FOKUS Wirtschaft

"Wir müssen Europa erklären"

Ein klares Bekenntnis zur europäischen Idee und zur Europäischen Union (EU) legten Talkgäste und Teilnehmer in der Veranstaltung "FOKUS Wirtschaft - Straubhaar & Probst mit Gästen" der IHK zu Lübeck in Kooperation mit der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt mbH (EGNO) ab. Damit die Menschen verstehen, welche Vorteile die starke internationale Gemeinschaft ihnen bietet, "müssen wir Europa erklären. Und wir benötigen eine engere Zusammenarbeit in der EU", sagte Delara Burkhardt, Mitglied des Europäischen Parlaments, in der von Professor Dr. Thomas Straubhaar und IHK-Vicepräses Dr. Arno Probst moderierten Runde vor rund 70 Teilnehmern, unter ihnen Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sowie mehr als 20 Schüler und Lehrer Norderstedter Schulen.
"Für uns ist Europa ein ganz wichtiger Faktor, am Standort haben wir viele Europazentralen internationaler Konzerne. Drei davon im näheren Umkreis", sagte EGNO-Geschäftsführer Marc-Mario Bertermann in seiner Begrüßung im BMW-Autohaus STADAC GmbH. "Und das Berufsbildungszentrum bildet den Beruf Europakaufmann aus", ergänzte der EGNO-Chef.
STADAC-Geschäftsführer Philip Leuchtenberger bezeichnete sich als "überzeugten Europäer". Viele der Auswirkungen auf europäischer Ebene bekomme er als Autohändler unmittelbar zu spüren: "Der Klimawandel ist sehr präsent in der Automobilindustrie. Die hohen Abgaswerte sind eine Herausforderung. Aber wir haben hier eine führende Industrie, die wir viel zu sehr verteufeln."
Auch der Brexit belaste sein Geschäft. "Der zieht sich wie ein zäher Kaugummi. Die Industrie hatte sich auf 31. März dieses Jahres als Austrittsdatum eingestellt. Das Mini-Werk in Oxford hatte daher Betriebsferien gemacht. So ist bei uns ein Loch entstanden, bis die Lieferkette wieder normal lief. Dieses Problem zog sich weltweit hin, ausgehend von Oxford", so Leuchtenberger. Von der Abschottung des britischen Marktes erwarte er keine positiven Effekte. "Das Gegenteil wird eintreten: Großbritannien hat 22 Autofabriken, die Teile dafür kommen aus vielen Ländern. Mit dem daraus erwachsenden riesigen Zollaufwand sind wir am Ende nicht mehr schnell in unserer vernetzten Welt."
Um die Klimaziele der EU zu erreichen, sei ein Umstieg auf Elektro- und vor allem Wasserstofffahrzeuge notwendig, betonte der Familienunternehmer, und forderte Anreize dafür. Delara Burkhardt bestätigte, dass Lösungen Investitionen erforderten. "Daher müssen wir auf europäischer Ebene die Voraussetzungen für diese Investitionen schaffen." Die Menschen sollten nicht immer Angst vor Veränderungen haben, sondern erkennen, dass viel Neues und Gutes komme. Dafür seien Investitionen in die Infrastruktur notwendig." Zugleich warnte sie davor, die Aktion "fridays for future" darauf zu beschränken, dass die Teilnehmer "zurück in die Steinzeit" wollten. "Die jungen Menschen wollen gute Bedingungen haben und eine Zukunft."
Im Fishbowl-Format kamen die Schülerinnen und Schüler zu Wort. Abwechselnd nahm einer von ihnen einen freien Platz ein und diskutierte mit den Experten. Ein 16-Jähriger sagte, er würde sich sehr für Europa interessieren, weil Deutschland ein Teil Europas ist und er möchte, dass die EU sich weiterentwickelt. "Was bringt uns der Emissionshandel, wenn wir die Zahlen nicht erreichen beziehungsweise Emissionen kaufen oder verkaufen können?", fragte er. Delara Burkhardt betonte, CO2 müsse einen Preis bekommen, zudem sollte es flexible Lösungen geben, bei denen sich zwei Staaten zusammenschließen und das Land mit der geringeren Quote die höhere Belastung des Nachbarlandes ausgleicht. Philip Leuchtenberger betonte, es müsse Anreize dafür geben, mit Wasserstoff zu fahren. Ein Vorteil für den Verbraucher ziehe immer, wie die Abwrackprämie belege. Es reiche nicht aus, etwas unattraktiv zu machen, weil es alt ist. Wichtiger sei es, die Menschen dazu zu bringen, alternative Antriebe zu nutzen.
Friederike C. Kühn, Präses der IHK zu Lübeck, lobte vor allem das Interesse und die Beteiligung der jungen Leute. "Es ist gut, dass wir eine selbstbewusste Jugend haben, die sich für die großen Zusammenhänge interessiert. Schon bald wird diese Generation gestalten, und ich bin sicher, dass sie verantwortungsbewusst handeln wird."
Veröffentlicht am 30. Oktober 2019