Recht und Steuern

Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall Beweise vorlegt, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Lediglich objektiv mehrdeutige, plausibel erklärbare Sachverhalte sind grundsätzlich nicht geeignet, ernsthafte Zweifel zu begründen.
Der klägerische Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten. Kurz danach reichte der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein, die fast passgenau den Zeitraum der verbleibenden Dauer des Arbeitsverhältnisses umfassten, bevor der Kläger eine neue Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufnahm. Der Kläger erhob den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, welchen die Arbeitgeberin mit der Begründung verweigerte, der Kläger sei nicht krank gewesen. Er habe lediglich nicht mehr an die Arbeitsstätte zurückkehren wollen. Dafür legte sie Indizien vor, wie eine abweichende Meldeadresse des Klägers und die pauschale Behauptung, dass Privatsachen am Arbeitsplatz fehlten.
Das Arbeitsgericht und das LAG im Berufungsverfahren gaben dem Kläger Recht und bestätigten den klägerischen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Dieser Beweiswert wurde vorliegend nicht erschüttert. Dies erfordere eine taggenaue Passgenauigkeit von bescheinigter Arbeitsunfähigkeit und verbleibender Dauer des Arbeitsverhältnisses. Auch die angeführten Indizien reichen nicht aus und seien zu pauschal und ungenau. Liegen lediglich objektiv mehrdeutige, plausibel erklärbare Sachverhalte vor, sind diese jedenfalls grundsätzlich nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründen zu können (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. März 2023 - 2 Sa 156/22 – ArbG Schwerin).
Veröffentlicht am 13. Juli 2023