. Da § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann die Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden. Aufgrund dessen muss der Arbeitgeber darlegen, dass ihm die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers unzumutbar gewesen sei. Andernfalls besteht für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen (Quelle: Pressemittelung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 127/24).
Veröffentlicht am 18. März 2025.