IHK-Talk mit Straubhaar & Probst

"Digitalisierung ist eine historische Chance für Deutschland"

Was unterscheidet die Digitalisierung von der Globalisierung? Die Digitalisierung ist ein unaufhaltsamer Megatrend mit großen Herausforderungen und Chancen. Der international renommierte Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Thomas Straubhaar ist entschlossen, diese Chancen zu nutzen.
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"Auch die Globalisierung hat viele Vorteile gebracht, aber viele Menschen glauben heute, sie würden nicht im selben Maße profitieren wie andere und lehnen deshalb die Entwicklungen ab. Diese Fehler dürfen sich bei der Digitalisierung nicht wiederholen", sagte der ehemalige Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) in der Diskussionsveranstaltung "FOKUS Wirtschaft - Straubhaar & Probst mit Gästen" der IHK zu Lübeck. "Wenn wir Digitalisierung ökonomisch richtig verstehen, politisch klug regulieren und gesellschaftlich mit Vernunft handhaben, ergibt sich für Deutschland eine historische Chance für weniger, aber bessere Arbeit und mehr Wohlstand für alle", so sein Fazit.
Gemeinsam mit Co-Moderator und IHK-Vicepräses Dr. Arno Probst diskutierte Straubhaar mit Gästen über das Thema "Moderne Arbeitswelten". Auf dem Podium in der Kulturwerft Gollan in Lübeck hatten Experten aus ganz Deutschland Platz genommen: Dr. Elisabeth Denison, Partner und Chief Strategy & Talent Officer der Deloitte GmbH, Maren Gutzmann, Inhaberin von "marengu.de" in Lübeck, Dr. Stefan Rief, verantwortlich für Workspace Innovation beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart, und Stefan Ritt, Vicepresident Global Marketing and Communications der SLM Solutions GmbH in Lübeck. Gutzmann hat die Veränderungen der Arbeitswelt hinter sich und hat sich vor Jahren mit dem Online-Vertrieb selbst gefertigter Mode und Taschen selbstständig gemacht. "Ich fühle mich wie ein Fisch, der gegen den Strom schwimmt. Positiv ist, dass ich sehr schnell reagieren kann. Dafür fehlt aber der Halt eines großen Unternehmens", sagte sie vor 80 Zuhörern.
Auch SLM Solutions surfe auf der Welle der Digitalisierung, betonte Moderator Probst. Stefan Ritt nahm den Ball auf und erinnerte an seine Anfänge im Berufsleben, als in vielen Unternehmen noch Maschinen Lochstreifen mit gespeicherten Daten Verwendung fanden. "Heute nutzen wir kaum noch Papier in der Konstruktion und in der Fertigung. Für 3-D-Druck-Verfahren gibt es nur noch digitalen Input." Der Umbruch der Arbeitswelt und der Umbruch der Lebenswelt gingen miteinander her: "Der 3-D-Druck ist nicht für die Massenproduktion geeignet, er wird aber große Fortschritte für die individuelle Fertigung bringen." Zudem erwarte Ritt, dass die Visionen über fliegende Autos eines Tages Realität würden. "Wir müssen in die dritte Dimension, da wir zu wenig Straßen für zu viele Autos haben."
Viele Veränderungen könnten Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Gesellschaft haben. "Unternehmen denken und handeln global, die Regulierung und die Politik dagegen zu langsam und häufig nationalistisch. Viele Menschen kommen da nicht mit und ziehen sich zurück", sagte Elisabeth Denison. Einerseits sollten Wirtschaft und Politik die Menschen vorbereiten und in Straubhaars Sinne auf dem Weg in die Zukunft mitnehmen, besonders Unternehmer sollten als Vorbilder mit gutem Beispiel vorangehen. Andererseits sei jeder gefordert, sich zu spezialisieren und auch einmal Neues auszuprobieren, nach dem Motto: "Weg von der Vollkasko-Mentalität, hin zu mehr Veränderungs-Bereitschaft", sagte sie. "Wir kennen heute wohl nur die Hälfte der Jobs, die es in zehn Jahren geben wird. Ich weiß nicht, was meine Kinder einmal arbeiten werden", betonte Denison mit einem Blick in die Zukunft.
Auf jeden Fall würden die Menschen weiterhin so viel arbeiten wie in der Gegenwart, ergänzte Fraunhofer-Experte Rief. "Früher haben andere etwas ausprobiert und ich bin hinterher gegangen. Heute müssen wir alle viel mehr experimentieren." In den Betrieben dürfte es Verschiebungen geben hin zu einem Team mit einer Kernmannschaft und für Projekte eingekauften Kräften, sagte Rief. Allerdings sehe auch er in dieser Entwicklung sozialen Sprengstoff, wenn Menschen abhängt sind und nicht mehr mitkommen. "Das kann schon in der Schule anfangen, weil Kinder wohlhabender Eltern bessere Voraussetzungen erhalten, um in der modernen Welt Erfolg zu haben."
Das Moderatoren-Team war zufrieden mit dem Ergebnis der zweiten IHK-Talkrunde. "Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass Digitalisierung mehr als ein technologischer Fortschritt ist. Sie wird Geschäftsmodelle in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen verändern und zwar rasch und radikal", sagte Straubhaar. Die Kulturwerft stehe symbolisch für den Beginn einer neuen Zeit: "Hier treffen die Old Economy des 19. und 20. Jahrhunderts oder auch Industrie 1.0 auf die Ideen einer neue Ära oder Industrie 4.0 - eine herausragende Location."
Moderatoren und IHK zu Lübeck nutzen die Öffentlichkeitswirksamkeit der Veranstaltung, um ein Projekt zur Heranführung der Jugend an die Wirtschaft herauszustellen und finanziell zu fördern. Die Stiftung "ProEconomia" der IHK zu Lübeck schüttet Geld für ein Projekt in der Region aus, das sich in besonderer Weise um die Kooperation von "Wirtschaft und Jugend" bemüht. Dieses Mal unterstützt die Stiftung ein Projekt von Frank Janßen aus Bad Oldesloe. Seine Zielsetzung ist es, Jugendliche schon früh für technische Berufe zu begeistern. Deshalb hat er unter anderem eine Schüler-Exkursion zur diesjährigen Hannover Messe organisiert.
IHK-Präses Friederike C. Kühn kündigte den Termin der nächsten Talkrunde an: Straubhaar & Probst werden am Donnerstag, 10. Oktober 2017, mit ihren Gästen über das Thema "Feuer für Unternehmertum" diskutieren. Einer der Talkgäste ist Ralf Dümmel, Geschäftsführer von DS Produkte in Stapelfeld, auch bekannt als Juror der VOX-Gründer-Show "Höhle der Löwen".
Veröffentlicht am 3. Mai 2017