Beweiswert der Arbeits­unfähigkeits­bescheinigung

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verliert die Beweiskraft durch widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers.
Ein Omnibusfahrer, seit September 2022 bei einem Linienverkehrsunternehmen beschäftigt, wurde für den Zeitraum vom 2. bis 14. Oktober 2023 auf neue Liniendienste eingewiesen. Der Arbeitnehmer zeigte sich unzufrieden mit der geplanten Versetzung. Kurz darauf legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer "Kolitis/Durchfallerkrankung" vor – zunächst bis zum 1. Oktober, später verlängert bis zum 8. Oktober 2023.
Während dieser Zeit wurde er in einer Eisdiele gesichtet. Nach einer kurzen Phase der Arbeitsfähigkeit ab dem 9. Oktober 2023 gab der Arbeitnehmer am 16. Oktober 2023 seine Ausrüstung zurück und legte eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 22. Oktober 2023 vor. Für den Zeitraum vom 23. Oktober bis 9. November 2023 fehlte eine Bescheinigung; ab dem 10. November 2023 reichte er eine Folgebescheinigung ein.
Das LAG Köln sah für die Zeiträume ab dem 16. Oktober 2023 den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert ist. Dies wird regelmäßig durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen. Die Bescheinigung begründet jedoch keine gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO. Ihr Beweiswert kann durch den Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst erschüttert werden.
Im konkreten Fall sprach die zeitliche Koinzidenz von Arbeitsunfähigkeit, Rückgabe der Ausrüstung und der geplanten Versetzung – die der Arbeitnehmer ablehnte – gegen die Glaubwürdigkeit der Bescheinigung. Der Arbeitnehmer konnte die Beweislast nicht erfüllen, da er keine konkreten Angaben zu Symptomen oder Beschwerden machte. Zudem legte er nicht dar, dass keine Fortsetzungserkrankung vorlag, für die der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt. Schließlich fehlte eine substantiierte Darlegung zur Höhe des fortzuzahlenden Entgelts (LAG Köln, Urteil vom 3. Juni 2025 – 7 SLa 54/25 (ArbG Aachen 17. Dezember 2024 – 2 Ca 3350/23)).